Lobby Hero im English Theatre of Hamburg

Wachmann William ist wütendWilliam ist wütend über "Plappermaul" Jeff Foto: ETH, Copyright Stefan Kock

Ein köstlich dissonantes Streichquartett  –  Komödie, Drama und Romanze in einem.

Prädikat: absolut empfehlenswert

Der Titel „Lobby Hero“ ist wohl eher ironisch gemeint, denn der „Held“ des Stückes ist ein zwar liebenswerter, aber doch eher tolpatschig-naiver junger Mann namens Jeff, der als Wachmann in der Eingangshalle eines New Yorker Apartmenthauses mehr oder weniger schläfrig die Nachtschichten schiebt.

Sein Vorgesetzter,  der dunkelhäutige William, ist nur wenig älter als Jeff, aber vom Charaktertyp das genaue Gegenteil: beruflich zielstrebig, korrekt und sämtliche Vorschriften peinlich genau befolgend, absolviert er seine nächtlichen Kontrollrunden. Er hält dem einfach so in den Tag hinein lebenden Jeff vor, sein Leben planlos zu vergeuden. „Eines Tages findest du dich in irgend einer Lobby wie dieser, und jeder nennt dich Opa!”

Macho-Cop Bill mit Wachmann Jeff
Macho-Cop Bill (Peter Dewhurst) droht Wachmann Jeff (Ned Rudkins-Stow) Foto: ETH, Copyright Stefan Kock

William hat allerdings auch selbst ein Problem: Er muss sich entscheiden, ob er seinem unter Mordverdacht verhafteten Bruder ein falsches Alibi liefert oder nicht… Hin und her gerissen zwischen Wahrheitsliebe und familiärer Loyalität, macht er den Fehler, diese Gewissensfrage mit Jeff zu erörtern. Zwar sichert der ihm absolute Verschwiegenheit zu, doch sollte William es eigentlich beser wissen: Jeff trägt sein Herz auf der Zunge und ist eine unverbesserliche Plaudertasche… 

Jeff mit Dawn
Jeff mit Dawn Foto: ETH, Copyright Stefan Kock

Zu diesem ungleichen Paar stößt ein weiteres ebenso ungleiches: Bill, ein eher unsypathischer, überheblicher Macho-Cop mit seiner jungen, unerfahrenen und unsicheren Kollegin Dawn, die ihn als selbstsicheren, aus ihrer Sicht idealen Polizisten und Vorbild verehrt.  Obwohl der verheiratete Bill mit Dawn ein Verhältnis hat, besucht er außerdem während seiner Dienstzeit regelmäßig eine Prostituierte, die oben im Gebäude ein Apartement bewohnt, und lässt seine nichts ahnende Kollegin unten in der Lobby so lange warten. 

Der einzige, der über alles dies Bescheid weiß, ist „Loby Hero“ Jeff. Und könnte man ihm als Außenstehender einen Rat geben, müsste dieser wohl lauten, sich aus allen Dingen, die ihn nichts angehen, tunlichst heraus und überdies seine Klappe zu halten!

Aber in einem Theaterstück, insbesondere einer Komödie wie dieser, gelten natürlich andere, diametral entgegengesetzte Regeln… Um „das Richtige“ zu tun und ihr Interesse an ihm zu wecken, klärt der in sie verknallte Jeff die ahnungslose Dawn nicht nur darüber auf, was ihr Geliebter Bill tatsächlich im Apartment oben treibt, sondern ihm rutscht versehentlich auch noch heraus, was er über das falsche Alibi in dem erwähnten Mordfall weiß.

Diese Informationen wecken den beruflichen Ehrgeiz der jungen Frau, als „gute Polizistin“ nun ebenfalls „das Richtige“ zu tun, und so nimmt das Unheil für alle vier Beteiligten seinen Lauf… Dem arroganten Hurenbock Bill entgeht die sicher geglaubte Beförderung, Dawn wird wegen „Verrats“ eines Kollegen von allen anderen auf dem Revier gemobbt, Williams Aussage zugunsten seines Bruders als wertlos eingestuft.

Lediglich Jeff entgeht seiner Kündigung, wenn auch nur äußerst knapp. Und obwohl er ja, wenn auch in bester Absicht, alles total vermasselt hat, bekommt der „Held“ am Ende dann doch noch eine zumindest zart angedeutete „Belohnung“ …

Das Ganze sei „ein köstlich dissonantes Streichquartett“ hieß es nach der erfolgreichen Premiere im Frühjahr 2001 auf einer der off-Broadway-Bühnen. Andere Kritiken lobten das Stück von Drehbuchautor Kenneth Lonergan schlicht als „ein  Meisterwerk“ –  es sei „das beste Drama, die beste Komödie und die beste Romanze des Jahres, alles in einem“.

Zur Premiere am English Theatre of Hamburg (ETH) gab es ebenfalls reichlichen und verdienten Applaus –  insbesondere für die vier exzellenten Schauspieler: Ned Rudkins-Stow als Jeff, Daniel Gregory als William,  Chloe Ballantine  als Dawn und Peter Dewhurst als Bill, die unter der  Regie von Artistic Director Clifford Dean allesamt in Höchstform aufspielten.

„Lobby Hero“ läuft im ETH noch bis zum 6. April 2024. Prädikat: absolut empfehlenswert – sehr gute Englischkenntnisse sind allerdings Voraussetzung