Konzertbericht: Marcel Tadokoro spielte in der Alfred Schnittke Akademie

Marcel TadokoroJung und hoch talentiert: Marcel Tadokoro wird eine glanzvolle Zukunft vorhergesagt. Foto: Wolfgang Bürger (hfr)

Von klangmalerisch-poetisch bis funkelnd-explosiv: Marcel Tadokoro spielte das volle Programm

Die erste Überraschung des Abends ist zugleich der erste Vortrag des jungen Pianisten Marcel Tadokoro. Der Franko-Japaner setzt tatsächlich auf ein Werk des Komponisten Jean-Philippe Rameau. Dessen Werke sind für Cembalos aus dem 18. Jahrhundert geschrieben – Rameau war selbst ein Virtuose auf dem Cembalo – und wirken im Allgemeinen auf modernen Flügeln nicht ganz so prickelnd.

Der an Verzierungen reiche und sich an der Oberfläche bewegende Stil der Kompositionen von Rameau ist nicht so universal einsetzbar wie die Cembalo-Werke von Johann Sebastian Bach. Doch der Pianist des Abends hatte einen guten Grund, Rameau in seine Aufführung in der Alfred Schnittke Akademie in Hamburg-Altona einzubauen. Sein Konzept für dieses Programm beinhaltet nämlich Ballettmusik aus Frankreich und Russland.

„Deshalb habe ich mich für diese G-Dur Suite entschieden, ‘Les Sauvages’ ist für sein Opernballett ‘Les Indes galants’ transkribiert worden“.

Marcel Tadokoro

Ebenso ist Tadokoro überzeugt davon, dass Musik aus dieser Zeit auch für zeitgenössische Hörer seine Reize hat.

„Ich spiele gern Barock-Stücke auf modernen Klavieren. Natürlich gibt es einige bedeutende Unterschiede zwischen einem modernen Flügel und einem Cembalo. Zum Beispiel kann die Lautstärke des historischen Instruments kaum verändert werden. Auf einem modernen Flügel wie dem Shigeru Kawai SK-6 von heute Abend kann man diesen Kompositionen aber neues Leben einhauchen und eine neue Vision geben“.

Marcel Tadokoro

Und der 29-Jährige hat Recht: sein Rameau auf einem Klavier hat zwar nicht die höfische Aura wie man sie vom Cembalo kennt, doch seine fließende Version lässt das Ganze weich-melodiös erklingen und bringt so eine neue Facette ins Spiel. Mehr Klangvolumen in den mittleren Tönen ist ebenso ein deutlich zu hörender Unterschied zwischen den beiden Instrumenten. Die linearen Qualitäten der Musik Rameaus wurden aber mit einem sanften Anschlag aufrechterhalten. 

Andante maestoso – Tadokoro nimmt’s wörtlich

Es folgten sieben Stücke aus der Nussknacker-Suite von Tschaikowsky, allerdings in der ausgeklügelten Neubearbeitung des zeitgenössischen russischen Pianisten Mikhail Pletnev. Diese Interpretation des Russen ist sehr forsch und nähert sich vom Klang einem Orchester unglaublich an, eine Herausforderung für jeden Klavierspieler.

Dafür ist der SK-6 von Shigeru Kawai wie geschaffen, man glaubt tatsächlich einer Sinfonie zu lauschen und nicht einem Klavierkonzert. Pletnev hat es so umgeschrieben, dass die Pianisten wie Tadokoro ihr Instrument auch perlen lassen können. Man meint sogar darin einige jazzige Ansätze zu hören, vor allem im Teil „Russischer Tanz“. Das Finale ist mit dem Andante maestoso aber noch einmal im großen Stil der Romantik gehuldigt.

Dieses Ausnutzen des vollen Volumens des Flügels zeigte in dem mittelgroßen Saal der Alfred Schnittke Akademie noch eine verstärkte Wirkung.

„Mir gefiel die intime Atmosphäre mit dem Publikum, als Pianist konnte ich die Energie der Besucher im Raum spüren. Ich spiele gerne in Salons und hier hatte es einen Salon-Charakter. Aber selbst wenn ich in der großen Halle vor 2.000 Besuchern spiele, ist es wichtig, dieses intime, hautnahe Gefühl zu haben, als würde man quasi mit jeder Person im Raum individuell sprechen“,

so Marcel Tadokoro.

Dass er diese Art der musikalischen Konversation mit dem Publikum beherrscht, bewies der Pianist an dem Abend eindrucksvoll. Sein Anschlag ist exakt, die Akzentuierung ist konzentriert und seine Technik hat schon meisterliche Qualitäten.

Ein bisschen Spaß muss sein – am Ende wenigstens

Der Eindruck bestätigte sich bei den darauf folgenden Werken. Mit Ravels „Valses nobles et sentimentales“ und drei Sätzen aus Strawinskys „Petruschka“ ging es in musikalisch entgegengesetzte Welten. Klangmalerisch-poetisch wurde es bei Ravel, bei Strawinsky hingegen flogen die musikalischen Funken – wie man ahnt, verlangt gerade diese Komposition Höchstleistungen von jedem Pianisten ab, Tadokoro kann dies bieten. Die Zugaben nach dem berauschenden Applaus kamen dann mehr aus der Spaß-Fraktion. „En avril à Paris“ von Trenet/Weissenberg und „Boite à musique“ von Pierre Sancan beendeten einen Abend mit einer eindrucksvollen Demonstration in Sachen Klavierspielkunst.

Endlose Möglichkeiten dank exquisitem Instrument

Einen Teil der Anerkennung wollte der Pianist dann später gern an sein Instrument weitergeben. „Das Klavier, der wunderbare Flügel von Shigeru Kawai, SK-6, hat sich ideal an diesen Raum mit rund 100 Besuchern angepasst. Die Länge des Klangs – die sogenannte lange Stimmführung ist meiner Meinung nach eines der wichtigsten Dinge, um das Herz des Publikums zu erreichen. Und gerade beim Anschlag der Tastatur auf dem SK-6 sehe ich endlose Möglichkeiten in den Tönen und Farben“ sagte Marcel Tadokoro.

Das hörte Anne-Sophie Desrez, Markenbotschafterin von Shigeru Kawai, natürlich gern. Sie schloss sich der Meinung des Publikums an:

„Wir hatten heute das Glück einen fantastischen Pianisten hören zu dürfen. Ich bin mir sicher, es dauert nicht lange und wir erleben ihn bald auf den ganz großen Bühnen der Welt“, schwärmte sie.

Auch die VIP-Gäste des Abends sagten dem Pianisten eine große Zukunft voraus. Eiko Hashimaru-Shigemitsu, Präsidentin der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Hamburg schilderte ihre Eindrücke wie folgt: „Es war ein vortreffliches Konzert. Sowohl die Auswahl der Stücke als auch der Vortrag von Marcel Tadokoro haben mir sehr imponiert“.

Über Marcel Tadokoro (Biographie):

Marcel Tadokoro, geboren in Japan, seine Mutter ist Französin, sein Vater Japaner, begann im Alter von acht Jahren mit dem Klavierspiel. Studium in Frankreich, zunächst am „Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse de Paris“, später an der „Ecole Normale de Musique de Paris“, wo er als hochbegabter Pianist aus der Talentschmiede von Rena Shereshevskaya hervorgegangen ist.

Als Preisträger mehrerer Klavierwettbewerbe wie dem ersten Preis beim „Aachener Clavicologne“ hat er es bis ins Finale für den „Internationalen Wettbewerb von Montreal“ geschafft und tourt inzwischen als Solist durch Frankreich, Italien, Belgien, Russland, Spanien und Japan.

von Cetin Yaman