The Pride: Auf der Bühne geht es kreuz und queer

Szenenfoto The Pride im The English Theatre HamburgThe English Theatre Hamburg: The Pride - Philip, Sylvia und Oliver Foto: ETH

The English Theatre of Hamburg zeigt „The Pride“ – ein mit dem „Olivier Award“ ausgezeichnetes Drama zum Thema Homosexualität.

„Bekenne dich zu dem, was du bist!“ So könnte man die zentrale Botschaft formulieren, die das vielfach preisgekrönte Theaterstück „The Pride“ seinem Publikum übermitteln möchte. Auf der Bühne des „English Theatre of Hamburg“ feierte das Debütstück des griechisch-britischen Autors Alexi Kaye Campbell am 26. Januar 2023 erfolgreich Premiere und wurde von den Besuchern stürmisch bejubelt.

„The Pride“ bringt die sich radikal gewandelte Einstellung zu Sexualität imd Homosexualitätt in den vergangenen 50 Jahren auf die Bühne. Der zeitliche Wechsel zwischen den repressiven 1950er-Jahren und der deutlich befreiteren Gegenwart ab den 2000er Jahren wirft existentielle Fragen zu Identität, Treue und Ehrlichkeit sowie sexueller Befreiung und homosexuellen Beziehungen auf. Dabei springen die Spielszenen des Stückes unvermittelt zwischen den zeitlichen Ebenen hin und her, so dass man als Zuschauer*in schon sehr genau aufpassen muss, wann die jeweilige Szene spielt. Denn die drei Hauptakteure Philip, Oliver und Sylvia spielen ihre Dreiecksgeschichte zum einen in den 1950er Jahren, zum anderen in den 2000ern, was mitunter nur anhand des unterschiedlichen Kleidungsstils auseinanderzuhalten ist…

In der älteren Handlungsvariante 1958 heiratet der verdeckt schwule Philip die hübsche Sylvia, verliebt sich aber in ihren besten Freund Oliver. Philips Weigerung, seine wahre Natur anzuerkennen, ist sowohl für ihn selbst niederschmetternd, als auch  für die beiden Menschen, die er liebt und die ihn lieben. Die schlimmste Szene seiner Qual und Erniedrigung ist die bei dem ihn behandelnden Psychiater, der ihn von seiner Homosexualität mit aufreizenden schwulen Pornofotos und gleichzeitiger Verabreichung eines Brechmittels kurieren will… Eine makaber anmutende Szene wie aus Dr. Frankensteins Horrorkabinett  – aber leider nach dem damaligen Stand der Schulmedizin durchaus üblich!

Philip und Oliver im zweiten Handlungsstrang Foto: ETH

Im zweiten Handlungsstrang folgen wir den gleichen Charakteren als Fallbeispiel in die Gegenwart, wo Philip und Oliver zwar zusammenfinden, Philip aber wegen Olivers Sucht nach anonymem Sex mit ihm Schluss macht. Dies zwingt Oliver, zwischen Monogamie und Promiskuität zu wählen. Trotzdem liebt und akzeptiert Sylvia sie alle beide, so, wie sie sind – doch entspricht das positiv angedeutete Ende zu dritt wohl mehr einer Hoffnung, als der gesellschaftlichen Realität…

The Pride: Szene mit Philip
The English Theatre Hamburg: The Pride PhilpFoto: ETH

Denn ob und wie eine offene homo-hetero „Dreiecksbeziehung“ tatsächlich funktionieren kann, ist, mal vorsichtig ausgedrückt, selbst heutzutage eher zweifelhaft… Oder, um es mit dem leicht abgewandelten Bertolt Brecht-Zitat aus dem Munde meines geschätzten Kritiker-Kollegen Marcel Reich-Ranicki am Ende jedes seiner „Literarischen Quartetts“ zu formulieren: „Das Stück ist aus, und wir sehen betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen…“ Dem entgegenzuhalten wäre die Antithese, dass Literatur dazu da ist, dem Leser Fragen zu stellen – und nicht, ihm diese zu beantworten…

Ein kraftvolles Drama und eine Tragikomödie

Sei es, wie es sei – das  Theaterstück „The Pride“ ist ein kraftvolles Drama – oder besser eine Tragikomödie, die sich von der Leichtigkeit und dem Humor einer Komödie bis hin zu höchster dramatischer und tragischer Intensität  bewegt. Es ist ein Aufruf, den Mut zu haben, der zu sein, der man wirklich ist. Vom Veranstalter wird vorsichtshalber darauf hingewiesen, dass das Stück eine Szene mit sexueller Gewalt enthält. Die explizite Sprache, was Sexualität betrifft, dürfte für Nicht-Muttersprachler wohl ein eher nachrangiges Problem sein… Auf jeden Fall aber sind gute bis sehr gute Englischkenntnisse Voraussetzung!

„The Pride“ wird im English Theatre of Hamburg gespielt bis zum 25. März 2023. Tickets gibt es entweder an der Theaterkasse dienstags bis samstags von 15.30 bis 19.30 Uhr, telefonisch unter 040-227 70 89, oder online unter www.englishtheatre.de