Kristallklare Klänge lassen Elbphilharmonie in atemloser Stille verharren

Dirigent Marco Parisotto (hinter dem Piano stehend,Nicht nur das Publikum feierte den jungen Pianisten, auch Dirigent Marco Parisotto (hinter dem Piano stehend, applaudierend) und das Orchester Neue Philharmonie Hamburg schloss sich diesem Lob an. Foto: Cetin Yaman

Ziyu Liu besticht mit Grieg’s Klavierkonzert auf Shigeru Kawai.

Edvard Griegs populäres Klavierkonzert in a-Moll ist für jeden Pianisten eine Herausforderung, bietet aber auch eine einzigartige Gelegenheit, von den ersten berühmten Akkorden an sein Können unter Beweis zu stellen. Kraft und Präzision sind hier gefragt, und nicht zu vergessen: die richtige Dosis an Virtuosität und Charisma, sowie eine Leidenschaft zum Detail. Es gilt auch die richtige Balance zwischen raffiniertem Klavierspiel und Liszt’scher Begeisterung zu finden.

Man hat es hier schließlich mit einer wahren Flut an konkurrierenden Aufnahmen als Vergleichsmöglichkeit zu tun, derzeit gibt es um die 400 Einspielungen von diesem Meisterwerk auf dem CD-Markt. Das kann auf so manchen Klavierspieler ziemlich einschüchternd wirken – nicht so jedoch auf Ziyu Liu, der im Großen Saal der Elbphilharmonie mit seiner Interpretation in jeder Hinsicht überzeugen konnte.

von links: Ziyu Liu, Veranstalter Tigran Mikaelyan, Anne-Sophie Desrez, Klavierstimmerin Takayo Nishiyama
Ziyu Liu erhielt nach dem Konzert Glückwünsche von Veranstalter Tigran Mikaelyan (li..
Amabile Classic) übermittelt. Shigeru Kawai-Botschafterin Anne-Sophie Desrez undKlavierstimmerin Takayo Nishiyama (re.) gratulierten dem Pianisten ebenfalls für seine tolle Aufführung. Foto: Cetin Yaman

Hervorragende Phrasierungen, mitreißend ausgeführt

Es war eine Aufführung, die Virtuosität und Poesie bestens vereint, eine souveräne, kraftvolle Darbietung, die Liu zeigte. Kadenzen wurden hervorragend phrasiert und mitreißend ausgeführt, der Klang des Shigeru Kawai-Flügels SK-EX erwies sich dabei mehr als hilfreich, um auch jede Nuance dieser fantastischen Partitur entsprechend würdigen zu können. „Dieses Instrument besitzt eine einzigartige Persönlichkeit und erfüllt alle Erwartungen eines Musikers: ein angenehmes Spielgefühl, einen brillanten und voluminösen Klang sowie eine außergewöhnliche Sensibilität für feinste Anschlagsnuancen“ schwärmte der Pianist von seinem Instrument hinterher. Bei diesem Konzert sah er dies besonders zur Geltung gekommen, „insbesondere zu Beginn des zweiten Satzes von Griegs Klavierkonzert, wo der sanfte, kristallklare Klang den gesamten Saal in atemloser Stille verharren ließ“, sagte er.

Und damit hatte der junge Pianist aus Fernost vollkommen recht, die wunderbare Klarheit des Tons, empathisch begleitet von der Neuen Philharmonie Hamburg unter der souveränen Leitung von Marco Parisotto, versprühte schon im ersten Satz eine einzigartige Aura im Saal. Ähnlich wie im Klavierkonzert a-Moll von Robert Schumann setzt das Piano mit herabstürzenden a-Moll Dreiklängen den ersten Höhepunkt dieser Sinfonie.

KLassik Konzet
Nicht nur das Publikum feierte den jungen Pianisten, auch Dirigent Marco Parisotto (hinter dem Piano stehend, applaudierend) und das Orchester Neue Philharmonie Hamburg schloss sich diesem Lob an. Foto: Cetin Yaman

Kaum zu glauben, dass der norwegische Komponist dieses Werk im Alter von 25 Jahren erschaffen hat. Unüberhörbar – bereits bei den ersten Tönen – sind hier die Assoziationen zum deutschen Romantiker Schumann. Dazu passt, dass Grieg dieses Klavierkonzert während seiner Zeit in Leipzig (1858–1862) das erste Mal von Clara Schumann, der Witwe des zuvor verstorbenen Robert Schumann, spielen hörte, es hinterließ hörbar einen tiefen Eindruck bei ihm.

Der zweite Satz: Norwegen in Tönen

Nach dem Klangspektakel des fabelhaften ersten Satzes zeigte Liu im langsamen zweiten Satz (Des-Dur) seine einfühlsame Seite mit lupenreiner Interpretation in den hohen Tönen, man konnte das berühmte Licht und die Weite der nordischen Landschaft buchstäblich in Töne umgesetzt erfühlen. Dieser Teil der Komposition ist geprägt von einer hymnischen Melodie, vorgetragen wurde es in höchster Anmut vom bestens aufgelegten Orchester mit gedämpften Streichern. Das daran anschließende gefühlvolle tiefe Versinken des Klaviers ist eng mit den Themen des ersten Satzes verwandt. Das Finale schließlich spielt mit Assoziationen zu Halling, einem norwegischen Volkstanz, und reißt jeden Musikfreund mit – und Liu weiß, wie das gekonnt umzusetzen ist. Mit der Zugabe, Debussys „Claire de lune“, ging es dann in andere musikalische Welten und auch in Sachen Impressionismus erwies sich der 27-Jährige als der Sache gewachsen.

Exzellente Wahl: Flügelmodell SK-EX von Shigeru Kawai

Komplett begeistert zeigte sich Anne-Sophie Desrez, Markenbotschafterin von Shigeru Kawai nach dem Konzert: „Jede Note in Grieg’s Klavierkonzert war ein Genuss, vom ikonischen Beginn bis zur hinreißenden Lyrik des langsamen Satzes. Der international gefeierte Konzertpianist Ziyu Liu, begleitet vom Orchester Neue Philharmonie Hamburg, dirigiert von Marco Parisotto, bot eine erhabene Darbietung reicher Empfindungen, emotionaler Intensität und künstlerischer Brillanz, die alles von ätherischer Schönheit bis hin zu Gelassenheit und Erregung vermittelte“. Auch zeigte sie sich sehr zufrieden mit der Auswahl des Instruments für diesen Abend: „Der Shigeru Kawai-Konzertflügel SK-EX war sehr differenziert. Mit seinem einzigartigen Klang und seinem wunderbar dynamischen Anschlag, ist der Shigeru Kawai EX eine seltene Kostbarkeit, die sich am besten mit einem Wort beschreiben lässt: unvergleichlich. Das konnte man heute in der Elbphilharmonie sehr gut hören“.

Das magische Dreieck: Pianist Liu, Dirigent Parisotto und das Orchester NPH

Der auftretende Künstler fand viel lobende Worte für seine musikalischen Kollegen an dem Abend: „Es war meine erste Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Marco Parisotto und der Neuen Philharmonie Hamburg, doch vom ersten Moment an fühlte es sich an, als würden wir schon seit Jahren gemeinsam musizieren. Die Proben waren von höchster Professionalität, Effizienz und inspirierender Energie geprägt. Jeder musikalische Impuls wurde unmittelbar aufgegriffen und beantwortet – eine Verbindung, die für die Interpretation eines Konzerts von unschätzbarem Wert ist. Diese Art von musikalischem Verständnis und gegenseitiger Inspiration macht das Musizieren zu einer der größten Freuden“, so Ziyu Liu. In sein Kompliment schloss der chinesische Musiker auch den Komponisten Grieg ein, dessen Werk sich als sehr dankbar für jeden Klavierspieler erweise.

„Dieses Klavierkonzert bietet eine umfassende Möglichkeit, sowohl die Ausdruckskraft des Pianisten als auch das volle Potenzial des Instruments zu entfalten. Während die ruhigen Passagen Raum für Gesanglichkeit und klangliche Nuancen bieten, stellen die virtuosen Oktav- und Akkord-Kaskaden sowie die rasanten Läufe der ersten und dritten Sätze die gesamte Bandbreite des Instruments unter Beweis – fast so, als sei der Flügel selbst ein ganzes Orchester. Und diese Aufgabe meistert der Shigeru Kawai-EX auf brillante Art und Weise“.

Architektur & Akustik passt: die Elbphilharmonie

Dies war zwar der erste Auftritt von Ziyu Liu im Großen Saal der Elbphilharmonie, aber nicht sein Premieren-Auftritt in Hamburgs neuem Wahrzeichen. Man konnte sein Talent bereits schon einmal bei einem Solo-Auftritt im Kammermusiksaal bewundern. Auch für die Aufführungsstätte gab es vom Pianisten die Höchstnote: „Die Elbphilharmonie beeindruckt mich sowohl architektonisch als auch akustisch, sie bietet für Musiker eine außergewöhnliche Atmosphäre. Hier zu spielen ist ein wahrer Genuss, der einen nur dazu inspiriert, die Musik auf höchstem Niveau zu gestalten“. Dies ist dem Absolventen der Hochschule für Musik und Theater Hannover an dem Abend in jedem Fall gelungen.

Das ist Ziyu Liu:

Ziyu Liu begann seine musikalische Ausbildung bei Professor Ling Yuan am Zentralen Musikkonservatorium, Mittelschule, in Peking. 2015 wurde er Student an der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover und studierte Klavier bei Ewa Kupiec und Arie Vardi. Ziyu trat in bedeutenden Konzertsälen wie der Elbphilharmonie in Hamburg, der Weimarhalle, dem Nationalen Zentrum für Darstellende Künste in Peking, der Shanghai Concert Hall und dem Shandong Grand Theatre auf. Er gab Konzerte mit dem Orchestra del Teatro Carlo Felice di Genova, der Jenaer Philharmonie und dem Orchestra Filarmonica Mihail Jora in Bacău in Rumänien. Er nahm am Internationalen Mozart-Musikfestival in Salzburg, den Weimarer Musikfestspielen und den Coburger Musikfestspielen teil. Unter anderem gewann er folgende Erste Preise: Internationaler Viotti-Musikwettbewerb (Vercelli, Italien), Internationaler Klavierwettbewerb Singapur (Singapur) und Internationaler Klavier- und Orchesterwettbewerb Città di Cantù (Como, Italien; dort ebenso Preis für Bestes Beethoven-Konzert erhalten).

von Cetin Yaman