Zero Control in selbsterschaffenen Utopien

Fotos von Miles AldridgeImpressionen von der Miles-Aldridge Ausstellung. Foto: Cetin Yaman

Retrospektive von Miles Aldridge-Fotografien im neuen Museum Fotografiska.

Freunde von Foto-Kunst haben seit vergangenem Jahr eine neue Pilgerstätte – und die ist gar nicht weit weg von Hamburg. Das Fotografiska Museum mit Stammsitz in der schwedischen Hauptstadt Stockholm hat nämlich 2023 eine Dependance in Berlin eröffnet. Und diese zeigt noch bis Anfang Mai eine Ausstellung von einem britischen Künstler, der mit seinen Fotografien vor ein paar Jahren auch in den Deichtorhallen zu sehen gewesen ist. Miles Aldridge kann inzwischen über eine Jahrzehnte reichende Karriere blicken und zählt zu den Legenden der kunstvoll inszenierten Fotografie.

Ausstellungsplakat
Impressionen von der Miles-Aldridge Ausstellung. Foto: Cetin Yaman

Dabei geht es ihm immer um den Blick hinter die Kulissen der gesellschaftlichen Konventionen. Stilistisch liegt er dabei mit seinen grellen Farben, dramatisch angelegten Kulissen und einer Prise Humor im Bereich der Popkultur, hin und wieder gibt es jedoch immer wieder Assoziationen zur traditionellen Hochkultur. Die Ausstellung, die eine Retrospektive ist, nennt sich „Virgin Mary. Supermärkte. Popcorn. Photographs 1999 to 2020“ und wurde von Nadine Barth kuratiert.

Bild von Miles Aldridge
Impressionen von der Miles-Aldridge Ausstellung. Foto: Cetin Yaman

Gezeigt werden dabei über 80 Fotografien, die allesamt durch ihre penibel-genaue Inszenierung glänzen. Dass dabei vor allem die Popkultur der 1990er Jahre durchschimmert – David Lynch lässt grüßen – macht das Ganze zu einer kleinen Zeitreise.

Foto von von Miles Aldridge
Impressionen von der Miles-Aldridge Ausstellung. Foto: Cetin Yaman

Werke aus “(after Cattelan)” (in Zusammenarbeit mit dem Künstler Maurizio Cattelan), die “Immaculée”-Serie, in der moderne Models als religiöse Figuren dargestellt werden, und auch Porträts von Donatella Versace und Ralph Fiennes sind dabei.

Anatol Kotte
Auch der bekannte Hamburger Fotokünstler Anatol Kotte kam zum Opening der Aldridge-Ausstellung nach Berlin. Sein Fazit: „Schon beeindruckend!“. Foto: Cetin Yaman

Alles verpackt in Bonbonfarben, verbunden mit einer hyper-realen Aura. Stets sind Zitate aus Filmen, Kunstgeschichte und Popkultur mit eingebaut und der in diesen Bereichen bewanderte Betrachter genießt diese Kunstwerke umso mehr. Frauen werden dabei bewusst klischee-artig dargestellt und erhöhen dadurch die unwirklich-künstliche Wirkung der Darstellungen. Das Besondere bei Aldridge: alle Fotos sind auf Film fotografiert.

Miles Aldridge (Mitte) mit Yoram Roth und Yousef Hammoudah
Künstler Miles Aldridge (Mitte) mit Yoram Roth (Fotografiska-Leiter, Unternehmer und Kunstmäzen) und Yousef Hammoudah (Direktor des Fotografie-Museums in Berlin). Foto: Cetin Yaman

„Wir leben in einer Illusion von Kontrolle in unserem auf Konsum und auf soziale Medien ausgerichteten Lebensstil. Eine Utopie, die wir geschaffen haben, um eine fiktive Sicherheit zu erreichen. Die Wahrheit ist jedoch, dass wir überhaupt keine Kontrolle haben. Denn wenn das Leben schnell auf uns zukommt und uns mit Dingen wie Krankheiten, sozialen Ungerechtigkeiten, Unruhen und Pandemien überrascht, sind wir unglaublich verletzlich und stehen schutzlos da. Das sind Tatsachen, auf die sich meine Bilder konzentrieren und die sie durch die Verwendung von großartigen Farben, sorgfältig herausgearbeiteten Details und einem gewissen zynischen, dunklen Humor hervorheben”,

so der Künstler Miles Aldridge.

Miles Aldridge wurde 1964 in London geboren und begann sich schon früh für die Fotografie zu interessieren, als er von seinem Vater, dem berühmten Kunstregisseur Alan Aldridge, eine Nikon F-Kamera geschenkt bekam. Später studierte er Grafikdesign am Central Saint Martins und schloss 1987 mit einem BA ab. Sein kreatives Schaffen umfasst großformatige C-Type-Drucke, Polaroids, Siebdrucke, Fotogravuren und Zeichnungen.

Das Fotografiska Museum in Berlin - Nachtaufnahme
Das Fotografiska Museum ist in Berlin-Mitte im ehemaligen Tacheles untergebracht. Foto: Cetin Yaman

Zero Control im FOTOGRAFISKA MUSEUM Berlin

Wann: Bis 5. Mai 2024, Montag – Sonntag 10 bis 23:00 Uhr, letzter Einlass ist eine Stunde vor Schließung
Wo: Oranienburger Straße 54, 10117 Berlin

von Cetin Yaman