Im English Theatre of Hamburg (ETH) feiert der „Taugenichts“ Wiederauferstehung – „very british“
Ein junger Mann ohne jedwede Ambitionen, etwas tollpatschig und dümmlich, sich selbst total überschätzend und einfach so in den Tag hinein lebend mit der naiv-gottvertrauenden Hoffnung, dass alles für ihn schon irgendwie gut ausgehen werde – bei dieser literarischen Figur kommt dem deutschsprachigen Leser bzw. Zuschauer unweigerlich der Eichendorff‘sche „Taugenichts“ in den Sinn… Und in gewisser Weise ist Bertie Wooster aus den Romanen von P.G. Wodehouse ja auch sein „Wiedergänger“ – nur rund hundert Jahre weiter, gesellschaftlich um einiges höher gestellt und eben „very british“: ein ohne Dienstpersonal kaum überlebensfähiges menschliches Wesen aus der englischen „Upper Class“. Zur Bewältigung seines Alltags benötigt einer wie er fremde Hilfe, und die bekommt er als Mitglied der Oberschicht denn ja auch durch seinen Butler Reginald Jeeves. Dieser ist alles, was Bertie nicht ist: intelligent, lebenserfahren, gebildet, und ebenso geschickt wie kreativ beim Lösen jedweder Probleme… Sein Job besteht ausschließlich darin, dem unbeholfenen Bertie bei den einfachsten Dingen des Lebens wie beispielsweise der Prozedur des Ankleidens behilflich zu sein, wie auch, ihn aus dem kompliziertesten, zumeist selbst verursachten Schlamassel herauszuholen…
Comedy-Theaterstück ausgezeichnet mit dem Laurence Olivier Award
Basierend auf den Romanen von P.G. Wodehouse, einem der meistgelesenen Humoristen des 20. Jahrhunderts im englischsprachigen Raum, schufen die Brüder David und Robert Goodale 2010 das Comedy-Theaterstück „Jeeves und Wooster in perfect nonsense“. In diesem Ende der 1930er Jahre spielenden Drei-Personen-Stück berichtet Hauptfigur Bertie Wooster von einem verhängnisvollen Wochenende auf seinem Landsitz. Flankiert wird seine Erzählung von seinem Butler und seinem Diener, die für die Geschichte in die Rollen all derjenigen Personen schlüpfen, mit denen sich Bertie herumschlagen musste: beispielsweise sein krötenforschender Kumpel Gussie, seine despotische Tante Dahlia, eine heiratswillige junge Dame auf Kandidatenjagd, ein Dorfpolizist, dem sein Helm gestohlen wurde, sowie last, but not least, ein Rechtsextremist und Möchtegern-Diktator namens Sir Roderick Spode – eine Veralberung des damaligen britischen Faschistenführers und Hitler-Fans Sir Oswald Mosley, was die zeitgenössische Leserschaft auch ohne die heute notwendige Erklärung verstand…
Für die Zuschauer im Theater ist es höchst vergnüglich, Bertie dabei zuzusehen, wie er verzweifelt versucht, sich durch alle Herausforderungen und Missgeschicke des Wochenendes zu manövrieren. Dabei ist die Handlung voll von Albernheiten und völligem Unsinn, die aber für jede Menge Lacher sorgen. 2014 gewann das Stück der Brüder Goodale den „Laurence Olivier Award“ für die beste neue Komödie mit der Produktion des West End Theaters „Duke of York’s“. Nun wird es bis zum 25. Januar 2025 unter der Regie von Paul Glaser im English Theatre of Hamburg gespielt. Mit sichtlicher Spielfreude agieren auf der Bühne des ETH die drei tollen, wandlungsfähigen Schauspieler: Michael Parker als Bertie – die einzige über die gesamte Länge des Stücks gleichbleibende Rolle – William McGeough als Butler Jeeves und Katherine Rodden als Diener Seppings, wobei die beiden Letzteren ihre Rollen nicht nur in teilweise atemberaubendem Tempo wechseln, sondern es sogar fertigbringen, durch entsprechende Stimmwechsel und Kostümierungen zwei Rollen gleichzeitig zu spielen.
Englischkenntnisse unerlässlich
Über sehr gute Englischkenntnisse sollte man verfügen, um die sprachliche Finesse und den Witz des Stückes voll und ganz genießen zu können. Für Kenner und Liebhaber des Wodehouse-Universums ist der Theaterabend natürlich ein „Must“, für Noch-nicht-Kenner wäre es durchaus hilfreich, sich im Vorfeld des Theaterbesuchs zumindest ein wenig damit zu befassen… Bei Wodehouse sei, trotz haarsträubender Verwicklungen und einem unfreiwillig komisch angerichteten Chaos, die Welt immer noch in Ordnung, schrieb einst ein Literaturkritiker der FAZ: „Bei ihm siegt Jung gegen Alt, Neffen und Nichten lehnen sich gegen dominante Onkel und Tanten auf, Liebende kriegen sich am Ende doch, die Obrigkeit macht sich lächerlich, die Aristokraten sind ignorant, die Dienstmädchen gewitzt, die Butler umfassend gebildet. Dazu scheint die Sonne, und alle trinken einen über den Durst – eine perfekte Welt!“ (AF)
The English Theatre of Hamburg, Lerchenfeld 14, 22081 Hamburg, Tel. 040-227 70 89, Infos und Tickets: www.englishtheatre.de
Foto-Copyright : ETH/ Stefan Kock