THE INTERVIEW LUNCH: Chinesischer Generalkonsul zu Gast im Yu Garden Wu Cong ist ein Hamburg-Fan geworden

Ein tolles sommerliches Ambiente: Generalkonsul Wu Cong (Mitte) mit Ehefrau (und Konsulin) Yu Rui und Qiuyi Chen, Inhaber des Yu Garden - GruppenfotoEin tolles sommerliches Ambiente: Generalkonsul Wu Cong (Mitte) mit Ehefrau (und Konsulin) Yu Rui und Qiuyi Chen, Inhaber des Yu Garden, im Garten des Yu Garden. Foto: Cetin Yaman

Seit 2022 ist Wu Cong der neue Generalkonsul von China in Hamburg. Da China allgemein in der Weltpolitik, Weltwirtschaft und natürlich auch im Hamburger Hafen eine große Rolle spielt – und auch in Hamburg als Handelspartner einen ganz exponierten Status genießt -, ist dies für uns ein guter Anlass für eine neue Folge der – inzwischen ziemlich populären – ganz-hamburg.de–Reportage-Reihe THE INTERVIEW LUNCH. Der Freie Journalist Cetin Yaman traf sich mit dem Repräsentanten aus Fernost im, von vielen als schönstes chinesisches Restaurant der Hansestadt bezeichneten, YU GARDEN im Stadtteil Harvestehude.

Thematisch ging es dabei nicht nur ganz allgemein um das Leben als ausländischer Diplomat in Hamburg, sondern auch durchaus um einige brisante politische Punkte, die derzeit zwischen China und dem Westen diskutiert werden. Hamburg als traditionelle Hafenstadt steht da mittendrin und schlägt sich dabei bestens, wie Cong findet. Eine Besonderheit muss hier erwähnt werden: dieses Interview hier auf ganz-hamburg.de ist das erste, das der Generalkonsul Cong hier in Hamburg überhaupt gegeben hat, es ist also eine Premiere – und eine sehr lesenswerte, wie wir finden.

Die Hansestadt aus chinesischer Perspektive

gh: Hallo Herr Generalkonsul, fangen wir doch gleich mal mit ihrem neuen Wohnort an. Was sind denn Ihre bisherigen, erst mal ganz allgemeinen, Eindrücke von Hamburg so gewesen, als Sie das erste Mal hierherkamen?

Cong: Hamburg ist eine sehr lebenswerte und lebensfreudige Stadt, in der man sich einfach wohlfühlen muss. Hier trifft Geschichte auf Moderne, und auch wirtschaftlich geht es der Stadt sehr gut. Dazu kommt noch die schöne Natur, die Hamburg umgibt. Und auch die Menschen, die hier leben, sind sehr offen und haben eine tolle freundliche Mentalität. All das hat mich sofort begeistert, und ich habe mich auf den ersten Blick in diese Stadt verliebt.

gh: Sie sagen, dass die Hamburger für Sie einen sehr offenen Eindruck machen würden. Wie macht sich das konkret bemerkbar?

Cong: Ich wurde in Hamburg immer mit großer Gastfreundlichkeit aufgenommen, der hanseatische Geist, der (unter anderem) für Freiheit und Toleranz steht, ist deutlich zu spüren. Vor allem die Hamburger Regierung hat uns stets sehr hilfreich behandelt. Sie hat uns in vielen Punkten bei unserer Ankunft in der Hansestadt assistiert.

gh: Lassen Sie uns diese Frage doch aufteilen: einmal in Reaktionen auf professioneller Ebene, diese Frage haben Sie schon beantwortet. Und zum anderen auf Reaktionen, wenn die Menschen in dieser Stadt nicht wussten, dass Sie der Generalkonsul eines großen Landes sind und somit eine wichtige Person darstellen. Waren da Ihre Eindrücke anders?

Cong: Lassen Sie mich zuerst feststellen: ich selber betrachte mich nicht als wichtige Person, sondern als ganz normalen Bürger. Das ist für mich eine sehr wichtige Selbsteinschätzung. Wenn ich nach Feierabend durch die Innenstadt oder an der Elbe entlang spaziere und den Menschen in dieser Stadt begegne, dann merke ich eine gewisse vorhandene Grundhöflichkeit der Hamburger. Vor allem habe ich erfreut registrieren dürfen, dass viele Hamburger offensichtlich ein großes Interesse an China haben. Dieses äußert sich in vielen Gesprächen und das nicht nur mit Politikern oder anderen Diplomaten. Auch merke ich, dass dieses Interesse freundlich gestimmt ist; für mich liegt der Grund darin, dass Hamburg eine Hafenstadt ist und diese Offenheit über Jahrhunderte hinweg sich hier manifestiert hat.

gh: Was sagen Sie zum norddeutschen Klima, der Sommer war ja zum Schluss ganz nett, aber insgesamt betrachtet eher so ein Auf und Ab?

Cong: Das Klima in Norddeutschland ist sicher ganz anders als in den pazifischen Inselstaaten (Marshall Inseln, die Redaktion), wo ich eine Weile stationiert war. Der Sommer in Hamburg ist angenehm erfrischend, manchmal ist es sogar etwas kühl. Hier kann man sich wunderbar der Hitze entkommen. Wie Sie sicherlich wissen, ist der Winter im Norden lang, teilweise verregnet und kalt. Aber da ich unter anderem auch in Dänemark gearbeitet habe, konnte ich mich in Hamburg schnell einleben.

Wo ist es am schönsten und wo geht der Generalkonsul am liebsten aus?

Speisen e im Yu Garden
Eine Auswahl der köstlichen Gerichte im Yu Garden.

gh: Kommen wir zum städtelandschaftlichen Aspekt. Welche Plätze in Hamburg gefallen Ihnen noch besonders gut?

Cong: Ich wohne selber auch direkt am wunderschönen Elbufer, nicht nur das Generalkonsulat ist dort angesiedelt. In meiner Freizeit schlendere ich besonders gern den Fluss entlang. Dabei lasse ich den Blick weit über das Wasser und die Bewegung der Schiffe schweifen. Hier pulsiert und atmet die Hansestadt. Ich genieße auch sehr Spaziergänge um die Außen- und Binnenalster. Mit jedem Schritt lassen sich schöne Bilder entdecken. Darüber hinaus muss man noch unbedingt Planten und Blomen, die Speicherstadt und den Fischmarkt besuchen. Es gibt viel zu sehen und zu erleben in Hamburg!

gh: Widmen wir uns nun den unterschiedlichen Orten wie Veranstaltungsstätten für kulturelle Events und ähnlichen Institutionen. Hat Sie da etwas besonders angezogen bisher in Hamburg?

Cong: Nach der Arbeit freue ich mich, spannende Kulturveranstaltungen zu besuchen. Das Kulturangebot in Hamburg ist sehr bunt und fast unendlich. Theater, Museen, Konzerthallen, Galerien, es gibt einfach alles, was das Herz begehrt. Anfang des Jahres lud das Chinese National Traditional Orchestra zum großen Neujahrskonzert in der Elbphilharmonie ein. Der „Klang aus China“ ließ den großen Saal füllen und hat das Publikum verzaubert. Auch bei dem Solokonzert von Lang Lang, der Nacht der chinesischen Kunstlieder und weiteren Aufführungen können Menschen in Hamburg das chinesische Flair erleben. Wenn die chinesische und die westlichen Kulturen zusammentreffen, ist das immer ein ganz besonderes Erlebnis. Dafür ist die Veranstaltungsreihe „CHINA TIME“ ein perfektes Beispiel. Diese findet seit 2006 alle zwei Jahre statt und zeichnet sich auch als interkulturelles Highlight aus. Reiche und gut getaktete Programme stellen China und ihre viele Facetten vor. So wird jedes Mal die Geschichte des freundschaftlichen Miteinanders zwischen Hamburg und China aufs Neu mit Leben gefüllt. So entstehen herzliche Verbindungen. Darum freue ich mich auch auf die kommende Ausgabe CHINA TIME 2024, die im November in Hamburg stattfinden wird.

Kultur hier, Kultur dort: Hamburg/Deutschland und Fernost im Vergleich

Das Diplomatenpaar Cong - China
Kulturelle Events interessieren das Ehepaar Cong sehr, so waren sie im Frühjahr auf der Kunstveranstaltung Best of Northern Art 2024 im Renaissance Hotel zu Gast.

gh: Was würden Sie so ganz allgemein sagen: welche sind die größten Unterschiede, die Sie in der Kultur zwischen Ihrem Heimatland China und Deutschland sehen? Spielt Kultur die gleiche Rolle hier wie bei Ihnen? Erfüllt Kultur die gleiche Funktion in beiden Ländern? Die Frage wird vor dem Hintergrund gestellt, dass Kultur ja nicht unabhängig für sich allein stehend im Raum existiert, sondern ebenfalls immer im gesellschaftlichen Kontext zu sehen ist. Und da fast jedes Land auf der Welt sich in einem ganz eigenen spezifischen Stadium befindet, ist auch die Rolle der Kultur eine jeweils andere. Manchmal sind die Unterschiede eher minimal, manchmal sehr groß. Wie lautet dahingehend Ihr Vergleich zwischen China und Deutschland?

Cong: Seit 5000 Jahren entfaltet sich die chinesische Kultur auf ihre einzigartige und großartige Weise. Chinesen legen viel Wert darauf, ihre Kultur zu pflegen. Traditionen spielen nach wie vor eine große Rolle in der Gesellschaft und prägen die Wertevorstellungen und das Verhalten der Menschen. Ich nenne Ihnen hier zwei Beispiele: Tee und Kleidung im Han-Stil. Im Alltag sitzen Menschen zusammen, trinken gemütlich Tee und plaudern über die Arbeit und das Leben. An besonderen Anlässen wie dem Tag der offenen Tür im Generalkonsulat tragen junge Menschen von sich aus die schönen Gewänder des Han-Stils. Das haben Sie sicher damals bei uns im Haus gesehen, nicht wahr? (Anm. d. Red.: Autor hat diese Veranstaltung besucht gehabt) So wird die traditionelle Kultur also weiterhin mit Liebe gelebt. Gleichzeitig entwickelt sich auch die moderne Kultur in China. Egal ob in der Kunst oder in der Popmusik – die Gesellschaft zeigt ihre Dynamik auf innovative Art und Weise. Hier zeigt sich auch, wie positiv sich die Globalisierung auf uns alle auswirkt. Weltweit ist Deutschland bekannt für seine Wissenschaft, Technologie und moderne Fertigungstechnik. Doch in China kennt man viele glänzende deutsche Namen auch aus der Philosophie, Literatur und Musik. Werke von Kant, Rilke, Goethe, Beethoven und vielen anderen werden von Menschen in China hochgeschätzt. Sowohl China als auch Deutschland sind große Kulturnationen. Es ist uns vom Generalkonsulat ein großes Anliegen, den Kulturaustausch zu fördern. Wir werden weiterhin Veranstaltungen organisieren, damit Menschen in Norddeutschland die Möglichkeit haben, China als ein offenes, lebendiges und facettenreiches Land kennenzulernen. Für deutsche Staatsbürger gilt der visumfreie Aufenthalt in China bis zu zwei Wochen. Und das wird bis Ende 2025 so bleiben. Wir möchten Sie herzlich einladen, China zu bereisen. Lassen Sie sich selbst von der Kultur und den Menschen dort überzeugen.

Partnerstadt Shanghai: vergleichbar mit Hamburg?

gh: Vielen Dank für die Einladung, das ist eine hervorragende Idee! Aber nun mal ganz global betrachtet: gibt es eine Stadt in China, die Sie am meisten mit Hamburg vergleichen könnten? Wenn ja, welche ist das und was sind die Gründe?

Cong: Da muss ich sofort an Shanghai denken, die Partnerstadt von Hamburg seit 1986. Die beiden Städte sind sich in vielen Aspekten sehr ähnlich. Beide Städte sind Wirtschaftsmetropolen und haben jeweils den größten Hafen in ihrem Land. Beide Städte sind in besonderem Maß vom Welthandel geprägt. Und beide Städte haben kulturell viel zu bieten. Shanghai und Hamburg arbeiten viel in Handel, Hafenlogistik, Wissenschaft, Kultur, Bildung zusammen. Die zwei Städte sind sehr eng miteinander verbunden und tauschen sich regelmäßig aus.

gh: Ihr Verantwortungsbereich besteht aus vier norddeutschen Bundesländern, haben Sie sich auch schon von den anderen nördlichen Bundesländern einen Eindruck verschaffen können. Was hat Ihnen abgesehen von Hamburg bisher noch in Norddeutschland beeindruckt?

Cong: Ich bin inzwischen fast zwei Jahre im Amt und habe viele spannende Orte in Norddeutschland besuchen können. Die Hansestadt Bremen beeindruckt mich mit ihrer langen Seefahrtgeschichte und ihrer mittelalterlichen Architektur. In Niedersachsen bin ich besonders gerne in der Messestadt Hannover zu Gast. Die zahlreichen niedersächsischen Kulturstätten sind alle sehenswert. Die Küste von Schleswig-Holstein und die Kieler Woche begeistern mich sowie die Tausende von Touristen, die diese Veranstaltung anzieht. All diese Länder und Städte haben Partnerschaften in China und wollen mit China zusammenarbeiten, da es für beide Seiten von großem Nutzen ist. Ich freue mich darauf, in der Zukunft noch mehr dazu beitragen zu können.

Weltweit konsularischer Hot Spot: Hamburg

gh: Hamburg ist eine Stadt mit sehr vielen konsularischen Vertretungen aus der ganzen Welt, so um die 100 sind es derzeit. Ist das für Sie als Generalkonsul besonders angenehm, kriegen Sie das mit, dass Hamburg in der Hinsicht so reichhaltig ausgestattet ist? Wird Ihre konsularische Tätigkeit in der Hansestadt dadurch erleichtert? Unter anderem auch deswegen, weil es immer so viele Events und Einladungen von den andern Konsuln gibt?

Cong: Tatsächlich gibt es in Hamburg mehr konsularische Vertretungen als in jeder anderen Stadt, abgesehen von New York und Hong Kong. Sowohl die konsularischen Vertretungen als auch der Hamburger Senat organisieren viele Events. Ich nehme sehr gerne daran teil und treffe mich mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt. Wir reden über Erfahrungen und Erkenntnisse, tauschen uns auch über Hamburg aus. Es ist eine tolle Art, zusammenzuarbeiten.

gh: Haben Sie zu manchen Konsuln mehr Kontakt zu anderen? Wenn ja, welche sind das und warum ist das so? Ist das begründet auf persönlichen Sympathien oder weil dieses Land ihrem eigenen Land besonders nahe steht oder beides?

Cong: Ich habe gute Verbindungen zu allen Kolleginnen und Kollegen im konsularischen Korps. Wir pflegen ein freundliches und respektvolles Miteinander. Wir unterstützen uns gegenseitig. Wir alle sind in Hamburg zu Hause und tauschen uns gerne über die Arbeit und das Leben hier aus. Diese Kommunikation hat mir auch viele Impulse gegeben.

1907 in Othmarschen erbaut: das Generalkonsulat

gh: Das Generalkonsulat von China ist wirklich ein imposantes historisches Gebäude an einer sehr exponierten Stelle, die Elbchaussee ist eine der Prachtmeilen in Hamburg. Sagt das etwas über die Bedeutung von Hamburg für China aus?

Cong: Hamburg ist eine der europäischen Städte, die schon sehr früh eine Kooperation mit China gestartet haben. Daher blickt Hamburg auch auf eine lange Geschichte mit China zurück und dient als wichtiger Brückenkopf für die chinesisch-deutsche und die chinesisch-europäische Zusammenarbeit. Das Generalkonsulat in Hamburg wurde am 14.Mai 1984 an der Alster eröffnet, also genau vor 40 Jahren. Es ist das erste chinesische Generalkonsulat in Deutschland. Im September 1992 sind wir in die Elbchaussee 268 gezogen. Wir nutzen die schöne Villa nun als Amtsgebäude. Diese Villa wurde vor mehr als 100 Jahren vom Stiefvater des Dr. Erich Paulun gebaut. Dr. Paulun wiederum hat zu Beginn des 20. Jahrhundert die Tongji Universität in Shanghai gegründet. Diese ist bis heute eine der führenden Universitäten in China. Also Sie sehen, auch dieses Hamburger Gebäude hat eine Geschichte mit China.  

gh: Manche Konsulate in Hamburg sind sehr aktiv und haben fast jeden Monat eine Veranstaltung in Ihren Räumen. Wie halten Sie es damit? Wie ist da Ihr Konzept? Welche Art von Veranstaltungen sind wichtig für Sie?

Cong: Wir wollen ja, dass sich die Menschen im Amtsbezirk besser kennenlernen und miteinander anfreunden. Deshalb machen wir jedes Jahr verschiedene Veranstaltungen. Zu unseren jährlichen Ritualen gehören die Empfänge zum chinesischen Frühlingsfest und zum Nationalfeiertag sowie der Tag der offenen Tür. Wie heißt es so schön: Aller guten Dinge sind drei. 2024 ist ein besonderes Jahr, denn da gibt es gleich drei Jubiläen: 75 Jahre Gründung der Volksrepublik China, 10 Jahre der umfassenden strategischen Partnerschaft zwischen China und Deutschland und 40 Jahre Gründung des Generalkonsulats in Hamburg. All das haben wir natürlich gebührend gefeiert! Bürgermeister, Ministerpräsidenten, Bürgerschaftspräsidenten und Landtagspräsidenten haben per Videobotschaften zum 40-jährigen Bestehen des Generalkonsulats gratuliert und positive Signale für eine verstärkte Zusammenarbeit gesendet. Ende April hatten wir über 500 Gäste bei uns zu Besuch, die mit uns das 40-jährige Jubiläum des Generalkonsulats und die Lange Nacht der Konsulate gefeiert haben. Es wurde musiziert, getanzt, Kalligrafie praktiziert und Tee getrunken. Außerdem konnten die Besucher E-Fahrzeuge der neuesten Modelle kennenlernen. Der Abend war locker und fröhlich, alle hatten Spaß.
Das Generalkonsulat kooperiert auch mit der Stadt Hamburg in verschiedenen Veranstaltungen. Nennenswert sind dabei die Alster-Detektive, wo wir mit der Bürgerschaft zusammengearbeitet haben. Diese Aktivitäten waren bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt. Zusammen haben wir Laternen gebastelt, Kalligrafie geübt und Leckereien gekocht. War wirklich schön!

Jetzt wird’s ernst… China, Hamburg und die Weltpolitik

gh: Bundeskanzler Olaf Scholz war neulich mit einer großen Wirtschaftsdelegation in Peking. In welchen Bereichen/Branchen ist für deutsche Unternehmen – ganz speziell Unternehmen aus Hamburg – in China noch Platz? 

Cong: China und Deutschland sind umfassende strategische Partner. Die Zusammenarbeit in Wirtschaft und Handel dient als wichtiger Bestandteil unserer bilateralen Beziehungen. Diese Kooperation ist für beide Staaten von großem Vorteil. Vor kurzem fand eine wegweisende politische Tagung in Beijing statt. China wird weiterhin auf dem Öffnungskurs bleiben und dies noch ausbauen. Die Welt kann sich auf Chinas Kooperation verlassen. Gemeinsam werden wir uns weiter entwickeln. Sowohl Deutschland als auch China haben eine solide Herstellungsbranche. Unsere Wirtschaften können sich prima ergänzen. Der Markt für Konsumgüter in China ist riesig. Inzwischen ist im Lande eine ausgezeichnete Infrastruktur für Lieferketten vorhanden. Auch die Innovationskraft wird stärker. China bietet also exzellente Voraussetzungen für deutsche Investitionen. Sowohl in bewährten Branchen wie Maschinenbau, Automobilindustrie, Chemie und Pharma, als auch in neuen Bereichen wie grüner Transformation, Digitalisierung und KI steckt noch unermessliches Potenzial. Die Hansestadt Hamburg ist Vorreiter bei der grünen Transformation in Norddeutschland und setzt bereits grüne Wasserstofftechnologien um. China ist derzeit bestrebt, sich umweltschonend und emissionsarm zu entwickeln. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit sind vielfältig. 

gh: Nun ist diese Reportage-Reihe THE INTERVIEW LUNCH keine, in der es stark um Politik gehen würde, uns interessiert hauptsächlich das Leben von prominenten Menschen, unter anderem von ausländischen Diplomaten, in der Hansestadt. Nichtsdestoweniger müssen wir aber gewisse Themen der Politik anschneiden, denn diese werden ganz sicher auch Ihren Alltag in Hamburg bestimmen.

Cong: Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, die Sichtweise Chinas zu erläutern. So können sich Ihre Leser ein klareres Bild von China machen.

Der Hamburger Hafen in chinesischer Hand?

gh: Die Liste der Fragen in Bezug auf China, die die europäische Politik beschäftigt, ist lang. Fangen wir doch mal mit Hamburg an. Seit Sommer vergangenen Jahres ist der Deal mit dem Einstieg von Cosco beim Hafenterminal Toller Ort unter Dach und Fach, dennoch gibt es noch immer viele kritische Stimmen, die das nicht gut heißen. Wie lautet Ihre Antwort darauf?

Cong: Dass Häfen und Logistikunternehmen miteinander zusammenarbeiten, um mehr Geschäft zu machen, ist in den Zeiten der Globalisierung doch ganz normal. Schließlich profitieren beide Seiten davon. In China sind viele ausländische Unternehmen an chinesischen Häfen beteiligt. Insofern sollte man Investitionen aus China unvoreingenommen betrachten und rational bewerten. Die von Ihnen genannte Kooperation ist freiwillig zustande gekommen. Die Kooperationspartner sind auf Augenhöhe und beide profitieren davon. Muss man das denn politisieren oder es unbedingt als Frage der nationalen Sicherheit sehen? So würde man sich als ausländischer Investor nur mehr Sorgen um das Geschäftsklima und die Planbarkeit der Wirtschaftspolitik in Deutschland machen. 

E-Autos aus China – Hamburg ist europäischer Dreh- und Angelpunkt

gh: Ein weiteres Thema ist die von der Europäischen Kommission gemutmaßte Subventionierung chinesischer Elektroautos, dagegen will man nun ein Verfahren einleiten. Auch das ist für Hamburg ein wichtiger Punkt, denn viele dieser chinesischen Autos landen hier im Hafen, das ist entsprechend ein wichtiger Punkt im internationalen Handel. Welche Meinung haben Sie dazu beziehungsweise wie lauten Ihre Gegenargumente um diese Vorwürfe abzuschwächen?

Cong: Da chinesische Automobilhersteller wie BYD einen „Pioneer-Store“in Hamburg (Ballindamm) eröffnet haben, kann man inzwischen vor Ort eigene Erfahrungen mit chinesischen E-Autos machen. Die Autos sind wettbewerbsfähig und beliebt, weil Innovation und Qualität für sich sprechen. Das lässt sich keineswegs auf Subventionen zurückführen. Eine Sache möchte ich für die E-Auto-Branche in China klarstellen: Subventionen für die Produktion sind inzwischen alle ausgelaufen, momentan gelten nur noch einzelne Steuerbegünstigungen. Gleichzeitig sind 2023 in den USA der Inflation Reduction Act und in der EU in der Green Deal Industrial Plan in Kraft getreten. Dabei handelt es sich jeweils um 369 Milliarden US-Dollar und 250 Milliarden Euro für klimawandel-relevante Industrien und für die Energiebranche. Sind solche Subventionen etwa auch marktverzerrende Maßnahmen?

gh: Manche Medien halten chinesischen Herstellern von E-Autos vor, sie würden mit ihrer „Überkapazität“ Preisdumping im Ausland betreiben.

Cong: Diese Vorwürfe sind komplett haltlos. Es ist nun einmal unternehmerisches Handeln, den Markt im Ausland zu erschließen. Chinesische E-Auto-Hersteller sind selbstverständlich auch dabei. Außerdem möchte ich einige Zahlen nennen. Nur 12,7% der chinesischen NEVs (New Energy Vehicle) werden exportiert. Dagegen werden 75% der deutschen Autos nach Ausland verkauft. Wäre es nun ein Grund, Deutschland auch mit „Überkapazität“ vorzuwerfen? Übrigens liegt der Preisdurchschnitt der chinesischen E-Autos in Europa weit höher als in China. Manche chinesische E-Autos sind nicht unbedingt günstiger als europäische Marken, manche Preise starten bei 82.000 Euro. Die Elektromobilitätsindustrie ist globalisiert.
Durch Arbeitsteilung und Kooperation gewinnen alle. Fairer Wettbewerb bringt die Technologie voran. In E-Autos, die in China produziert werden, stecken viele deutsche Komponenten ein, unter anderem von Bosch und ZF. Deutsche Unternehmen profitieren also, wenn mehr chinesische E-Autos verkauft werden. Das nenne ich eine Win-Win-Situation. Insgesamt kann man sagen, dass chinesische E-Autos qualitativ hochwertig sind und ein gutes Preis-und Leistungsverhältnis haben. Damit erfüllen Kunden auf der ganzen Welt ihre Wünsche und die globale grüne Transformation kommt voran.

Huawei im deutschen 5G-Netz und Ukraine-Krieg – auch viel Gesprächsstoff

gh: Wir wollen hier nicht alle Brennpunkte aufzählen, mit denen Deutschland und Europa sich derzeit mit China behakeln. Aber lassen Sie uns doch die Stichworte zumindest kurz durchgehen: Huawei-Komponenten im deutschen 5G-Netz…

Cong: Ich erläutere Ihnen gerne die chinesischen Positionen zu den Punkten. Telekommunikationsfirmen wie Huawei und ZTE sind seit Jahren in Deutschland tätig. Sie halten sich stets an Gesetze und Regeln und leisten einen Beitrag für die Digitalisierung in Deutschland. Was die Vorwürfe über Sicherheitsrisiken betrifft, hat bislang kein Land handfeste Beweise gegen chinesische Anlagen vorlegen können. Es ist eine grundlose Anschuldigung, von Risiken für die Netzsicherheit zu reden. Es ist schädlich für die Zusammenarbeit, wenn man Angelegenheiten in Wirtschaft und Technologie politisiert. Das bringt niemandem etwas.

gh: Nächstes Stichwort: die vom Westen als Unterstützung Russlands im Ukraine-Krieg empfundene Haltung Chinas…

Cong: China hat die Ukrainekrise weder verursacht noch ist China dran beteiligt. Wir engagieren uns unparteiisch und auf Basis der Gerechtigkeit. Wir setzen uns für Verhandlungen und Frieden ein. Der Sondergesandte Chinas für Eurasien ist unermüdlich unterwegs, um eine Deeskalation herbeizuführen und den Frieden zu fördern. Vor kurzem hat sich unser Außenminister Wang Yi mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba in Guangzhou getroffen. Der Minister Wang hat erneut betont, dass China eine konstruktive Rolle bei der Durchsetzung einer Waffenruhe und der Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen spielen wird. 

Zensur & Taiwan-Frage

gh: Wie steht es mit den Vorwürfen der Zensur an westlichen Unternehmen wie Google in China?

Cong: China wird sich weiterhin auf einem hohen Niveau der Welt öffnen. Das Geschäftsumfeld in China wird noch marktorientierter, geregelter und globaler sein. Ausländische Unternehmen, die in China investieren, werden noch besseren Zugang haben. Gleichzeitig müssen sich die Unternehmen selbstverständlich an chinesische Gesetze und Regularien halten. Auch chinesische Firmen in Deutschland haben sich nach deutschen Gesetzen zu verhalten.

gh: Und nun zum sicher explosivsten Punkt: Taiwan…

Cong: Die Taiwan-Frage ist eine reine interne Angelegenheit Chinas. 183 Staaten der Welt, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, haben ihre diplomatischen Beziehungen mit der Volksrepublik China auf der Basis des Ein-China-Prinzips aufgebaut. Es gibt nur ein China auf der Welt und Taiwan ist ein Teil Chinas. Dies dient als Anker des Friedens in der Taiwanstraße. Die „Unabhängigkeit von Taiwan“ ist keine Option. Im Kalten Krieg hat die deutsche Nation gelitten, weil sie geteilt war. Die Wiedervereinigung war von China entschlossen mit unterstützt. So hoffe ich, dass Menschen in Deutschland das Verlangen des chinesischen Volks nach Wiedervereinigung nachempfinden und dies unterstützen.

gh: Auch da vertreten Sie, wie zu erwarten, die offizielle Linie. Das alles ist natürlich eine Menge harter Stoff, erschwert das Ihre Arbeit als Generalkonsul in China in Hamburg? Werden Sie immer bei Ihren öffentlichen Auftritten auf diese Sachen angesprochen? Wenn ja, wie reagieren Sie? Artet es immer in intensive, lange Diskussionen aus? 

In China weiß man, wer viele verschiedene Stimmen hört, wird aufgeklärt. Es ist bedauerlich, dass in Deutschland teilweise ziemlich einseitig über China berichtet wird. Das führt zu allerlei Missverständnissen. Ich bin dafür verantwortlich, Chinas Stimme in Hamburg erklingen zu lassen, damit die Menschen hier ein besseres Bild von dem Land bekommen.

gh: Diese aufgelisteten Fragen im Bereich Politik sind sicher Dinge, mit denen Sie als Generalkonsul von China mit Hamburger Vertretern aus Politik zu tun haben werden. Aber wie ist das mit dem Konsularischen Korps? Redet man da auch viel über Politik oder ist da eher diplomatische Zurückhaltung angesagt?

Cong: Wie gesagt, ich habe gute Beziehungen zu allen Kolleginnen und Kollegen. Ich bin danach bestrebt, mehr über China zu vermitteln. Wenn eine Kollegin oder ein Kollege mehr über mein Land erfahren möchte, stehe ich immer gerne zur Verfügung.

Jetzt aber zum Essen…

gh: Kommen wir zu guter Letzt zur Kulinarik. Die chinesische Küche ist weltweit sehr beliebt und auch unser Interview-Ort, das Restaurant Yu Garden von Qiuyi Chen, zählt zu den ganz besonders angesagten Essen-Tempeln der Hansestadt. Wollen Sie uns Ihr ganz persönliches chinesisches Lieblingsgericht verraten?

Cong: Wie Sie sagen, ist die chinesische Küche sehr beliebt. Sie hat eine lange Geschichte und sehr viel zu bieten. Das Auge isst mit, keine Frage. Aber auch die Nase! Und die Küche ist sehr vielfältig. Jede Region, jede Provinz, ja sogar jeder Ort hat seine eigenen Spezialitäten. Für mich gibt es aber nichts Besseres als in Sojasoße geschmorte Ente. Als ich klein war, hat meine Großmutter es oft für mich gekocht.

Was gab’s denn im Yu Garden? Die servierten Köstlichkeiten im Detail

gh: Wie ist Ihre Meinung zu dem Essen, das heute hier im Yu Garden zum INTERVIEW LUNCH serviert wurde? Was hat Ihnen besonders gut geschmeckt? Kannten Sie dieses Restaurant vorher schon, kommen Sie öfter zum Essen hierher?

Cong: Mir hat das Mittagessen sehr gut geschmeckt. Alles war lecker. Der Yu Garden in Hamburg wurde nach dem Vorbild des Yu Garden in Shanghai gebaut. Hier zeigt sich die traditionelle chinesische Gartenkunst durch das Zusammenspiel von Pavillon, Wasserlandschaft und Gestein. Es bietet die perfekte Kulisse für den Austausch zwischen Kultur und Wirtschaft. 2020 wurde das Restaurant wieder geöffnet. Ich stimme Ihnen zu, es zählt es zu den ganz besonders angesagten Essen-Tempeln in Hamburg. Das Generalkonsulat hat ebenfalls schon mehrere Veranstaltungen hier im Yu Garden organisiert.

gh: Da kann ich Ihnen garantiert nicht widersprechen, das Essen war allererste Güteklasse! Und weil es so gewesen ist, wollen wir unseren Lesern auch nicht vorenthalten, was es im Einzelnen gab: als Vorspeise hatten wir sauer-scharfe Kartoffelstreifen, kalt angemachten Wosun (chinesischer Spargelsalat), marinierten Spinat sowie einen Thunfisch Tatar. Als Hauptspeise wurde serviert: Dim Sum Mix mit frischen schwarzen Trüffeln aus gefüllten Teigtäschchen mit Garnelen sowie gefüllte Teigtäschchen mit Gemüse (für mich als Vegetarier genau das Richtige!), Aubergine Tempura, Jakobsmuscheln mit Knoblauch und Glasnudeln, Hummer mit Ingwer und Lauchzwiebeln, geschmorte Tofu mit Pilzen, Shredded Cabbage Sichuan style (zerkleinerter Kohl), breite Bohnen mit Chili und gebratenen Reis mit Trüffel. Zum Dessert durften wir uns an Sesambällchen mit Sesameis und Obst erfreuen. Es war alles so köstlich, dass wir dem Küchenteam des Yu Garden an dieser Stelle unbedingt ein Sonderlob aussprechen sollten!

Cong: Da bin ich ganz auf Ihrer Seite, Herr Yaman!

gh: Hamburg hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten zu einer Gastronomie-Hochburg entwickelt, dazu zählen auch einige Restaurants mit chinesischer Küche. Haben Sie schon die Gelegenheit gehabt, einige davon kennenzulernen? Haben Sie – abgesehen von dem Restaurant, wo wir jetzt gerade sind – noch weitere  heiße Tipps für unsere Leser. 

Cong: Ich habe unter anderem auch schon die Restaurants Ni Haound Half The Sky besucht. Die chinesischen Restaurants in Hamburg haben ein sehr gutes Niveau. An dieser Stelle muss ich aber auch ein bisschen Werbung für unsere Küche im Generalkonsulat machen. Der Chef Jianwen Wang kocht ausgezeichnet – auch auf unseren Veranstaltungen. Selbstverständlich kann man nur in China die chinesische Küche in ihrer ganzen Pracht auskosten. Also, nichts wie hin nach China! Visumfrei einreisen und die Geschichte von Tausend Jahren auf einem Teller kennenlernen – das können Sie haben!

gh: Ich denke, dass ich Ihrer Einladung 2025 folgen können werde, für mich als Journalisten mit Schwerpunkt Kultur ist so ein reiches Kulturland wie China ein absolutes Muss. Aber erstmal vielen Dank für das ausführliche und informative Gespräch und die Darlegung Ihrer Sichtweise.

Das ist Wu Cong:


Geboren im Jahr 1967 in Wuhan. Bachelor in der Literaturwissenschaft und
Rechtswissenschaft. Dienststationen u.a. in Dänemark, in den USA (New York), Vanuatu

und den Marshallinseln. Seit 2022 Generalkonsul in Hamburg. Im Generalkonsulat sind 15
Mitarbeiter beschäftigt. Ehefrau Yu Rui ist Konsulin und arbeitet ebenfalls im
Generalkonsulat in Hamburg.

von Cetin Yaman