Konzertkritik: Für die Freunde gepflegte Klänge: Redman, Mehldau, McBride und Blade boten feinsten Jazz in der Elbphilharmonie.
Ein lässiges Fingerschnippen und dann geht’s los mit einem der Konzertereignisse des Jahres: Joshua Redman (Saxophon), Brad Mehldau (Piano), Christian McBride (Bass) und Brian Blade (Schlagzeug) haben sich den Song „Chill“ aus dem 1994er Album „Mood Swing“ als Opener ausgesucht. Eine gute Wahl, vereinigt dieser doch auf geniale Weise klassischen Cool Jazz und seine weit geschwungenen Melodiebögen mit modernen, gebrochenen Stilelementen.
Ein Kritiker schrieb damals dazu: „Ein idealer Song, um auch seine Nicht-Jazz-Fans mit Jazz zu erfreuen“ – und das kann man auch nahezu komplett als Motto für den gesamten Abend in der Elbphilharmonie übernehmen.
Vier musikalische Seelenverwandte in Concert
Es sind vier musikalische Seelenverwandte mit atemberaubender Wirkung, die da gemeinsam auf der Bühne agieren. Dieses Quartett war die erste feste Band des Saxophonisten und Komponisten Joshua Redman, die anderen drei waren damals noch nicht auf demselben Status wie er. Das hat sich geändert, alle Akteure gehören inzwischen zu der A-Besetzung des aktuellen Jazz. 2020 kam die Formation wieder zusammen, um das Album „RoundAgain“ zu kreieren.
Und vor wenigen Wochen erschien ihr drittes Werk „LongGone“, das als eines der besten Alben des Jahres in diesem Genre gilt. Drei Werke in 28 Jahren, das ist nicht wirklich üppig, aber dafür sind es alles Meisterwerke, was auch am zweiten Song des Abends deutlich wird. „Father“, eine Komposition von Mehldau, bietet zwar ihm selber ein Vehikel für ein schwindelerregendes Klaviersolo, ist aber auch ein ideales Schaufenster für Redmans überschäumende Virtuosität am Tenorsaxophon, während er über und um die hart aufladende Rhythmusgruppe McBride & Blade spielt.
Auch in „Moe Honk“ – ebenfalls eine Mehldau-Komposition – mit seinem spiralförmigen Fünftakt-Polyrhythmus ist es nicht anders. Redmans gleitende Tenorsaxophon-Melodie gleitet nach oben und fällt dann mit einer Reihe klarer, losgelöster Töne langsam wieder in Richtung bekanntes Terrain ab. Die ganze Zeit über spielt die Rhythmusgruppe quasi gegen ihre eigene Vorwärtsbewegung und sorgt paradoxerweise genau damit für einen unwiderstehlichen Groove.
Ausgewogener Sound, Präzision und Anmut
Song für Song geben die Musiker Ideen nahtlos weiter, antizipieren, reagieren ansprechend und bewahren eine ansteckende Energie, die dem Konzertbesucher das sichere Gefühl gibt, Genies bei der Arbeit zuzusehen. Sie spielen wie eine Einheit, auch der Sound ist so ausgewogen, dass jeder Teil seines Kits das gleiche Gewicht hat.
Das Quartett wirbelt mit solcher Präzision und Anmut vorwärts, dass es so klingt, als hätten sie alleine den Jazz wiederbelebt – was ja auch zumindest teilweise stimmt. Ein famoses Konzert der vier noch sehr munteren Legenden Joshua Redman, Brad Mehldau, Christian McBride und Brian Blade. Da kann man nur noch sagen: Thank you for the music, Maestros! Ein Konzert in der Elphi wie es sich der Jazzfreund wünscht.
von Cetin Yaman