Faszinierendes postmodernes Piano-MashUp in der Elbphilharmonie

Leon Gurvitch neben dem Klavier auf der BühneDa es sich bei dem Abend nicht um einen Konzertabend wie sonst handelte, sondern auch um die Präsentation seines neuen Albums mit dem Titel „Musique Mélancolique“ ging, fügte Leon Gurvitch in seinen Moderationen einige Erläuterungen zu den Stücken ein. Foto: Cetin Yaman

Leon Gurvitch mixt von New Romantic bis Jazz Impro alles schön durch

Der in Hamburg lebende und aus Minsk/Weißrussland stammende Pianist und Komponist Leon Gurvitch zählt zu den besonders umtriebigen seiner Zunft. In Norddeutschland – aber auch weltweit inzwischen – beglückt er häufig Freunde der Klaviermusik mit seinen Konzerten. D

as letzte war aber ein ganz spezielles, denn da wurde auch gleichzeitig sein neues Album mit dem Titel „Musique Mélancolique“ das erste Mal in kompletter Version der Öffentlichkeit präsentiert. Ort des Geschehens war die beeindruckende Elbphilharmonie, im ausverkauften Kleinen Saal kam am Ende des insgesamt fast drei Stunden dauernden Abends das Hamburger Kammerballett mit auf die Bühne. Titel wie Silent Waves“, „La Tristesse“, „Paroles de Solitude“ oder „Postscriptum“ bieten eine erfrischende Vielfalt in diversen Stilen und begeisterten die rund 500 Besucher.

„Das Publikum war sehr enthusiastisch und jubelnd, das Haus war voll, es gab Standing Ovations und drei Zugaben. Es lagen definitiv positive Vibrations in der Luft“, freute sich der Künstler über die gelungene Aufführung.

Interview mit Leon Gurvitch (LG)

ganz-hamburg.de nahm die Gelegenheit wahr und unterhielt sich mit Leon Gurvitch über sein neues Album und über seine weiteren künstlerischen Pläne.

Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu der erfolgreichen Premiere, lieber Leon! So wie es aussieht, hast du heute Abend den Saal glücklich gemacht. Wie hat es denn dir persönlich insgesamt so gefallen?

Leon Gurvitch: Auch ich war absolut begeistert von der Stimmung in diesem wunderschönen ausverkauften Konzertsaal in der Elbphilharmonie, so etwas spürt ein Musiker wenn so eine Atmosphäre in der Luft liegt. Das beflügelt ihn buchstäblich und so war es auch bei mir heute.

Tolle Stimmung ist das eine, Musik verständnisvoll aufnehmen ist aber das andere. Kannst du da in der Beziehung auch deinem Publikum nach dieser Aufführung ein Kompliment aussprechen?

LG: Oh ja, unbedingt! Es herrschte zwar überwiegend eine lockere Atmosphäre, die aber auch gleichzeitig hochkonzentriert war. Die Besucher haben sich meine Musik genau angehört und waren auch emotional angetan. Ich konnte Verständnis für meine Musik spüren, denn Musik hat bekanntlich keine Worte, ich erzähle aber wiederum mit jedem einzelnen Stück eine Geschichte. So eine universelle Geschichte, bei der die Zuhörer sich selbst Bilder oder Visionen vorstellen können. Jeder erlebt dabei persönliche Momente aus seinem Leben wieder oder entwickelt Fantasien. Das ist mein Ziel als Komponist und ich hatte das Gefühl, dass mir das mit diesen neuen Werken gelungen ist.

Das bestätigen wir dir gern, Leon, das dass so gewesen ist. Wir halten deine neue CD für sehr gelungen und für ein repräsentatives Album mit Piano-Musik des 21. Jahrhunderts. Diese bietet eine enorme Vielfalt, ich habe da von New Classical über Verjazztes bis hin zu Anklängen an Schumann einiges an Musikrichtungen durchgehört.

Die allgemein vorhandenen stilistischen Grenzen scheinen dich nicht besonders zu stören, du schmeißt manchmal auch gern vermeintlich Widersprüchliches in einen Topf und kreierst eine ganz eigene Mischung. Das war ja schon immer dein Markenzeichen, bist du nun auf der neuen CD noch einen Schritt weiter damit gegangen?

LG: Jeder Komponist sucht nach seinem eigenen Musikstil. Ich mag keine Schubladen, wenn ich Musik schreibe. Ich denke nicht an Stile, sondern kann nur meine eigene Gefühle ausdrücken, die mir am Herzen liegen. Manchmal klingt es nach New Classical, wie du richtig feststellst, dann gibt es wieder Jazztöne oder sogar Assoziationen zum Barock bis hin zu Klaviermusik aus dem 19. Jahrhundert von Robert Schumann. Man kann das sicher alles aus meinen Werken raushören, das Wichtigste ist für mich aber, dass das alles trotzdem vor allem nach Gurvitch klingen muss. In dieser Fusion kreiert man tatsächlich eine ganz eigene Stilistik und das ergibt sich auch erst nach vielen Jahren.

So einen postmodernen Stil-Potpourri bietet auch beispielsweise Chili Gonzales, mit seiner Klaviermusik ist er ja tatsächlich sogar in den Pop-Charts gelandet. Was meiner Meinung nach ein wichtiger Faktor für den Erfolg von Gonzales ist, ist die Tatsache, dass seine Musik sich so gut live präsentieren lässt. Über seine erfolgreichen Konzerte erzielt er enorme CD-Verkäufe. Da es ja bei dir heute Abend auch die Welturaufführung deiner neuen CD gewesen ist, was für ein Gefühl hattest du danach: handelt es sich bei den Titeln auf der neuen CD auch um Musik, die sich live gut präsentieren lässt?

LG: In der Tat, ich habe zum ersten Mal alle Werke aus der neuen CD „Musique Mélancolique“ live präsentiert. Es hat alles ungefähr drei Jahre gedauert, bis ich dieses Album aufgenommen und daran solange gearbeitet habe bis ich das Gefühl hatte, dass ich es endlich der Welt und dem Publikum vorstellen kann. Es handelt sich um sieben Werke. Auch wenn der namengebende Zyklus „Musique Mélancolique“ den Schwerpunkt der CD darstellt, gibt es noch weitere Titel wie den Zyklus „Songs Without Tears“, „Vocalise“, „Postskriptum“ und „Piano Melodie from Silentium“. Ich glaube, das Publikum hat meine Musik sehr positiv und begeistert aufgenommen, das gibt mir ein tolles Gefühl für meine weiteren künstlerischen Aktivitäten.  

Am Schluss des Konzerts kam noch eine Ballett-Truppe live auf die Bühne. Wie kam das zustande, hattest du bewusst eine Ballettmusik komponieren wollen oder ergab sich das weil es eben einfach die Möglichkeit für deren Auftritt gab, also erst hinterher?

LG: Es hat damit angefangen, dass ich die Musik für das Ballett „Kintsugi“ komponiert habe,  für Edvin Revazovs Choreografie im Theater Kiel. Die Choreografie hat mir wunderbar gefallen, so dass ich nach der erfolgreichen Premiere und weiteren Vorstellungen im April 2024 Edvin gebeten habe, einen Auszug aus diesem Ballett mit dem von ihm geleiteten Hamburger Kammerballett bei meinem Porträt-Konzert in der Elbphilharmonie zu präsentieren.
Er war ebenfalls ganz begeistert von der Idee und so setzten wir es um. Das war definitiv ein Highlight heute, wo die Besucher Ballett-Tänzer aus der Ukraine und wunderbare Solisten von John Neumeiers Ballett-Truppe live auf der Bühne erleben konnten. Gleichzeitig war ich als Komponist auf der Bühne dabei und habe meine eigene Piano-Musik zum Tanz interpretiert.

Lass uns nun aber zum Abschluss auch mal über den Saal und dein ausgewähltes Instrument sprechen. Wie wir beide wissen, gibt es gelegentlich immer wieder aufflammende Diskussionen, was die Akustik des Großen Saals der Elbphilharmonie angeht. Vom Kleinen Saal, der aber auch immerhin für 500 Personen Platz bietet, habe ich aber ehrlich gesagt bisher noch nie etwas Neues gehört. Was sagst du dazu, sozusagen als „unmittelbar Betroffener“? Findest du, dass dieser Saal gut zu Solo-Klavierabenden gut passt?

LG: Da hast du recht, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Dazu kann ich nur sagen: ich habe schon einige Konzerte in der Elbphilharmonie gespielt und jedes Mal denke ich, dass die Akustik hier sehr transparent ist und dadurch einen großen Einfluss auf die Musik und das Instrument hat. Hinzu kommt noch, dass ein bis auf den letzten Platz gefüllter Saal wie heute Abend wieder eine andere Schallentwicklung aufweist als ein nur zu zwei Drittel oder halb voller Saal. Das Ziel ist, dass auch die leisesten Stellen überall ankommen, auch in der letzten Reihe, und das ist hier erfreulicherweise definitiv der Fall.

Du hast auf einem Konzertflügel D von Bechstein gespielt. Wie war dein Gesamteindruck von dem Instrument?

LG: Sehr positiv. Das Bechstein-Team hat sich viel Mühe gegeben und das Instrument für das Konzert exakt nach meinen eigenen Wünschen vorbereitet, so dass ich mich sehr wohl gefühlt habe. Der Flügel gab mir jede Möglichkeit, meine Musik auszudrücken, weil es ein ganz großes Spektrum vom Volumen in allen Registern bietet. Der Klang ist sehr schön ausgewogen.
Das ist immer von einem Flügel zum anderen unterschiedlich. Man muss sich vor dem Konzert einen Flügel aussuchen, der seiner eigenen Klangvorstellung genau entspricht und auch technisch passt. Ich war vor dem Konzert noch im Bechstein Centrum Hamburg und habe mir Zeit genommen, um dort den Flügel auszusuchen und auszuprobieren.

Deine neue CD hast du aber auf einem Steinway eingespielt…

LG: Ich kann generell auf jedem Instrument von jeder Marke spielen, denn ich glaube aus jedem Instrument, egal von welcher Marke, kann man das Beste rausholen. Es ist natürlich immer angenehmer, wenn ein perfektes Instrument im Konzertsaal steht, wo man sich nicht um technische Probleme kümmern muss, sondern nur an die Musik denken und mit Klangfarben des Flügels alles ausdrücken kann.

Wann präsentierst du diese neue CD wieder live? Wo genau? Wann wieder in Norddeutschland, in Hamburg und Umgebung? Gibt es schon einen Termin?

LG: Am 20.Juni 2024 im Bechstein Centrum Hamburg werde ich wieder meine neue CD live präsentieren und ich lade die Leser von ganz-hamburg.de ganz herzlich dazu ein (Anmeldungen auf der Website von Bechstein Hamburg möglich). Es gibt noch ein paar Termine vom Ballett „Kintsugi“ von Edvin Revazov im Theater Kiel, wo meine Musik aus dieser CD ebenfalls zu hören ist. Folgende Vorstellungen stehen noch auf dem Spielplan: 19.  und 31. Mai sowie 7. und 13. Juli.

Dann wünschen wir dir dabei noch weiterhin viel Erfolg und besten Dank für das Gespräch!

von Cetin Yaman