Rasante Slapstick-Spionage-Komödie, bravourös gespielt. Vier Schauspieler schlüpfen in ein Dutzend verschiedene Rollen.
Wer Sherlock Holmes, Miss Marple und ihren „Enkel im Geiste“, Chief-Inspector Barnaby, liebt und sich kein Silvester ohne „Dinner for One“ vorstellen kann, der sollte „The 39 Steps“ im English Theatre of Hamburg (ETH) auf keinen Fall versäumen. Mehr Slapstick-Komödie als Krimi, wird auf der Bühne geraucht, gesoffen und geschossen, was das Zeug hält… Und das alles in einem derart atemberaubend-furiosen Tempo, dass die zuvor genannten Krimi-Serien vergleichsweise wie Schlaftabletten wirken!
Very british…
Action pur, gewürzt mit typisch britischem Humor, werden sämtliche Rollen gespielt von drei Vollblut-Schauspielern und einer Schauspielerin, die teilweise im Sekundentakt die Rollen wechseln – so dass beispielsweise ein und derselbe Darsteller durch simples Wechseln der Kopfbedeckung und der Stimmlage gleichzeitig den verhörenden Polizisten und den aussagenden Bahnhofsvorsteher verkörpert! Die drei weiblichen Hauptrollen, die unterschiedlicher nicht sein könnten – der glamouröse Vamp, die Unschuld vom Lande und die plietsche junge Frau – werden von ein und derselben Schauspielerin mit unterschiedlichen Kostümen und Perücken gleichermaßen überzeugend dargestellt.
Der „Held“ oder besser Antiheld des Stückes, das im Jahr 1935 spielt, ist ein junger Londoner namens Richard Hannay, der aus Langeweile in ein Varieté-Theater geht und dort auf eine „femme fatale“ trifft…. Sie fühlt sich verfolgt und bittet ihn, sie in seiner Wohnung für eine Nacht zu verstecken. Bevor er ihr als Gentleman sein Bett überlässt, teilt sie ihm noch mit, dass sie über streng geheime Informationen verfüge, welche die nationale Sicherheit gefährdeten, und auf schnellstem Wege einen Vertrauensmann in Schottland treffen müsse, um zu verhindern, dass die Informationen außer Landes gelangten.
Während Hannay die Nacht auf dem Sofa verbringt, wird die Lady in seinem Bett auf mysteriöse Weise getötet, und er wird des Mordes verdächtigt… Gejagt sowohl von der Polizei, als auch von der Spionage-Bande, die ihn für einen Mitwisser hält, begibt sich Hannay auf die Flucht in Richtung Schottland, um dort am genannten Ort ihren Vertrauensmann zu treffen und gleichzeitig seine Unschuld an dem Mord zu beweisen… Dabei stolpert er von einem Abenteuer ins nächste, entkommt der Polizei und den Spionen, die schlussendlich sogar unter einer Decke stecken, stets nur um Haaresbreite und wird nach Auflösung sämtlicher Verwicklungen in guter, alter Cary Grant-Manier am Ende doch noch von einer Frau „eingefangen“…
Unser Fazit
In der Tat, Cary Grant und Alfred Hitchcock lassen grüßen bei der vom Altmeister des Suspense häufig wiederholten Handlungsidee, dass ein völlig unbeteiligter Unschuldiger unversehens in ein kriminelles Komplott verwickelt, immer weiter hineingezogen und sogar mit dem Tode bedroht wird.
Kein Wunder, dass sich Hitchcock dieses Abenteuerromans von John Buchan aus dem Kriegsjahr 1915 bedient und den Stoff verfilmt hat unter dem Titel „The 39 Steps“. Ursprünglich ein echter Reißer und Spionagethriller, verwandelte sich der Plot durch mehrere Bearbeitungen sozusagen in dessen Parodie. Insbesondere durch die jüngste Bearbeitung von Patrick Barlow, die in 2006 den Olivier Award für die beste Komödie des Jahres gewann, wurde aus dem Stück eine rasante, augenzwinkernde Slapstick-Spionage-Farce, deren Reiz nicht zuletzt darin liegt, dass lediglich vier Schauspieler in knappsten Requisiten sämtliche Rollen bravourös verkörpern.
Fazit: Unbedingt ansehen – auch mit normalen Schul-Englischkenntnissen ist alles gut zu verstehen!
„The 39 Steps“ wird gespielt noch bis zum 29. Januar 2022. Alle Vorstellungen – dienstags bis samstags 19.30 Uhr, sonntags 12.30 Uhr, mittwochs oder freitags Matinée 11.30 Uhr – sind 2G-Veranstaltungen mit entsprechendem Nachweis. Tickets gibt es ab 22 Euro, Studenten erhalten Ermäßigung. Ticketbuchungen: telefonisch unter 040-2277089, online unter www.englishtheatre.de
von Angelika Fischer