Acht Preisträger, ein vermisster Senator und viel feierliche Stimmung

Am Opernloft Banner: Ines Nieri ihren Schauspielkollegen aus 'Tyll“: Rune Jürgensen (li.) und Sven WalsePreisträgerin Ines Nieri mit ihren Schauspielkollegen aus 'Tyll“: Rune Jürgensen (li.) und Sven Walser. Foto: Cyrh Rhida

Rolf Mares -Theaterpreise 2021 im Opernloft vergeben

Im vergangenen Jahr fiel die Preisverleihung pandemiebedingt komplett aus, nun konnte der Theaterpreis Hamburg Rolf Mares in vier verschiedenen Kategorien vergeben werden. Da die Preise aus 2020 nachgeholt wurden, gab es an dem Abend insgesamt acht prämierte Künstler aus dem Theaterbereich. Die Kulisse dazu bot ein Ort, der nicht hamburgischer sein könnte: das Opernloft im Alten Fährterminal Altona mit direktem Blick auf die Elbe (und tatsächlich fuhr auch während der laufenden Preisverleihung ein riesiges Kreuzfahrtschiff, nur wenige Meter von den Glasscheiben entfernt, vorbei).

No Senator today – doch bester Ersatz springt ein

Am Anfang galt es aber zunächst eine Absage zu verkraften, der angekündigte Kultursenator Carsten Brosda musste kurzfristig in die Hauptstadt eilen. Eine Nachricht, die manche – inklusive des wieder mal klug-witzig agierenden Moderators Michel Abdollahi – zu Spekulationen verleitete, was denn wohl ein Landespolitiker während laufender Koalitionsverhandlungen nach Berlin führen könnte (ein neuer Posten vielleicht?).

Dem weiteren Abend war diese Personalie jedoch nicht abträglich, seine Vertretung Jana Schiedek, Staatsrätin der Behörde für Kultur und Medien, lieferte ein sehr passendes Grußwort:

„Gerade in der Zeit, in der die Kulturorte geschlossen waren, wurde uns schmerzlich bewusst, was für eine Kraft in der künstlerischen Fiktion steckt, wie nah und wie profund sie uns an die Wahrheit heranführen kann. In diesem Jahr ist die Verleihung des Rolf-Mares-Preises daher ein doppeltes Fest: Wir feiern den fulminanten Neustart der Kultur. Die Preisträgerhaben gezeigt, wie viel uns Kunst und Kultur zu sagen haben und mit welcher Wucht uns die Bühne mit der Realität konfrontiert. Dafür danke ich sehr.“

Gruppenfoto Theaterpreis Rolf Mares
Alle Preisträger und Redner des Abends. Foto: Cyrh Rhida

Auch die Kulturbehörde unter den Preisträgern

In vier unterschiedlichen Kategorien wurden insgesamt acht Preisträger ausgezeichnet. Jeder Preis ist mit 1000 Euro dotiert. Zusätzlich erhalten alle Preisträger einen personalisierten Montblanc-Füllfederhalter. Um den besonderen Umständen der Pandemie und der damit verbundenen fast Eineinhalbjährigen Schließung der Theater Rechnung zu tragen, wurden in diesem Jahr auch herausragende digitale Inszenierungen ausgezeichnet.

Mit dem Sonderpreis wurde in diesem Jahr die Behörde für Kultur und Medien ausgezeichnet, welche die Hamburger Theater auch in der schwierigen Zeit der Corona-bedingten Schließungen durchgehend unterstützt und in einzigartiger Weise die Not der Theater abgefedert hat.

„Hamburg hat dafür viel Geld in die Hand genommen, es wurde unbürokratisch gehandelt, dazu gab es Beratung in jeder Lage, zu jeder Zeit, und immer auch vom Senator Dr. Carsten Brosda selbst. Die Theater in Hamburg fühlten sich verstanden und sehr gut aufgehoben“, so die Begründung der Jury. Der Sonderpreis war in diesem Jahr nicht dotiert.

Gruppenfoto Gäste es Abends
Gäste des Abends, v.li.: Isabel Permien, Mitglied des Landesvorstands der Grünen Hamburg und Bezirksabgeordnete in Hamburg-Nord, Ex-Senatorin Christa Götsch, René Gögge, Sprecher für Kultur und öffentliche Unternehmen Grüne Hamburg, und Yvonne Bernbom, Geschäftsführung Opernloft. Foto: Cyrh Rhida

Herausragende Darstellerin ist Ines Nieri für ihre Rolle in ‘Tyll’

Auf der festlichen Gala mit rund 250 geladenen Gästen wurde Ines Nieri in der Kategorie Herausragende Darstellerin ausgezeichnet. Den Preis erhielt sie für ihre „vielseitige, temperamentvolle und intensive“ Verkörperung von gleich vier Rollen in Erik Schäfflers Inszenierung „Tyll“ (nach dem Roman von Daniel Kehlmann) am Ernst Deutsch Theater.

„Eine große Bandbreite in einer von Lebenslust überbordenden Inszenierung mit Tanz, Akrobatik und Musik und ein neuer Höhepunkt in der beachtlichen Karriere der jungen Schauspielerin, die schon als Kind und Jugendliche in Film und Fernsehen auf sich aufmerksam machte“, so die Jury.

Weiterer Preis für eine Schauspielerin: Eva Mattes

In der Kategorie Herausragende Darstellerin wurde ein weiterer Preis vergeben: Eva Mattes erhielt die Auszeichnung für ihre „magische, verführerische und verzaubernde“ Darstellung der Kirke in der Uraufführung von Elfriede Jelineks Theaterstück zur Pandemie „Lärm. Blindes Sehen, Blinde Sehen!“ am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Die Jury zeigte sich beeindruckt von ihrer mitreißenden Spiellust und ihrem unvergleichlich eigenen Tempo und Timbre:
„Ganz Eva Mattes, ganz großes Theater in dieser grandiosen Kakophonie des Corona-Geschwätzes am Schauspielhaus.“

Bei der Preisverleihung
In der Mitte: Freja Sandkamm, die für ihre Rolle als Violetta in “La Traviata” im Opernloft einen Theaterpreis 2020 nachträglich überreicht bekam. Foto: Cyrh Rhida

Krimineller Aktienhandel meets Kleist: Preis für Helge Schmidt’s Inszenierung

Bei den Männern erhielt Helge Schmidt den Preis für seine „eindrucksvolle und künstlerische“ Umsetzung seiner Inszenierung „Tax for free“ am LICHTHOF Theater, die den Dreiecks-Aktienhandel „CumEx“ mit Kleists „Michael Kohlhaas“ verknüpft. Die Jury hat besonders überzeugt, wie dieser Stoff der politischen Weltbühne auf kleinstem Raum komprimiert und damit einfach und wirkungsvoll das Thema Gerechtigkeit auf die Bühne gebracht wurde. Entstanden ist die Inszenierung im Rahmen des innovativen Formates #lichthof_lab, das digitale Bühne, Streaming-Plattform und Experimentierraum zugleich ist.

Staatsoper goes Movies: ungewöhnliche Produktion siegt

David Bösch, Patrick Bannwart und Falko Herold bekamen die Auszeichnung für ihr filmisches Gesamtkunstwerk „WEISSE ROSE“ an der Staatsoper Hamburg, das als medialer Mix aus Musikdrama, Bühnenbild und Kostümen (Patrick Bannwart), handgezeichneter Animation (Falko Herold) und Filmkunst (Kamera: Matthias Wittkuhn) beeindruckte. Frei von einer realistischen Handlung verdeutlicht das Werk die Gefühle, Erinnerungen und Zweifel der beiden Widerstandskämpfer Sophie und Hans Scholl gegen das NS-Regime in den letzten Stunden vor ihrer Hinrichtung. „Der Film kreiert eine Mehrdimensionalität und Dichte, die auf einer analogen Bühne so gar nicht hätte entstehen können“, urteilt die Jury.

Sieg zur Mittagszeit: Thomas Niehaus holt Preis für das Thalia

In der Kategorie  Herausragender Darsteller wurde Thomas Niehaus vom Ensemble des Thalia Theaters für seine Rolle des Ingwer Feddersen im Stück „Mittagsstunde“ ausgezeichnet. Die Jury würdigte den Wechsel zwischen distanziertem Erzähler, Sänger, Multi-Instrumentalist und Darsteller des „Ingwer“ in mehreren Zeitebenen. In der Jury-Begründung heißt es: „Dieser Ingwer ist gutmütig, sympathisch-stoffelig, humorvoll und dabei zutiefst melancholisch – wie überhaupt die gesamte Geschichte, die auf der Bühne erzählt wird. Ein wunderbarer Abend und eine herausragende Leistung von Thomas Niehaus.“

Die Sieger aus dem Jahr 2020 lauten:

Herausragende Inszenierung & Dramaturgie:

Kathrin Mayr/Clemens Mädgex, „Fabian oder der Gang vor die Hunde“, monsun.theater.

Herausragendes Bühnenbild:

Zita Schábel, „Das Schloss“, SchauSpielHaus Hamburg.

Herausragende Darstellerin/Herausragender Darsteller:

  • Ute Hannig als Ora in “Eine Frau flieht vor einer Nachricht”, SchauSpielHaus Hamburg.
  • Freja Sandkamm als Violetta in “La Traviata”, Opernloft.
  • Maria Hartmann als Fran in “Dinge, die ich sicher weiß”, Ernst Deutsch Theater.
  • Sebastian Zimmler als Jakub Zapiro in “Der Boxer”, Thalia Theater.
  • Stephan Benson/Christian Nickel in “Bruder Norman”, Polittbüro.
  • Barbara Auer/Johann von Bülow als Judith & Polizist in “Heilig Abend”, St. Pauli Theater.

Seit 2006 werden damit jährlich Künstler aus den unterschiedlichsten Bereichen für ihre herausragenden Leistungen in der vergangenen Spielzeit ausgezeichnet. Übrigens: die Highlights der Preisverleihung werden ab dem 2. November um 19 Uhr als Stream auf der Webseite des Theaterpreises zu sehen sein: theaterpreis-hamburg.org. Damit wird die Verleihung erstmals einem größeren Publikum zugänglich gemacht.

von Cyrh Rhida