Wenig Schlaf und große Ehrfurcht vor dem musikalischen Genie

Laesizhalle Konzert mit Alexander Yakovlev, Das Orchester sitzt schon auf der Bühne.Die Hamburger Laesizhalle eignet sich mit einer warmen Akustik hervorragend für die Werke von Mozart. Auch Star-Pianist Alexander Yakovlev weiß das zu schätzen. Foto: Cetin Yaman

Konzertkritik: Pianist Alexander Yakovlev glänzt mit Mozarts Klavierkonzert in Laeiszhalle.

Glänzendes Konzert


Das 23. Klavierkonzert von Wolfgang Amadeus Mozart zählt zu den größten Schöpfungen in diesem Genre und bildet für alle Pianisten, die es live spielen, ein  ganz besonderes Highlight. Nicht anders bei Alexander Yakovlev, der neulich gemeinsam mit der Neuen Philharmonie Hamburg dieses Werk in der Laeiszhalle aufführte.

„Sich in der Essenz des Stücks aufzulösen, ist für mich die größte Herausforderung. Vor allem, wenn man merkt, dass man, wenn man eine so geniale Komposition spielt, Mozarts Leben von Anfang bis Ende mit ihm lebt. In jeder Note steckt nicht nur der Sinn seiner Existenz, sondern auch das Schicksal der ganzen Menschheit“,

schwärmt der Russe von dieser außerordentlichen musikalischen Kreation, die zu den großen Wiener Konzerten Mozarts gezählt wird.

Aber auch das Hamburger Publikum und die Veranstaltungsstätte kamen bei dem, seit Ausbruch des Krieges in Montenegro lebenden, Musiker gut weg:

„Es war mir eine große Freude, in der großartigen Laeiszhalle aufzutreten, wo jeder Stein, jeder Parterre-Sitz, buchstäblich Geschichte atmet. Ich habe mich in erster Linie auf die Absicht des Komponisten konzentriert, und die Reaktion des Publikums ist der abgeleitete Effekt davon, wie ich meine Vision verwirklichen konnte. Ein erfolgreiches Konzert ist eines, bei dem man in Gedanken versinken und ein tiefes Konzept verwirklichen kann. Ich denke, das Publikum in Hamburg ist sehr wertschätzend, aufmerksam und aufgeklärt und hat mir mein Vorhaben ermöglicht. Auf dieser großartigen Bühne mit der wunderbaren Neuen Philharmonie Hamburg aufzutreten, war für mich ein Abend, den ich lange in Erinnerung behalten werde“.

Alexander Yakovlev
Alexander Yakovlev am Shigeru Kawai Flügel
Nach dem Auftritt in der Hansestadt ging es für den weltweit gefragten Pianisten weiter zu Konzerten nach Mexiko. Foto: Cetin Yaman

Dass das Ganze mit den Besuchern der norddeutschen Metropole so gut funktionierte, lag natürlich an der famosen Leistung des Solo-Interpreten auf der Bühne, der Mozarts Musik auch durchaus nicht nur als reine Genussarbeiten für den Hörer ansieht.

Sein Talent als großer Psychologe für menschlicher Beziehungen, der mit seiner Kunst seine Zeit verändert hat, lässt uns auch in die Probleme der modernen Welt eintauchen“,

ist Yakovlev überzeugt.

Und zwei weitere Gründe sind für den angenehm schönen Abend zu nennen: die unter der souveränen Leitung von Tigran Mikaelyan großartig aufspielende Neue Philharmonie Hamburg und das hochklassige Instrument des Abends, ein Shigeru Kawai-EX (über sein Arbeitsgerät hat der Pianist nur höchstes Lob vorzutragen, doch dazu etwas später mehr).

Schnell wurde auf dem Konzert klar, dass Yakovlev seine zahlreichen internationalen Auszeichnungen nicht umsonst erhalten hat. Er ist ebenso in der Lage, das Klavier wie einen leise herein rieselnden Bach und wenig später wie einen reißenden Strom klingen zu lassen. Insgesamt präferiert er zwar eine eher gedämpfte Spielweise, das heißt aber nicht, wie eben gerade erläutert, dass er nicht zu großem Drama an den Tasten fähig wäre. Ein weiteres großes Lob muss dem Mann aus St. Petersburg ausgesprochen werden: er verfällt nicht in die Falle, wie viele andere Kollegen seiner Zunft, Mozarts Komposition zu kitschig-süß erklingen zu lassen. Etwas sachlicher geht Yakovlev die Dinge an und das bekommt dem Konzert sehr gut, denn schnulzig-klebrige Aufführungen von Mozarts Werken kennt man schon zur Genüge.

Alexander Yakovlev (links) und Tigran Mikaelyan (rechts) mit Anne-Sophie Desrez (Mitte)
Alexander Yakovlev (li.) und Tigran Mikaelyan wurden nach dem Konzert von Anne-Sophie Desrez zu deren überragenden Leistungen beglückwünscht. Foto: Cetin Yaman

Wenig Schlaf

Auf die Frage, wie Alexander Yakovlev persönlich die Umsetzung von Mozarts Kompositionen angeht, hat er eine interessante Antwort parat:

„Es gibt keine technischen Möglichkeiten, Mozarts Musik zu verstehen, denn sie ist eine transzendente Verkörperung der Seele des großen Komponisten. Technisch herauszufinden, wie man Mozart aufführt, wäre wie das Sezieren eines Schmetterlings, indem man ihm die Flügel abreißt, um herauszufinden wie er fliegen kann“,

erläutert er.

Und dementsprechend ungewöhnlich fällt auch sein Ratschlag aus, wie man dem Genie aus Salzburg denn nun als Musiker am besten gerecht werden kann:

„Um Mozarts Konzert mit Würde aufzuführen, braucht man nur eine Weile nicht ruhig zu schlafen und dabei über jedes noch so kleine Detail nachzudenken“.

Nun, der unausgeschlafene Neu-Montenegriner verpasste jedenfalls kein wichtiges Detail des 23. Klavierkonzerts. Im ersten Satz, dem Allegro, unterstützten die Variationen und Einwürfen des Klaviers die beiden eingeführten Stimmungen – heiter und lyrisch – überzeugend und auch die, ungewöhnlicherweise von Mozart ausgeschriebene, Solo-Kadenz klang beeindruckend. Damit ist auch der praktische Beweis auf der Bühne für die große Verehrung Mozarts von Yakovlev gegeben:

„Ich hatte von Anfang an eine sehr ehrfürchtige Haltung gegenüber seiner Musik, insbesondere den langsamen Sätzen der Konzerte und den Sonaten. Mit der Zeit ändert sich dies nur in dem Maße, in dem man beginnt, buchstäblich jeden Schlag und jede Wendung der Melodie zu schätzen“.

Der zweite Satz hat für das Piano viele Höhepunkte parat, die Yakovlev meisterhaft vorzutragen weiß. Es ist ein Adagio im Siciliano-Takt und die Einführung der Melodie ist dem Solo-Klavier vorbehalten. Gemeinsam mit dem Orchester wird anschließend das Hauptthema präsentiert und nach einer Einlage von Holzbläsern ist erneut das Klavier solo angesagt, bevor es erneut mit allen zusammen an die Variation des Themas geht. Hier demonstrieren der Solist und das Orchester wie gut aufeinander eingespielt sie sind und die Aufführung sowohl klanglich als auch vom Timing bestens gelingt. Das gleiche lässt sich auch vom dritten Satz, Allegro assai, und dem Finalsatz sagen: Alexander Yakovlev und die Neue Philharmonie Hamburg sind ein fabelhaftes Team. Das Publikum zeigt sich dankbar und reagiert mit einem starken Applaus, dafür gibt es mit der Polka von Rachmaninov und Oktober aus den Vier Jahreszeiten von Tschaikowsky noch zwei schöne Zugaben.

Viel Wertschätzung gab es vom Pianisten anschließend für den hochklassigen Flügel

„Wenn ich den Shigeru Kawai-EX berühre, habe ich das Gefühl, dass es kein anderes Instrument geben kann, das meine Ideen in dem Moment verwirklichen kann. Ich habe mich buchstäblich in dieses Instrument verliebt“,

begeisterte sich Yakovlev.

Als ich beobachtete, wie der hoch talentierte japanische Klavierstimmer dieses Instrument in Topp-Form brachte, wurde mir sofort klar, dass Kawai großen Respekt vor den aufführenden Künstlern besitzt. Der Shigeru Kawai-EX hat einen absolut tiefer Ton, eine komfortable Mechanik und einen authentischen Sound, der den Klang alter Schulmeister erahnen lässt“.

Das Kompliment kam direkt zurück: Anne-Sophie Desrez, Markenbotschafterin von Shigeru Kawai, war ebenfalls höchst angetan von der begnadeten Aufführung Yakovlevs. „Mozart erfordert vom Pianisten, den Flügel zum Singen zu bringen und Alexander Yakovlev bewies mit seiner Interpretation des A-Dur KV 488, wie gut er das umsetzen kann. Mozarts musikalische Sprache ist immer lebendig und auch ein bisschen unberechenbar, es fällt ihm immer etwas Neues ein. Der Satz Allegro assai in diesem Klavierkonzert stellt genau diese Besonderheiten dar. Alexander Yakovlev hat das Publikum mit seinem Können und seiner wundervollen Art Klavier zu spielen, im wahrsten Sinne des Wortes verzaubert. Und er hat auch das Orchester Neue Philharmonie Hamburg und seinen Dirigent Tigran Mikaelyan vollends begeistert“.

Alexander Yakovlev mit Anne-Sophie Desrez
Shigeru Kawai-Botschafterin Anne-Sophie Desrez hatte dafür gesorgt, dass Alexander Yakovlev den größten Flügel aus dieser exklusiven Reihe des japanischen Instrumentenherstellers zur Verfügung gestellt bekam.

Wieso diesmal der größte Flügel von Shigeru Kawai bereitgestellt wurde, begründet Anne-Sophie Desrez wie folgt:

„Wir haben den SK-EX mit einer Länge von 2,78 m für das Konzert auf die Bühne gestellt. Mit seinem einzigartigen Klang und seinem wunderbar dynamischen Anschlag, ist der Shigeru Kawai-EX eine seltene Kostbarkeit, die sich am besten mit einem Wort beschreiben lässt: unvergleichlich! Weniger als 20 Shigeru Konzert-Flügel werden jedes Jahr gebaut. Diese Premium-Flügelserie bietet höchste Qualität und japanisches Kunsthandwerk auf fortgeschrittenste Weise. Man hätte auch den SK-7 (2,29 m) für dieses Klavierkonzert mit Orchester von Mozart nehmen können auf die Bühne stellen können. Aber der Konzertpianist, Alexander Yakovlev hat sich den Shigeru Kawai Konzertflügel SK-EX gewünscht. Daher haben wir den Shigeru Flügel EK-EX extra aus Kawai Europa in Krefeld für ihn angeliefert“.

von Cetin Yaman