Jahrgang 2005 stürmt die Elbphilharmonie

Konzert von Pianist Dmitry Ishkhanov in der ElphiEr durfte zu Recht sehr zufrieden mit seinem Auftritt sein: Pianist Dmity Ishkhanov. Foto: Elbphilharmonie (hfr)

Konzertbericht: Generation Z-Pianist Dmitry Ishkhanov brilliert mit Schumann.

Der Start des Konzerts in der Elbphilharmonie war gut gewählt. Zu hören gab es als Einstieg von Wolfgang Amadeus Mozart die Ouvertüre aus „Die Hochzeit des Figaro“. Es ist mit seiner quirlig-sprudelnden, stets vorhandenen Lebhaftigkeit mit scharfen dynamischen Gegensätzen und einem spektakulären Crescendo gegen Ende ein brillantes Eröffnungsstück. Genau das Richtige also für den darauf folgenden Auftritt des Wunderkinds Dmitry Ishkhanov. Der 18-Jährige suchte sich für seinen Vortrag allerdings den deutschen Romantiker Robert Schumann aus. Dessen Konzert für Klavier und Orchester a-Moll op. 54 ist ein romantisches Solokonzert für Klavier und Orchester.

Im ersten Satz entfaltet sich die dramatische Spannung des Werks, die punktierten Rhythmen des Anfangs und das wenig später folgende zentrale Intermezzo verlangt einen Charismatiker an den Tasten. Die romantischen Turbulenzen von Schumanns Klangwelt sind in dieser Komposition nicht ohne und Ishkhanov kommt da mit seiner Interpretation schon erstaunlich weit. Scharfsinn und Fantasie vereinigen sich hier mit sehr guter Technik. Mit seiner künstlerischen Persönlichkeit liefert der junge Pianist eine gelungene Darbietung ab, die man getrost zu den bemerkenswerten innerhalb der reichlich vorhandenen Schumann-Interpretationen zählen darf. Klang- und Phrasenkonturierung sind auch nicht zuletzt dank des hochklassigen Instruments des Abends, ein Shigeru Kawai Flügel, sehr wohl abgestimmt.

Marco Parisotto mit Dmitry Ishkhanov. auf der Bühne der Elphi
Dirigent Marco Parisotto (mit dem Rücken zum Klavier) beklatscht die lobenswerte Performance des jungen Pianisten Dmitry Ishkhanov. Foto: Elbphilharmonie (hfr)

Im zweiten Teil des Abends ging es dann mit der Neuen Philharmonie Hamburg und Dirigent Marco Parisotto, aber ohne Dmitry Ishkhanov, weiter. Gespielt wurde noch von Ludwig van Beethoven die Sinfonie Nr. 3 („Eroica“), ebenfalls ein sehr hörenswerter Vortrag. Nicht unerwähnt soll hier die inspirierte, leidenschaftliche Leitung des Orchesters durch Marco Parisotto bleiben. Sein meisterhaft geführter Taktstock führte die Neue Philharmonie Hamburg zu einer musikalischen Glanzleistung. Für alle Protagonisten, Pianist Dmitry Ishkhanov, Dirigent Marco Parisotto und das Orchester gab es am Ende einen rauschenden Applaus.


Marco Parisotto (rechst), Pianist Dmitry Ishkhanov (Mitte) und Anne-Sophie Desrez
Dirigent Marco Parisotto (re.) leitete souverän die Neue Philharmonie Hamburg. Pianist Dmitry Ishkhanov und Anne-Sophie Desrez gratulierten dem Meister zu dieser Glanzleistung. Foto: Cetin Yaman

Das Interview

ganz-hamburg.de führte mit Dmitry Ishkanov anschließend ein Interview und wollte von ihm weitere Details über das Konzert aus seiner Perspektive erfahren.

ganz-hamurg.de: Dmitry – du erlaubst, dass wir uns duzen – , welchen Eindruck hattest du persönlich – zuerst mal so ganz im Allgemeinen – insgesamt von dem Konzert? Vom Publikum, von der „Stimmung“, von der Aufmerksamkeit des Publikums und so weiter?

Dmitry Ishkhanov: Oh, ich hatte einen echt positiven Eindruck. Der Raum war von strahlender Energie erfüllt, dank des aufmerksamen Publikums. Dass der Saal nahezu voll besetzt war, trug erheblich zur Stimmung bei. Ich konnte auch mit einigen Konzertbesuchern während meines Vortrags Blicke austauschen, was immer ein gutes Zeichen dafür ist, dass man nicht distanziert auf der Bühne steht und es gelungen ist, in gewisser Weise einen persönlichen Kontakt herzustellen.

Wie hast du das Ambiente in der Elbphilharmonie empfunden? Ist es für einen Musiker inspirierend in so einem modernen Konzertsaal zu spielen? Was gefällt dir besonders gut an der Elbphilharmonie?

Ishkhanov: Die Elbphilharmonie zähle ich zu einem meiner absoluten  Lieblingskonzertsäle, in denen ich je gespielt habe. Während der Proben hatte ich viele existenzielle Gedanken. Wenn ich nach oben blickte, hatte ich das Gefühl, als starrte ich ins Universum. Es ist wirklich so ungewöhnlich und unerwartet, dass man, wenn man auf den Dirigenten achtet, die Gesichter im Publikum im Hintergrund bemerkt und nicht einfach nur auf die Wand des Saals schaut. Zum ersten Mal ist es mir während der Orchester-Tuttis im Konzert passiert, dass ich den Moment richtig genossen habe und zu mir selbst gesagt habe: „Ist das nicht einfach Wahnsinn?“

Lass uns nun etwas konkreter werden, wie fandst du persönlich deinen Auftritt, deine Performance in der Elbphilharmonie? Es ist ja schließlich eines der berühmtesten Konzerthäuser der Welt!

Ishkhanov: Nun, es ist immer eine Herausforderung, über seine eigene Darbietung zu sprechen. Aber ich habe das Gefühl, dass es mir gelungen ist, eine Verbindung zum Publikum durch die Musik herzustellen. Auf der Bühne ist es wichtig, als Musiker seine Ideen überzeugend zu präsentieren. Ich denke, mir ist das gelungen, indem ich mich offen und mutig gefühlt habe und nicht nur stur dem „Plan“ gefolgt bin, sondern auch versucht habe, spontane und besondere Momente zu schaffen.

Das ist verständlich und adelt dich, dass du dich nicht allzu sehr selbst loben willst. Darum lass uns doch Anne-Sophie Desrez fragen, die Markenbotschafterin von Shigeru Kawai. Anne-Sophie, du bist auch eine erfahrene Konzertgängerin. Wie beurteilst du die Leistung von Dmitry heute Abend?

Anne-Sophie Desrez: Das Klavierkonzert in a-Moll von Robert Schumann ist für mich das empfindlichste und heikelste aller Klavierkonzerte. Mit diesem Klavierkonzert in a-Moll komponierte Robert Schumann eine Art klingende Liebeserklärung an Clara. Die beste Interpretation, welche ich bis jetzt erlebt hatte, wurde von Hélène Grimaud und dem NDR Sinfonieorchester gespielt. Hélène Grimaud machte es zu einem Erlebnis. Ich habe jetzt noch den Klang in Erinnerung. Und an diesem Abend im Großen Saal der Elbphilharmonie mit dem jungen Pianisten Dmitry Ishkhanov war es ebenfalls ein sehr hörenswertes Erlebnis. Zusammen mit dem großartigen Orchester Neue Philharmonie Hamburg hat der junge hochtalentierte Pianist es geschafft, das Publikum zu berühren.

Mit 18 Jahren schon in einer der bekanntesten Konzertsäle gespielt zu haben, das kann nicht jeder Pianist von sich behaupten: Dmitry Ishkhanov zählt zu diesen auserwählten Wenigen. Foto: Cetin Yaman

Danke für deine Einschätzung, Anne-Sophie. Zurück zu dir, Dmitry, wie hat sich der Shigeru Kawai-Flügel aus deiner Sicht an dem Abend gemacht? Ist es ein für diese Komposition von Robert Schumann gut geeignetes Instrument? Kann man damit alle Facetten der Musik von Schumann ausschöpfen? Wenn ja, warum? An welchen Features des Shigeru Kawai-Flügels liegt das hauptsächlich?

Ishkhanov: Es war ganz hervorragend auf dem Shigeru Kawai zu spielen. Mir hat es besonders gut gefallen, wie einfach es mir ging, mit den Klangschichten zu experimentieren um damit Landschaften zu konstruieren. In Schumanns Musik spielt die Poesie eine große Rolle, und der Shigeru Kawai bot mir die Gelegenheit an, alle verschiedene Charakteren herauszuheben. Zum Beispiel im ersten Satz sind wellenförmige Phrasen von großer Bedeutung, worauf dieser Flügel auf alle Impulse die ich gegeben habe, reagiert und mir damit ungemein geholfen hat, diese Wellen zu kreieren. Der Flügel hat sich sehr lebendig angefühlt und wir haben uns sehr gut verstanden. Ja, so kann man das sagen.

Von russischen Pianisten pflegt man ja im Allgemeinen das Klischee, dass sie besonders gut Kompositionen von russischen Komponisten spielen könnten. In dir fließt ja auch etwas russisches Blut sozusagen, aber nun hattest mit Robert Schumann einen deutschen Romantiker für deinen Auftritt ausgesucht. Welche musikalische Beziehung hast du zu ihm?

Ishkhanov: Ich mag zwar kein hundertprozentig russischer Pianist sein, aber vielleicht steckt doch etwas Wahres in dem Klischee, dass russische Pianisten besonders gut Rachmaninov & Co. interpretieren und französische Pianisten sich besonders meisterhaft in Debussy einfühlen können. Mir erscheint jedoch entscheidender, mit welcher Art von Musik man sich am besten identifizieren kann. Die Musik von Schumann zeichnet sich durch einen intimen, nach innen gerichteten Charakter aus, der sich von der anderer Komponisten unterscheidet. Da ich mich auch selbst als einfühlsam bezeichnen würde, empfinde ich, dass ich Schumanns Gefühle während des Spiels gut zum Ausdruck bringen kann, da ich diese auch selbst intensiv erlebe.

Erteilen wir an dieser Stelle doch noch einmal der Markenbotschafterin von Shigeru Kawai das Wort. Wie lautet dein Fazit, Anne-Sophie?

Anne-Sophie Desrez: Obwohl sehr jung, besitzt Dimitry Ishkhanov nicht nur schon eine bemerkenswerte technische Meisterschaft, sondern für sein Alter auch eine unglaubliche musikalische Reife. Es war eine Entdeckung im Großen Saal der Elbphilharmonie in Hamburg. Ich kann mich nur wiederholen: ich habe das Konzert sehr genossen.

Du bist erst 18 Jahre alt, hast aber schon in einigen großen Konzerthäusern der Welt gespielt, jetzt auch sogar im Großen Saal der Elbphilharmonie. Du hast bereits das erreicht, wovon manche ihr Leben lang hinstreben. Wie hält man da in der Zukunft überhaupt noch die Motivation aufrecht?

Ishkhanov: Ich empfinde, dass ich durch jede Erfahrung mehr und mehr Motivation gewinne. Die Gelegenheit, in den bedeutendsten Konzertsälen spielen zu dürfen, ermutigt mich fortlaufend, mich weiterzuentwickeln und zu verbessern.

von Cetin Yaman