Can Çakmur bietet feinen Musiknachmittag im Tonstudio Tessmar

Pianist Can Çakmur2021 von den International Classical Music Awards (ICMA) zum „Young Artist of the Year“ gekürt: Pianist Can Çakmur. Foto: Cetin Yaman

„Schubert plus“-Programm auf Shigeru Kawai Flügel überzeugt.

An einen ungewöhnlichen Ort bat diesmal Shigeru Kawai zu einem Konzert seiner Klavierkünstler. Das Tonstudio Tessmar in Hannover war der Ort des Geschehens für den Auftritt des Pianisten Can Çakmur. Der junge Türke hatte sich unter anderem mit dem 1. Preis beim renommierten Hamamatsu International Piano Wettbewerb 2018 (Japan) für höhere Aufgaben empfohlen. Es war zudem der Abschluss einer ganzen Woche mit Aufnahmen für seine neue CD, die nächste Folge seiner anspruchsvollen Reihe „Schubert +“. Es ist ein ehrgeiziges Projekt: bis 2028, dem 200. Todesjahr Schuberts, will Çakmur sämtliche Klavierwerke des Wiener Komponisten eingespielt haben. Die Aufführung im intimen Rahmen hatte ihren ganz eigenen faszinierenden Charakter, gespielt wurden natürlich Werke von Franz Schubert, gemixt mit einer Komposition von Robert Schumann in der Mitte. Ein sehr passender Ort, wie Shigeru Kawai-Botschafterin Anne-Sophie Desrez findet: „Es harmoniert ideal mit dem Programm. Einst wurde Schuberts Musik ausschließlich bei privaten Hauskonzerten gespielt“. Auch der Künstler sieht das so: „Studio Tessmar hat eine hervorragende Akustik und vom Spielgefühl her unterscheidet es sich kaum von den besten Bühnen der Welt. Allerdings ist der Raum kleiner als ein üblicher Saal, das kann man durch hervorragende Akustik nicht ersetzen und deswegen muss man mit den Nuancen stets aufpassen, dass es nicht zu laut wird“, so Can Çakmur, der in Ankara geboren wurde und in Weimar seine musikalische Ausbildung abschloss.

Çakmur bändigt die Dämonen in Schuberts Werk

Risikofreudig zeigte sich Cakmur in seiner Programmauswahl gleich zu Beginn. Die a-Moll-Sonate D784 ist eines der stürmischsten Werke von Franz Schubert und wurde nach der Diagnose der tödlichen Krankheit des Komponisten geschrieben. Das eröffnende Allegro giusto bietet Trostlosigkeit und gleichzeitig eine fast symphonische Erhabenheit mit einem frühromantischen Geist.

Der zweite Satz, ein Andante molto in F, leitet zu einer Normalität über, die den Anschein erweckt, als sei sie eine erzwungene – definitiv nicht leicht zu spielen. Und der letzte Satz der a-Moll-Sonate erinnert an einen gespenstischen Tanz mit einem perkussiven und ausgelassenen Charakter. Can Çakmur entschied sich für eine nicht ganz so düstere Interpretation. Sanft und beinahe scheu bearbeitete er das Thema und vermied somit das leicht Dämonische dieser Komposition. Wilde Passagen, die kaum zu bändigen scheinen und das Ganze in eine musikalische Achterbahn münden lassen, die sich zum Finale furios steigert, sind eine pianistisch anspruchsvolle Aufgabe und nicht jeder ist dieser Aufgabe gewachsen.

Çakmur verfügt aber über eine bestens entwickelte Kontrolle über die Textur und lässt die Musik von Schubert eher geheimnisvoll als übertrieben unheilvoll klingen, das konnte man als Hörer erfreut registrieren.

Träumerei à la Schumann – inklusive leichter Aufregung in der Mitte

Darauf folgten die im Allgemeinen zu Unrecht etwas vernachlässigten Fantasiestücke op. 111 aus der Spätzeit von Robert Schumann. Diese drei Stücke bilden eine Art Bogen, wobei die ergreifendsten Momente in der Mitte liegen. Der deutsche Romantik-Komponist soll die Drei Fantasiestücke aufgrund seiner Vorliebe für Beethovens Opus 111, die Klaviersonate Nr. 32, als Hommage an sein Vorbild geschrieben haben.

Die Träumerei wird durch einen kontrastierenden, aufgeregten Abschnitt unterbrochen, der das erste Stück wieder einzuführen scheint. Am Ende ist der Frieden jedoch wiedergewonnen, und Can Çakmur bringt die ruhige Lösung gekonnt zum Ausdruck. Es gab einen ganz bestimmten Grund für die Auswahl dieser Komposition: „Das Interessante an Schumanns Op. 111 ist, dass er im zweiten Stück den zweiten Satz aus der D-Dur Sonate (D 850) von Schubert zitiert. Und diese beiden Stücke werden selbstverständlich im selben Album von mir sein“, erläutert Çakmur.

Can Cakmur spielt beim Tonstudio Konzert
Can Cakmur Tonstudio Konzert Foto: Cetin Yaman

Drei Zugaben beenden prima musikalische Darbietung

Nach dem Ausflug in Schumanns musikalische Welt ging es wieder zurück zum Österreicher Franz Schubert. Çakmur, der übrigens in der Klassikwelt in Japan eine gewisse Popularität erreicht hat, zeigte auf dem gesamten Konzert eine intelligente Musikalität und lyrisches Talent. Mit Schwung und innerer Dringlichkeit – aber nicht unkontrolliert – , besitzt er bereits eine Vielfalt an Artikulation und dynamischer Schattierung. In der c-Moll-Sonate D958 gibt es viele Momente mit Crescendi, Diminuendi und Tonleitern, die von ihm in wohldurchdachten Portionen präsentiert werden.

Das gewählte Grundtempo – etwas flotter – passt gut zu Çakmurs gesamtem Auftritt. Auch die drei Encores am Ende sind bestens gewählt: Chopins Nocturne 48 c-Moll, eingebettet in zweimal Schubert, lässt auch diesen in einem interessanten, neuen Licht erscheinen. Die Ungarische Melodie am Ende von Schubert rundet den gelungenen Konzertnachmittag rhythmisch-melodisch und voller Inspiration ab. Dafür gibt es einen starken Applaus vom Publikum für den jungen Pianisten.

Anne-Sophie Desrez mit Can Cakmur
Anne-Sophie Desrez, Shigeru Kawai Botschafterin für Hochschulen & Artist Relations, zeigte sich hochzufrieden mit dem Konzertnachmittag: „Can Çakmur gelingt es, ungeahnte Klangräume und Farben auf dem heute gespielten Shigeru Kawai Concert Grand Piano entstehen zu lassen“. Foto: Cetin Yaman

Es kommt auch auf das Musikinstrument an

Bestens gelaunt zeigte sich auch die Vertreterin von Shigeru Kawai, dem Instrumentenhersteller der exklusiven Premiumflügel, nach der Aufführung.

„Das Konzert habe ich sehr genossen. Zum ersten Mal konnte ich Çakmur live erleben, ich hatte vorher schon so viel von ihm gehört. Daher war es auch für mich ein echtes Erlebnis, ihn heute hier spielen zu sehen. Seinen 1. Preis hatte er auf einem Shigeru Kawai SK-EX Grand Piano gewonnen, seitdem beobachten wir genau seine Karriere“,

freute sich Anne-Sophie Desrez.

Das Gegenlob ließ nicht lange auf sich warten; wenn es um sein Spielgerät geht, kommt der junge Pianist ins Schwärmen und zeigt sich als großer Fan der japanischen Marke.

„Der Shigeru Kawai ist mit Abstand das transparenteste und einfühlsamste Klavier, das ich gespielt habe. Es sind damit nahezu unendlich viele Schattierungen möglich. Darüber hinaus hat das Instrument eine starke Persönlichkeit, die eine gewisse Spielweise bevorzugt. Das finde ich einzigartig in der eher standardisierten Instrumentenszene des 20. und 21. Jahrhunderts“.

Can Çakmur

Mammut-Aufgabe geht weiter: Çakmur will 11 CDs mit Schuberts Musik einspielen

Mit dem Abschlusskonzert endete auch die Zeit der CD-Aufnahme im Tonstudio Tessmar für Can Çakmur. Der 26-jährige nimmt positive Gefühle mit nach Hause, wie er erzählt: „Von dem Auftritt heute war ich ziemlich berührt, da ich am Ende einer intensiven Aufnahmesession war und die ganze Woche damit verbrachte nach äußerster Präzision zu suchen. Heute durfte ich endlich loslassen und diese Musik, die mir so nah am Herzen liegt, vorzuspielen, ohne die ganze Zeit auf technische Details achten zu müssen, die bei einer CD-Aufnahme so wichtig sind“. Die Idee mit den elf Schubert-CDs entstand aufgrund einer spontanen Produktionsanfrage nach einer anderen Schubert-Platte des Labels BIS, die während der Pandemie erstellt wurde. Allerdings konnte das Vorhaben aufgrund eines erneuten Lockdowns nicht realisiert werden, danach kam das Konzept auf, Schubert in Kombination mit anderen Werken aufzunehmen. „Ich war immer der Meinung, Schuberts Sonaten lassen sich nicht unbedingt so gut mit anderen Schubert Sonaten kombinieren, da diese Werke an sich so immens an Umfang und Intensität angelegt sind“, sagt Çakmur.

Can-Cakmur mit der Tonstudio Crew
Pianist Can Çakmur mit seinem CD-Aufnahme-Team: Ole Bunke, Recording Engineer des Tonstudio Tessmar, und Tonmeister/Produzent Ingo Petry von Take 5 Music Production Stockholm.
Foto: Cetin Yaman

Die Jungs im Studio: kompetent, flexibel und gut drauf

Ein Extra-Lob erhielt das Tonstudio Tessmar, Çakmur findet die allgemeine Kompetenz, technische Ausstattung und Kooperation mit den Ingenieuren hervorragend. „Erstens, weil es so gut und vollständig ausgestattet ist, und zweitens da das Studio über eine fantastische Flexibilität verfügt und wir nicht unter zu hohem Zeitdruck arbeiten müssen. Der Aufbau dauert dank der fantastischen Ausstattung und Ole Bunke, dem Tonmeister im Studio, nur wenige Minuten.

Nicht zu vergessen: die Schallisolierung ist absolut perfekt, so dass man quasi Tag und Nacht ohne Störungen aufnehmen kann“. Kein Wunder also, dass sich der inzwischen ebenso als Musikprofessor in London tätige Can Çakmur auch im nächsten Jahr wieder auf den Weg nach Hannover zum Tonstudio Tessmar machen wird. Denn es gibt ja noch einen weiteren sehr triftigen Grund für seine Anreise: mit dem Shigeru Kawai SK-EX steht dort sein Lieblingsflügel parat für ihn.

von Cetin Yaman