Moritz von Oswald Konzertkritik: Sometimes they do come back…

Konzertankündigung Moritz von OswaldDer Auftritt des Moritz von Oswald Trios war ein Konzert aus der Reihe „ePhil“. Foto: Daniel Dittus / Elbphilharmonie (hfr)

Elektronik-Pionier Moritz von Oswald mit einem ausgemusterten Instrument in der Elphi

Hat sich gelohnt


Die erste große Überraschung gibt es direkt beim Eingang in den Saal auf der Bühne im kleinen Saal der Elbphilharmonie zu erblicken: der Besucher des Konzerts des Moritz von Oswald Trios stellt erstaunt fest, dass da tatsächlich ein Schlagzeug aufgestellt ist. Zum Verständnis: Moritz von Oswald gilt als Pionier der Musikrichtung Techno in den 90er Jahren. Also die Musikrichtung, die als erstes was abschaffte? Exactement, das Live-Schlagzeug! Sowas nennt man wohl Ironie der Geschichte, wenn ein vor Jahrzehnten ausgemustertes Instrument ausgerechnet in der Musikrichtung ein Comeback feiert, die es einst als für ungeeignet für die neuen Klanggebilde hielt…

Moritz von Oswald am Keybooard
Moritz von Oswald spielt Keyboards und Percussion. Foto: Daniel Dittus / Elbphilharmonie (hfr)

Im Lauf der Zeit

Tja, so kann’s gehen, denkt man sich und stellt schon gleich die zweite Überraschung fest: man sieht zwar Outfit-technisch ein Club-Publikum, doch dieses scheint auch schon etwas in die Jahre gekommen zu sein. Die meisten sind eher 40 aufwärts – haben aber ihre Club-Gepflogenheiten beibehalten: der Saal füllt sich erst so richtig in den letzten fünf Minuten und auch danach trudeln noch welche ein.

Wenig überraschend ist dann aber der restliche Sound des Trios – mal vom Schlagzeug abgesehen: wie erwartet zum Teil ziemlich experimentelle elektronische Musik, die sich an sich betrachtet nicht unbedingt für ein Tanzvergnügen eignet.

Doch es kommt bekanntlich auf den Mix an und den weiß von Oswald, der nach wie vor stark als DJ weltweit gefragt ist und in den Clubs für viel Tanz-Motivation sorgt, gut zusammenzustellen. Der Auftritt an dem Abend im Kleinen Saal der Elphi ist aber kein Club-Abend, es gibt nur Musik vom Moritz von Oswald-Trio, darum ist es als Konzert angelegt und so ist die Bestuhlung sehr passend zu dem, was sich in den nächsten 60 Minuten tun wird.

Der Auftritt ist auf eine Stunde reduziert und das hat nicht nur, aber auch, einen traurigen Hintergrund. 2008 erlitt von Oswald während einer Langstrecken-Flugreise einen Schlaganfall und muss seine Sets seitdem zeitlich limitieren. Das Erlebnis für das Publikum wird dadurch allerdings nicht beeinträchtigt, es geht atmosphärisch dicht und intensiv zu, in dieser Konzentration ist man als Besucher auch mit einer Länge von einer Stunde überaus zufrieden gestellt.

Das Moritz on Oswald Trio in der Elbphilharmonie in Concert
Moritz von Oswald Trio featuring Laurel Halo & Heinrich Köbberling

Retro-Sounds dominieren den Start

Das Moritz von Oswald Trio besteht aus dem Namensgeber (Keyboards, Percussion) – der übrigens tatsächlich ein Ur-Ur-Enkel von Fürst Otto von Bismarck, dem ersten Deutschen Reichskanzler, ist -,  der amerikanischen DJane Laurel Halo und dem Jazzdrummer Heinrich Köbberling. Das Trio besteht schon länger, aber in dieser personellen Konstellation erst seit Kurzem.

Der Beginn ist rhythmisch-treibend, schnell wird es aber danach mit Sirenen-artigen Industrial-Sounds dunkel-sphärisch. Der Schlagzeuger setzt zunächst auf einen Drum’n’Bass-Beat- den er auch noch in doppelt-ironischerweise so perfekt spielt wie eine programmierte Drum-Machine… als ob er geradezu sagen wollen würde: „Seht her, das kann ich auch, ihr braucht keine Maschine!“.

Die ersten Minuten sind von den Synthie-Sounds eine Zeitreise zu Elektronik-Pionieren der 70er Jahre à la Tangerine Dream, ebenso schillert die Post-Punk-Formation Throbbing Gristle durch. Von Oswald’s Keyboard-Bass weckt Assoziationen an das legendäre Produzenten-Team Jimmy Jam und Terry Lewis (Janet Jackson, Human League etc.): tief, langgestreckt und flächig wird der Besucher in die musikalische Welt des Trios hineingezogen.

Erst kein Groove, dann doch

Der Effekt könnte ziemlich hypnotisch sein, aber genau das ist anscheinend nicht gewollt. Das Live-Schlagzeug schafft mit seinem krachenden Sound eine musikalische Gegenwelt zu den Aktivitäten des restlichen Trios und erzeugt damit zwar in diesem Moment keinen Groove (wie gesagt: hier bewusst nicht gewollt), aber eine faszinierende, vibrierende Grundspannung.

Kurz: viel Schlagzeug, aber dennoch kein Rhythmus. Es könnte der Soundtrack zu einem Low-Fi Science Fiction sein – ist von Oswald ein Eraserhead-Fan? -, was da von der Bühne hinüber gewabert kommt. Dieses Wabern entwickelt sich aber so langsam zu einem vornehmen Brodeln und wird – nach einer kakaphonischen Zwischenphase – tatsächlich, wer sagt’s denn! – doch noch groovy, man darf zumindest im Sitzen mit den Füßen wippen.

Wenn schon, denn schon: Drum-Solo als eines der Highlights

Und dann, man ist schon weniger überrascht darüber: tatsächlich noch ein Schlagzeug-Solo! Auch hier kurz zur Erläuterung, warum das so bemerkenswert ist: die Techno-Bewegung ging zum Teil aus der Post-Punk-Bewegung hervor und diese, wie der Name schon sagt, aus dem Punk-Rock. Eines der Dinge, die den Vertretern dieser Musikrichtung verhasst war, war was? Genau: Schlagzeug-Soli! Man hielt das für eine Fehlentwicklung in der Rock-Musik hin zu Ego-Trips, die sich eben auch in halbstündigen Schlagzeug-Soli auf Live-Konzerten manifestierten. Doch das ist lange her und so ist das perfekt improvisierte Solo von Heinrich Köbberling an dem Abend absolut organisch in den Gesamtsound integriert und begeistert durch seine Frische.

Die Elbphilharmonie
Die Elbphilharmonie (c) Cetin Yaman

Auch der Herr Intendant outet sich als Moritz von Oswald-Fan

Ein atmosphärisch dichtes Konzerterlebnis, das beim Intendanten der Elbphilharmonie, Christoph Lieben-Seutter, auf Begeisterung stieß:

„Die musikalische Entwicklung von Moritz von Oswald verfolge ich seit vielen Jahren, ich finde ihn einfach überragend. Auch der heutige Abend war Spitzenklasse. Ich finde es sehr interessant, dass das Live-Schlagzeug quasi so auf die Maschine draufspringt, das gibt eine enorme Spannung in der Musik.“

Die gleiche Meinung vertrat Christian Ancker, Honorarkonsul von Tschechien, der mit Moritz von Oswald gemeinsam in Hamburg zur Schule gegangen ist. Aber das war nicht der einzige Grund, warum er sich das Konzert nicht entgehen lassen wollte:

„Ich war mit Moritz von der 5. Klasse an bis zum Abitur in einer Klasse. Das war eine ganz großartige Veranstaltung, sehr bemerkenswert und aus meiner Sicht auch eine Weiterentwicklung seines persönlichen Stils. Das klang großartig, ein klasse Mix, Techno und Schlagzeug“.

Besonders lobenswerte Worte fand der prominente Gast dabei für seine Heimatstadt: „Es ist fantastisch, dass die Elbphilharmonie solche Konzerte bietet und das zeigt auch, wie wunderbar breit gefächert das Angebot in Hamburg ist.“

von Cetin Yaman