Der Ferrari unter den Flügeln als Garant für den Erfolg

Alexander Yakovlev spielt am FlügelDie große Bewunderung für den Tastenmeister zeigte sich ebenso an der hohen Konzentration der Besucher: kein störendes Geräusch war zu hören, alle lauschten gebannt der Musik. Foto: Cetin Yaman

Alexander Yakovlev begeistert erneut in der Laeiszhalle,

Dem aufführenden Künstler war die Erleichterung und die Euphorie nach dem Auftritt anzusehen: „Ich war sehr angetan von dem heutigen Abend. In der Laeiszhalle spielen zu dürfen, ist jedes Mal eine große Freude und Ehre für mich. An diesem quasi heiligen Ort, an dem bereits zahlreiche große Musiker aufgetreten sind, ein Konzert zu geben, ist für einen Pianisten so etwas wie ein Gebet in einer musikalischen Kathedrale. Und dies mit einem fantastischen Instrument tun zu können, macht alles noch wunderbarer“, so Alexander Yakovlev nach seiner gefeierten Darbietung in Hamburg. Anne-Sophie Desrez, Markenbotschafterin von Shigeru Kawai (japanischer Hersteller des verwendeten Pianos), konnte sich diesem Eindruck nur anschließen: „Ich habe einen absolut positiven Eindruck von diesem Konzert gehabt, es war ein großartiger Abend. Es gibt in den präsentierten Werken einige wunderschöne Passagen, die die Klangfarben eines Flügels hervorheben können, und dies war heute deutlich der Fall.“. Den tosenden Applaus hatte sich Yakovlev wahrlich verdient, vorausgegangen war ein meisterlicher Vortrag mit Kompositionen von Johannes Brahms, Maurice Ravel und Peter Tschaikowsky.

Der Ferrari unter den Pianos hilft ungemein

Das Besondere an dem Einstiegswerk, den „Variationen über ein Thema von Händel“ von Brahms, ist, dass es zwar rein technisch betrachtet nicht das komplizierteste Werk ist, das man spielen kann, dafür aber einen ganz spezifischen Geist in sich trägt, den man als Musiker verstehen und interpretieren muss. Es ist eine musikalische Abhandlung, die so unterschiedliche Epochen wie die Klassik und die Romantik in sich vereint und in das Philosophische hineingeht. „Vor allem die enthaltene Fuge ist sehr anspruchsvoll. Als Wagner diese Variationen gehört hat, war er erfreut darüber, dass die Ära der Klassik auch in der Romantik noch weiter existiert“, so Yakovlev.

Für den Pianisten ist es bei den Variationen sehr wichtig, dass der Stil des Komponisten übernommen wird. Es muss darauf geachtet werden, dass man mit seiner eigenen Spieltechnik nicht die Originalgedanken des Werks zerstört, sondern diese möglichst genau wiedergibt. „Vor allem muss man auch bedenken, dass dies keine sehr typische Brahms-Komposition ist und dies in den Vortrag einfließen muss“, so der russische Musiker. Seine Interpretation der Händel-Variationen, die sich durch eine große Vielfalt an Klangfarben, ein breites Dynamikspektrum und ein meisterhaftes Gespür für die Gesamtstruktur der Musik auszeichnen, ist sehr spannend.

Brahms rhythmische Verschiebungen in den Variationen 2 und 3 bewältigt Yakovlev mit Bravour und auch die weiteren Erfordernisse in den folgenden Abschnitten, die ebenso viel lyrische Momente beinhalten, klingen sehr überzeugend. Yakovlev lässt schon hier sein Instrument „singen“. Sein Ton ist immer abgerundet und warm, dies auch bei den hohen Tönen, wo so manch anderer seine Probleme hat. Die Polyphonie in der Schlussfuge bietet einen Höhepunkt, den man auch so kunstvoll wie Alexander Yakovlev präsentieren können muss. „Einen Flügel wie Shigeru Kawai zu spielen, ist wie einen Ferrari zu fahren, es gibt dem Fahrer/dem Pianisten quasi alle Möglichkeiten“, gibt der Pianist das Kompliment großzügig an sein Instrument weiter.

Ohne die Seele geht es nicht

In der darauf folgenden Darbietung geht es um etwas ganz anderes. Bei Maurice Ravels „Valses nobles et sentimentales“ fällt einem zunächst die abenteuerliche Harmonik des Werks besonders ins Auge, vor allem die vom Jazz beeinflussten Akkorde sind als ungewöhnlich – erst recht in der Entstehungszeit, 1910! – zu bezeichnen. Die acht „edlen und gefühlvollen Walzer“ von Ravel fließen in einer durchgehenden Traumlandschaft zusammen. Es geht in eine Welt aus schimmernden Farben und wirbelnder Bewegung, die Gefühlswelt geht von kindlich-naiv bis anmutig-lasziv und löst sich am Ende in einer ruhigen Melancholie auf. Auch hier benötigt es jemanden an den Tasten, der dieses Kaleidoskop an Gemütsregungen hinreißend vermitteln kann. Yakovlev ist so einer und er begeistert mit seinem Vortrag dieser durchaus als leicht avantgardistisch zu bezeichnenden Komposition den gut gefüllten Saal. Ganz getreu nach seinem Motto: „Achtet nicht auf meine Technik, die Seele des Musikstücks ist das Entscheidende!“. Damit hat er zweifelsohne Recht, aber es benötigt schon einen Meister wie Yakovlev, dass die Seele auch gut zu hören ist.

Langer Atem für lange Melodiebögen

Beim zweiten Teil genießt der Russe sozusagen Heimvorteil, denn mit dem Innenleben der Menschen aus seiner Heimat kennt er sich bestens aus. Nichtsdestoweniger sind die Jahreszeiten von Tschaikowsky kein einfaches Vorhaben, denn: „Dieses Werk hat eine sehr lange Melodieführung, da benötigt man als Pianist die Energie und das Durchhaltevermögen um das entsprechend präsentieren zu können“, so Yakovlev. Auch dies darf man ihm attestieren. Die Stücke, die 1876 in den monatlichen Ausgaben einer St. Petersburger Musikzeitschrift erschienen und danach erst als Zyklus am Ende des Jahres unter dem Sammeltitel „Die Jahreszeiten“ veröffentlicht wurden, sind für manche Kritiker die attraktivsten Klavierwerke des Komponisten. Yakovlevs Darbietungen überschreiten nie die Grenzen dessen, was im Wesentlichen Salonstücke sind, aber er verleiht ihnen einen eigenen, ruhigen, unverwechselbaren Charakter und spielt sie auf völlig natürliche, ungekünstelte Weise.

Nach solch einer überwältigenden Aufführung müssen es natürlich drei Zugaben sein, die gegeben werden. Mit dem Intermezzo aus dem Nussknacker von Tschaikowsky, der nicht häufig gespielten, aber wundervollen Sonate No. 54 von Haydn und einem Auszug aus Petruschka von Stravinsky beglückt der derzeit in Montenegro lebende Piano-Maestro noch einmal sein Publikum.

Er macht’s noch einmal: Yakovlev zum dritten Mal in diesem Jahr in Hamburg

Klassik-Fans, die bereits die Vortragskünste von Alexander Yakovlev zu schätzen gelernt haben, kommen diesen Herbst noch einmal auf ihre Kosten. „Ich freue mich schon sehr auf das nächste Konzert von ihm am 31. Oktober 2023 im Kleinen Saal der Laeiszhalle Hamburg. Er wird ein monumentales Meisterwerk auf unserem Flügel spielen: Die Goldberg Variationen von Johann Sebastian Bach“, gibt Shigeru Kawai-Botschafterin Anne-Sophie Desrez bekannt.

Chopin Festival im Oktober erfüllt Klassik-Fans mit Vorfreude

Aber das ist nicht alles, für Freunde des feinen Shigeru Kawai-Klangs gibt es weitere gute Nachrichten: demnächst wird es diesen Flügel in Hamburg auch in einem Kammerorchester zu hören geben. Am 11. Oktober werden beim Abschlusskonzert des Chopin Festivals Hamburg Hubert Rutkowski, Intendant des Festivals, und das Elphier-Quartett Klavierquintette von Johannes Brahms und Juliusz Zarbski im kleinen Saal der Elbphilharmonie aufführen. „Das Klavierquintett g-Moll op. 34 von 1885 ist zweifellos Zarbskis bestes Kammermusik-Werk. Die fortschrittliche Harmonik, der Farbenreichtum und der innovative Einsatz von Rhythmus sowie die volle Nutzung des Klaviers und seine geschickte Verschmelzung mit den Streichern machen es zu einem der bemerkenswertesten polnischen Kammermusikwerke der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“, kündigt Anne-Sophie Desrez voller Vorfreude auf das Highlight an. Für dieses Konzert wird ein Konzertflügel Modell SK-EX mit einer Länge von 278cm im kleinen Saal der Elbphilharmonie zur Verfügung gestellt. Dies wird übrigens auch eine Premiere sein, da Shigeru Kawai bis jetzt noch nicht im Kleinen Saal der Elbphilharmonie gespielt wurde.

von Cetin Yaman