Stefan Bonev brilliert zum Start der KAWAI-Konzertreihe 2024
Mit der Waldstein-Sonate von Beethoven seinen Klavierabend zu starten, das trauen sich wirklich nicht viele. Emile Gilels, das russische Jahrhundert-Genie, war so einer, der nicht damit wartete, bis er sich an den Saal und das Publikum gewöhnt hatte. Viele seiner Programme legte er damit los. Und diese allgemeine Zurückhaltung hat auch seinen guten Grund, denn die Klaviersonate Nr. 21, Opus 53, war bei der Veröffentlichung 1805 nicht nur eine Revolution im Klavierstil des Bonner Meisterkomponisten. Das Werk, gewidmet an einen früheren Förderer von Beethoven, Graf von Waldstein, stellt jeden Pianisten vor eine außerordentliche technische Herausforderung. Es werden viele harmonische, figurative und strukturelle Verfahren, die früher Konzerten vorbehalten waren, erstmals im Rahmen einer Sonate eingeführt und verleihen der Waldstein-Sonate ihre besondere Dramatik und Brillanz. Eine Kritik aus der damaligen Zeit beschrieb dies mit den Worten: „Der erste und der letzte Satz gehören zu den brillantesten und originellsten Stücken, für die wir diesem Meister dankbar sind, aber sie sind auch voller merkwürdiger Einfälle und sehr schwer aufzuführen.“ Diese Feststellung ist auch heute noch gültig. Umso bemerkenswerter darum, dass der junge Pianist Stefan Bonev sich ebenfalls traut, mit genau dieser Sonate zu starten. Und, um es schon kurz vorwegzunehmen: der Bulgare meistert diese Klippe bravourös, wie von ihm im Verlauf des Abends ein weiterer musikalischer Zehntausender in der Alfred Schnittke Akademie in Hamburg-Altona erfolgreich erklommen wird.
Spezielle Art von Brillanz benötigt – der Shigeru Kawai SK-6 bietet sie
Bonevs Klavierspiel hat ein untrügliches Gefühl für Dynamik und ein hohes Maß an Präzision und ist voller lebhafter, aber dennoch sich harmonisch zusammenfügender, Kontraste. Was sich durchhören lässt, ist sein strukturelles Verständnis, das auch bei dieser Sonate vonnöten ist, um ihr einen überzeugenden Ausdrucksbogen zu verleihen – und das, ohne dabei an Details zu sparen. Sich die Prestissimo-Coda des letzten Satzes von Bonev anzuhören, ist ein reines Vergnügen, er spielt die Figuration mit großer Ausdruckskraft. In der Summe: eine knapp halbstündige famose Interpretation eines famosen Werks, besser kann ein Konzert nicht beginnen. Die exquisite Klangfülle seines Instruments, ein Shigeru Kawai SK 6, hilft ihm dabei enorm, die Vielzahl der Details fantasievoll auszuführen. „Die Waldstein Sonate erfordert eine spezielle Art Brillianz, welche der Shigeru Kawai Fluegel auf jeden Fall immer anbietet“, so der Pianist. „Außerdem haben die Bässe viel Charakter, ich würde diese sogar als ein bisschen ‘düster’ beschreiben – aber im angenehmen Sinn -, ohne dass sie den gesamten Klang des Klaviers mit Volumen überflutet hätten. Diese Eigenschaft ist bei modernen Instrumente nicht oft zu erleben“.
Weltschmerz mal luftig-lyrisch – Bonev hat seine eigene Vision von Chopin
Während der Aprilwetter-Sommer draußen weiter für ständige Überraschungen sorgt – an dem Abend ist mal wieder Dauerregen angesagt – , sind innen im Saal der Alfred Schnittke Akademie ebenfalls Verwunderungen im Programm – aber durchweg positive. Was der junge Bulgare Stefan Bonev an dem Abend zum Auftakt der KAWAI-Konzertreihe 2024 an musikalischem Können hervorzaubert, verblüfft so manchen der Besucher im ausverkauften Saal. Zwei Sätze von Tschaikowskis Jahreszeiten, März und Mai, folgen gewissermaßen zur Abkühlung, haben aber noch eine andere Funktion im Konzertprogramm: „Diese beiden Stücke von Tschaikowsky sind eine Art musikalischer Übergang zur Polonaise Fantasie von Chopin“, erläutert Bonev. Und auch hier lässt er nichts anbrennen: die kurzen romantischen Auszüge beim Werk des russischen Komponisten sind klanglich sehr gut umgesetzt; seine tolle, fließende Spieltechnik kommt hier wieder voll zum Zuge. Und bei Chopin kommt der Pianist nicht umhin, erneut sein Arbeitswerkzeug zu loben: „Das etwas ‘persönliche’ Mittelregister hat mir gerade bei der Polonaise-Fantasie in As-Dur Op. 61 große Dienste geleistet“. Auffallend bei Bonev’s Chopin ist eine luftige, leichtfüßige Herangehensweise. Es ist zwar – wie immer bei Chopin – eine von Weltschmerz umspülte Musik, aber keine, die einen allzu Stimmung drückenden Charakter hat, wie dies leicht bei seinen Kompositionen der Fall sein kann, wenn der Vortragende nicht aufpasst. Die Aufführung von Bonev hingegen hat etwas neutral-romantisches, ist fast lieblich und in jedem Fall eine sehr interessante Interpretation, die er dem Publikum bietet.
Wall of Sound in Altona: Bonev überzeugt auch als Ein-Mann-Orchester
Die etwas längere Pause ist anscheinend in weiser Voraussicht von den Veranstaltern so eingeplant, denn im zweiten Teil gibt es noch einmal sehr hohe und anspruchsvolle Kost. Drei Präludien von Debussy sind mit ihrem leisen, poetischen impressionistischen Stil scheinbar ziemlich weit entfernt von dem darauf folgenden bombastischen Finale mit Liszts h-Moll-Sonate. Doch Bonev sieht da durchaus Zusammenhänge: „Auf einer bestimmten Ebene stehen diese zwei Werke in starkem Kontrast zueinander, das stimmt. Aber auf der anderen Seite sind beide auch voller Atmosphäre. Und meiner Meinung nach baut die klangliche Welt Debussys größtenteils auf die späten Werke von Liszt auf und darum ist diese Programmabfolge für mich musikalisch sehr logisch“. Die Komposition von Liszt gilt in der Musikgeschichte als erstes Werk, das das Potenzial des modernen Konzertflügels voll ausschöpfte. Und das kann man wörtlich nehmen, es hat in der Ausführung eine orchestrale Anmutung. Hier zeigt sich auch die außergewöhnliche Klasse des Shigeru Kawai SK-6, es ist ein wahrlich mächtiges Instrument und würde mit seinem unglaublichen Volumen auch einen Saal mit 2000 Gästen äußerst zufriedenstellen (und tut es übrigens auch immer wieder in der Elbphilharmonie und der Laeiszhalle). Solch eine Möglichkeit birgt aber auch etwas die Gefahr, dass der Pianist die Kontrolle verliert und sich selbst im Liszt’schen Wall of Sound-Rausch verliert. Doch Bonev hat alles bestens im Griff, weiß, wie alles schön auszubalancieren ist und der Zuhörer nicht von solch massiven Klängen erschlagen wird, sondern sich genüsslich daran erfreuen kann.
Shigeru Kawai-Markenbotschafterin Anne-Sophie Desrez.. Foto: Cetin Yaman
Bonev. Foto: JERZY PRUSKI (hfr)
Ehepaar Gabi und Javier Alvayay. Foto: Cetin Yaman
sicher sehr gefreut: Klassik kann auch heutzutage noch junge Leute begeistern. Der beste
Beweis war an dem Abend zu sehen: Yixuan Hu (Opernkomponistin), Miruna Novac und
Meybol Estendorfer Moran (beide von Meybol Cacao Germany) sowie HfMT-Klavierstudent
Yanhao Yang. Foto: Cetin Yaman
Liszt war als Komponist und Pianist in seiner eigenen Liga, solch eine Zukunft könnte auch für den Pianisten Stefan Bonev verheißen sein. Die Anlagen dazu hat er in jedem Fall, wie der Abend deutlich gezeigt hat. Ein minutenlang währender Applaus ist der Dank für eine grandiose Vorstellung – auch ohne Zugabe, denn diese war nach so einer überzeugenden Leistung und mit Liszt als Schlusspunkt nicht mehr nötig.
Schirmherr Michael Fröhlich und das Konsularische Korps Hamburg sind entzückt
Das Konzert stand unter der Schirmherrschaft des Honorarkonsuls von Bulgarien in Hamburg, Michael Fröhlich. Er sah sich in seiner Entscheidung voll und ganz bestätigt: „”Wir haben heute Abend einen wunderbaren Botschafter Bulgariens in Hamburg gehört. Stefan Bonev gilt bei vielen Insidern – aber inzwischen nicht nur bei den Insidern – als ‘der Christo der Klassik’ in Bulgarien“, schwärmte er zu recht. „Wir durften heute einem beeindruckenden Erlebnis beiwohnen. Ich bin mir sicher, dass dieser hochtalentierte junge Mann heute Abend die Klassik-Szene in Hamburg für sich gewonnen hat“, so der Honorarkonsul weiter. Erstaunt registrierte Fröhlich die präsentierte immense Energie, die in dem Vortrag steckte: „Diese außergewöhnliche Auswahl an Stücken, die man so in dieser Intensität zu spielen selten durchhält, das ist ganz beachtlich. Mit seiner Art und Weise Debussy und Tschaikowsky zu interpretieren hat er die Herzen der Menschen heute Abend für sich gewonnen. Das Auditorium hat sich übrigens als wunderbar fachkundig erwiesen. Liszt am Ende zu spielen, war ein gelungenes Statement, dieses Werk ist einfach etwas, das man an einem Abend nicht mehr toppen kann. Und die Reifheit des Auditoriums zu erkennen und damit zu zeigen, dass dies ein exzellenter Schlusspunkt ist für solch einen Abend und kein Encore mehr nötig ist, da gehört viel Feingefühl dazu. Ich bin absolut begeistert“.
Das erste Konzert in der 2024-er-KAWAI-Konzertreihe zog außerdem noch einige weitere Vertreter aus dem Konsularischen Korps Hamburg an. So durften als VIP-Gäste die Generalkonsulin von Peru, Ana Pena, die Generalkonsule von Chile und Ghana, Antonio Correa und Emmanuel Opeku, der Honorargeneralkonsul von Costa Rica, Joachim Ulrich, und der Honorarkonsul von Uganda, Professor Manfred Dietrich, begrüßt werden. Sie alle konnten den respektvollen Worten ihres Kollegen Fröhlich nur zustimmen.
Fazit von SHIGERU KAWAI-Botschafterin: Beethoven hätte seine Freude gehabt
Hocherfreut zeigte sich abschließend auch die Veranstalterin des Konzerts, Shigeru Kawai-Markenbotschafterin Anne-Sophie Desrez: „Es war ein Kawai Konzert der Extra-Klasse mit dem hochtalentierten Pianisten Stefan Bonev. Mit seiner musikalischen Reife, seiner ausgefeilten Technik und der Fähigkeit, dem Shigeru Kawai Flügel ein breites Spektrum an Klangfarben zu entlocken, faszinierte er das Publikum. Stefan Bonev hat den Shigeru Kawai Flügel zum Singen gebracht, brillante Läufe und vor allem schöne weiche Töne, besonders in den hohen Lagen. Beethoven hätte seine helle Freude an dieser Interpretation der Waldstein-Sonate gehabt. Wir werden ganz sicher sehr bald mehr von Stefan Bonev hören, er gehört zu den besten seiner Generation“.
So geht’s weiter: im November nächstes Konzert Ende diesen Jahres wird die Kawai-Konzertreihe mit internationalen Preisträgern in Hamburg im Konzertsaal der Alfred Schnittke Akademie in Altona fortgeführt. Der zweite und letzte Klavierabend der Saison ist am Sonntag, 17. November, und wird von dem Ausnahmepianisten Dmitry Sin bestritten. Er ist Preisträger internationaler Klavierwettbewerbe, insbesondere ist er der sechste Preisträger des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs 2021. Sein Spiel gilt als virtuos und souverän, „geprägt von Noblesse und Musikalität“, wie es in der Presseankündigung des Veranstalters heißt.
von Cetin Yaman