Hamburgs ältester Tunnel: Der Schellfischtunnel sorgte einst für frische Fische

Blick in den stillgelegten Schellfischtunnel in Hamburg AltonaSchellfischtunnel Hamburg Foto: Behörde für Verkehr und Mobilitätswende

Die Geschichte des Schellfischtunnels in Hamburg Altona.

Viele Hamburger denken, dass mit dem Hochbahnbau (1912) die ersten Bahntunnel in der Hansestadt entstanden. Doch Hamburgs erster Eisenbahntunnel wurde in Altona ausschließlich für den den Güterverkehr gebaut. Der im Volksmund genannte Schellfischtunnel (das war nie sein offizieller Name) verband die Kai- und Umschlagsanlagen des Altonaer Hafens mit dem Altonaer Güterbahnhof und dem regulären Bahnnetz des Deutschen Reiches.

Vor den Hamburger Stadttoren: Die Boomtown Altona

Altona, das zu Preußen gehörte, war am Ende des 19. Jahrhundert eine aufstrebende Stadt mit einer dynamischer Wirtschaft. Industrie und Gewerbe wuchsen kräftig. Geschickt wurde die Nachbarschaft zu Hamburg genutzt und vor allem war man nicht so konservativ in alten Traditionen verhaftet wie die Hansestadt. Auch der Altonaer Hafen wuchs kräftig.

Während in Hamburg noch die Frachtschiffe im Strom an Duckdalben ankerten und mit Leichtern und Schuten gelöscht wurden, gab es in Altona schon Kaianlagen. Der Altonaer Hafen setzte frühzeitig auf Innovation. Das war zu dieser Zeit das moderneste Verkehrsmittel, die Eisenbahn. Schon 1843 wurde mit dem Bau des ‚Eisenbahn Quais‘ begonnen. Damit war der Altonaer Hafen der erste Deutsche Hafen, weit vor Hamburg, der über einen Eisenbahnschluss verfügte.

Die Rampe von Altonaer Hafen. Das mittige Haus könnte das Maschinenhaus für die Dampfwinde sein. Foto: aus Wikipedia: – unbekannt, vielleicht Hermann Biow (gestorben 1850) oder Carl Ferdinand Stelzner (gestorben 1894) – Uwe Hornauer, Gerhard Kaufmann: Das Altonaer Rathaus, Verlag Dölling & Galitz S. 45 Daguerreotypie von der Standseilbahn Altona Kai, ca. 1849?

Aller Anfang war schief

Nur ein Problem gab es, zwischen den Elbkais und den Bahnanlagen der Preußischen Eisenbahn lag der rund 30 m hohe Elbhang als steiles Hindernis. Im ersten Schritt (ab 1845) wurde dieser mit einer 210 m langen Rampe mit 15% Steigung überwunden. Eine für damaligen leistungsschwachen Nassdampflokomotiven befahrbare Rampe konnte man nicht bauen. Die Platzverhältnisse ließen das nicht zu.

Die Güterwaggons wurden auf der Rampe mit einer Seilwinde hochgezogen oder heruntergelassen. Zuerst wurde Pferdekraft eingesetzt. Dann wurde die Winde von einer Dampfmaschine (1849) angetrieben. Oben auf dem Elbhang führten dann Gleise zum alten Bahnhof (heute das Altonaer Rathaus) der westlichen Ende der Palmaille lag und später zum Altonaer Güterbahnhof.

Portal schiefe Ebene Altona
Das Portal der schiefen Ebene heute © Norbert Schmidt

Verkehrsprobleme sind keine Erfindung unserer Zeit. Der Rampentransport der Güterwagen war zeitintensiv und aufwendig, Der Warenumschlag im Altonaer Hafen wuchs stetig. Die steile Rampe wurde zum Nadelöhr. Ihre Kapazität war auf 50 – 60 Waggons beschränkt.

Hamburg setzt auf moderne und leistungsfähige Kaianlagen

Die Schwesterstadt Hamburg war man aufgewacht. Hamburg investierte kräftig in den Ausbau Hafenanlagen. 1866 entstand mit dem Sandtorhafen in der Hansestadt die erste moderne Kaianlage mit Kränen, Kaischuppen und direktem Bahnanschluss. Dampfschiffe konnten viel schneller und preiswerter Be- und Entladen werden. Auch die Warenverluste beim Umschlag und der Lagerung in den Kaischuppen wurden beträchtlich verringert. Ein großer Fortschritt für die Dampfschifffahrt, denn Segelschiffe lagen weiter an Duckdalben im Strom.

Für den Altonaer Hafen lag es auf der Hand, es musste ein Ersatz für die schiefe Ebene gefunden werden. Sonst würde der Altonaer Hafen an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Dazu kam, besonders gut hatte sich die Fischwirtschaft entwickelt. Sie war auf einen stabilen und schnellen Weitertransport in die industriellen Ballungsräume Deutschlands angewiesen. Seefisch war ein begehrtes Lebensmittel.

Der Hafenbahntunnel

So wurde in zwei Jahren (1874-1876) der 395 m lange Hafenbahntunnel gebaut. Ab dem 18. Januar 1876 verkehrten Güterwaggons vom Altonaer Hafen zum Altonaer Güterbahnhof (heute Harkortstraße). Mit einer Steigung von 2,78 % überwand der Tunnel mit seinen Zufahrten einen Höhenunterschied von 28 Metern. Jetzt konnten pro Tag rund das zehnfache gegenüber der Rampe an Waggons transportiert werden. Dazu kam noch der Zeitgewinn und die Kosten sanken. Der Betrieb auf der Rampe wurde 1879/1880 eingestellt. In den folgenden Jahren sie wurde abgebrochen. Noch heute sind mit dem Viadukt Reste noch sichtbar.

Der volkstümliche Name Schellfischtunnel ist wahrscheinlich in den 1920er Jahren aufgekommen. Zu dieser Zeit wurde sehr viel Schellfisch transportiert. Neben Fisch gehörten auch Massengüter, wie Getreide oder Holz, zu den Hauptumschlagsgütern.

Zeittafel des Schellfischtunnel

ZeitraumBetrieb, Anlass und Traktion
1845 – 1879Rampenbetrieb mit Seilwinde und Pferdezugbetrieb zum Bahnhof
1849Die Seilwinde wird mit Dampfkraft angetrieben – vorher Pferdegöppelwerk
18. Januar 1876Offizieller Verkehrsbeginn
1878/1879Der Rampenbetrieb wird eingestellt
nach 1879Abbruch der Rampe
1879 – 1913Die Traktion besorgen zweiachsige Nassdampf Tenderlokomotiven
1898Verlagerung des Bahnhofes und Verlängerung des Tunnels auf 961 m
1909 – 1910Einsatz von feuerlosen Speicherdampflokomotiven (weniger Rauchprobleme)
1911 – 1932Neben den Dampfloks paralleler Einsatz von drei Oberleitung E-Loks. Alle drei Loks waren Einzelstücke und glichen sich nicht.
1932 – 1954Ausschließlich elektrischer Betrieb
1933 – 1936Sanierungsarbeiten am Tunnel
1954 – 1956Einsatz von Dampfloks wieder mit erheblichen Betriebsproblemen (Entlüftung/Rauchabzug). Der Grund: Der Betriebsstroms der S-Bahn wurde umgestellt. Die Spannung änderte sich. Die alten E-Loks konnten nicht umgerüstet werden.
1956 – 1980Einsatz der vierfach gekuppelten Stangen-Diesellok Baureihe V 65, gebaut von der MaK Kiel
1980 – 1992Einsatz verschiedener Bundesbahn Dieselloks bis zur Betriebseinstellung
30. September 1992Betriebseinstellung – der Tunnel wird mit Stahltoren verschlossen
1999Sanierung des Tunnels in Teilbereichen um die die Standsicherheit zu erhalten. Er erhielt zum Teil eine neue Betoninnenschale mit Stahlbewehrung.
2013Der Tunnel ist als Einzeldenkmal bzw. Industriedenkmal geschützt
Ende November 2021Bekanntgabe der geplanten Nutzungsvereinbarung zwischen der Stadt Hamburg und dem Verein Hamburger Unterwelten e. V.
Zeittafel des Schellfischtunnel Hamburg Altona