Viel Sturm, viel Drang – aber auch viel Gefühl

Mateusz Tomica am Shigeru Kawai Flügel in HamburgMateusz Tomica bot zwar – besonders am Anfang - eine etwas gewöhnungsbedürftige, aber insgesamt hoch interessante Werkauswahl. Foto: Cetin Yaman

Der Pianist Mateusz Tomica überzeugt in der Alfred Schnittke Akademie.

Die Kawai Konzertserie begann vor über drei Jahrzehnten und hatte stets das Ziel, internationale Nachwuchsförderung auf höchstem Niveau zu betreiben. Jungen Talenten den Weg zu ebnen und sie einer größeren Öffentlichkeit vorzustellen, das ist auch das Motto der Kawai Konzerte in Hamburg, die im vergangenen Jahr begannen. Nun wurde der junge Pole Mateusz Tomica zu einer Aufführung in die Alfred Schnittke Akademie in Altona eingeladen. Der 26-Jährige zeigte sich dabei besonders mutig und startete mit einer nicht ganz so eingängigen Komposition – geschrieben während des Ersten Weltkriegs – seines Landsmanns Karol Szymanowski. „Masken op. 34 – Eine Don Juan Serenade“ ist ein wilder emotionaler Ritt, der von hocherregter Nervosität über zwei sich dahinschleppende, korrespondierende Themen bis hin zu ekstatischen Ausbrüchen eine breite Stimmungslage abbildet. Die Interpretation solch eines stürmischen Werks, bei dem der vortragende Pianist zumeist auch auf verblüffte Gesichter im Publikum trifft, ist keine einfache Angelegenheit. Trotz seines jungen Alters bewältigte Tomica diese Herausforderung aber souverän. Es überrascht nicht, dass er 2022 der Gewinner des XII. Internationalen Chopin-Klavierwettbewerb in Darmstadt gewesen ist. Bereits in der ersten Viertelstunde des Konzerts demonstrierte er in seinem Spiel eine ausgeprägte Intelligenz, starke technische Beherrschung und eine beeindruckende Ausdauer. Dies alles kombiniert mit einer körperlichen Herangehensweise, die stark, aber unauffällig, ist. Seine Darbietung war straff, ausgefeilt und respektvoll gegenüber der Partitur.

Motto vor der Pause: „Nach und nach wieder auflebend“

Anschließend blieb es zwar beim gleichen Komponisten, doch die vier Mazurken von Szymanowski haben größtenteils eine heitere Anmutung und brachten somit auch wieder ein Stück Wohlbehagen in den Saal. „Ich als Musiker finde es interessant zu zeigen, dass die Epoche der Mazurken nicht mit dem Todestag von Chopin endete, sondern auch später noch von bedeutenden Komponisten aufgegriffen wurde“, so der Pianist. Vor der Pause gab es noch einen Ludwig van Beethoven, dessen Klaviersonate Nr. 31 mit einer Länge von etwas über einer Viertelstunde steigert sich im dritten und letzten Satz zu einer ausgesprochen vertrackten Übung für jeden Musiker. Die Vielzahl an Takt- und Tonartwechseln und sehr spezifisch vorgegebenen Vortragsstilen – zum Beispiel: poi a poi di nuovo vivente, (nach und nach wieder auflebend) – machen es aber dadurch auch für den Zuhörer zu einem spannenden Erlebnis. Die Auswahl erläuterte Mateusz Tomica mit folgenden Worten: „Die Sonate von Beethoven habe ich deswegen gespielt, weil es immer etwas Besonderes ist, wenn man die Werke in dem Land vorträgt, in dem der Komponist geboren wurde.“

Viel Lob für Tomica bereits in der Pause

Schon vor dem zweiten Teil gab es preisende Worte für den jungen Pianisten von Anne-Sophie Desrez, Botschafterin für Hochschulen & Artist Relations von KAWAI Europa: „Mein Eindruck von dem Abend bisher war sehr positiv. Auch das Publikum ist begeistert. Das hat man am Applaus gemerkt, aber ich habe auch in der Pause mit einigen Konzertbesuchern sprechen können. Sie haben sich alle bedankt für das gelungene Konzert“. Diese sollten auch nach der Pause nicht enttäuscht werden. Gleich nach dem Break ging es mit Claude Debussy auf eine glückliche Insel; die “L’isle joyeuse” ist eines der bekanntesten Werke des musikalischen Impressionismus und bietet ein Feuerwerk an Klängen. Die geradezu explodierende freudige Stimmung bietet den Virtuosen an den Tasten reichlich Gelegenheit ihre Künste zu demonstrieren. Diese Chance nahm auch Tomica wahr und bewältigte das technisch schwer zu spielende Stück überzeugend. Die Gewissheit, dass man als Zuhörer Zeuge eines fesselnden Klavierabends ist, verfestigte sich dadurch noch mehr.

Was dann folgte, war natürlich ein Muss für jeden polnischen Pianisten: einige Werke des großen Genies Frédéric Chopin. Die vier folkloristischen Mazurken op. 24 eigneten sich mit ihren lyrischen Elementen besonders gut um die Atmosphäre im Saal von der ausgelassenen Vergnügtheit in ein sophisticated Wohlgefühl zu konvertieren. Zum Schluss ging es wieder zurück zu dem Tonschöpfer, dessen Werke den Abend eingeleitet hatten: Karol Szymanowksi. Auch bei den Variationen in b-Moll Op. 3 ist wieder der Klavierkünstler gefragt, dieses Werk erfordert das gesamte gesamte Virtuosen-Arsenal der Romantik – und jemanden, der geschickt und abwechslungsreich seine Hände einsetzen kann, um die schönsten Klänge zu erzeugen. Das ist bei Mateusz Tomica der Fall und dafür gab es auch am Ende des Konzerts einen überwältigenden Applaus.

Mateusz Tomica mit Anne-Sophie Desrez
Mateusz Tomica erfüllte alle in ihn gesetzten Erwartungen, Anne-Sophie Desrez von KAWAI zeigte sich glücklich darüber. Foto: Cetin Yaman

Konzert mit persönlichem Weiterentwicklungspotenzial

Sichtlich erleichtert ob des anspruchsvollen und erfolgreich absolvierten Konzerts präsentierte sich der Künstler anschließend beim Foto-Shooting. „Den heutigen Abend in der Alfred Schnittke Akademie fand ich auch das Publikum betreffend sehr interessant. Für uns Musiker ist jeder Auftritt eine neue Geschichte. Das Fluidum im Saal war speziell. Ich hab das auf jeden Fall gespürt und mitbekommen, obwohl ich während des Spiels natürlich hoch konzentriert auf den Vortrag war“. Auch mit seiner eigenen Leistung zeigte sich das große Piano-Talent zufrieden: „Musik zu kreieren ist ein Weg, bei dem es kein Ende gibt. Es ist ein ständiger Prozess. Genau wie Komponisten, die komponieren auch meistens ihr ganzes Leben lang. Deswegen bewerte ich diesen Abend in Hamburg als einen wichtigen Schritt in meiner Karriere. Basierend auf der Erfahrung vom heutigen Konzert kann ich mich weiter entwickeln und hoffentlich auch in der Zukunft wieder das Publikum mit meinen neuen Fortschritten und Ideen überraschen.“

KAWAI-Botschafterin Desrez nickt ab: „Differenziert und facettenreich!“

Diesen Worten nur zustimmen konnte Anne-Sophie Desrez, die wie immer darauf achtete wie der dafür zur Verfügung gestellte Flügel von Shigeru Kawai, diesmal ein SK-6, präsentiert wurde. „Ich bin sehr glücklich über das Konzert von Mateusz Tomica“, sagte sie erfreut, „er hat unsere exklusive Instrumentenmarke hervorragend repräsentiert. Im ersten Teil des Konzertes habe ich es ganz besonders bei der Klaviersonate in As-Dur Op.110 von Beethoven feststellen können. Es wirkte klanglich differenziert und sehr facettenreich. Das gleiche dann auch bei Debussy und bei den Variationen von Szymanowski schließlich ein schönes, kontrastreiches Klangerlebnis. So hat das Publikum ein beeindruckendes Klangspektrum von unserem Instrument entdeckt und gehört“.

Tomica ist voll überzeugt von Shigeru Kawai

Zum Thema Arbeitsgerät hatte auch der vortragende Künstler noch etwas zu sagen: „Viele von jüngeren Musikern experimentieren gern mit verschiedenen Modellen von verschiedenen Herstellern. Ich freue mich immer sehr wenn ich auf einem der besten Instrumente spielen darf – und das ist zweifellos der Shigeru Kawai SK-6. Die Klangfarbpalette des SK-6 und die Art wie der Klang vibriert, das hat mir eine einmalige Chance gegeben, die Musik, wie ich sie interpretiere und verstehe, mit dem Publikum zu teilen. Alles andere hat ebenfalls perfekt gepasst: die Vorbereitung des Instruments und die Zusammenarbeit mit dem Klavierstimmer waren höchst lobenswert.“

Das nächste Konzert der KAWAI Konzertserie findet wieder in der Alfred Schnittke Akademie statt. Am 26. November 2023 wird Marcel Tadokoro auftreten.

von Cetin Yaman