Mein Geheimrat Lagerfeld – Marietta Andreae beleuchtet einen berühmten Hamburger

Buchtitel: Mein Geheimrat LagerfeldMein Geheimrat Lagerfeld von Marietta Andreae (c) Felix Jud Verlag

Eine enge Vertraute schildet das Leben und den Kontakt mit Karl Lagerfeld und gibt neue Einblicke.

Wer Marietta Andreae eine Grande Dame der PR nennt, der untertreibt keinesfalls. Ihr Adressbuch und die Verbindungen, die sie hat, müssen sich andere erst einmal erarbeiten. Denn sie haben nichts mit den flüchtig oberflächigen Linkedin- oder Xing-Kontakten zu tun. Stilsicher ist sie heute immer noch in PR-Dingen unterwegs, arrangiert dies & das oder inszeniert Events, die nicht nur durch eine ausgefeilte Gästeliste glänzen. Sie gehört zu Hamburgs GanzenFrauen.

Marietta Andreae hält ihr Buch
Marietta Andreae mit ihrem Buch ‘Mein Geheimrat Lagerfeld’
© Norbert Schmidt

Was in dieser Branche nicht unbedingt der Standard ist, sie ist keine Frau der lauten schrillen Töne, sondern sie glänzt mit hanseatischen Understatement. Denn, eine Bitte kann man ihr kaum abschlagen und sie versteht auf Menschen zuzugehen. Ihre Biografie trägt sie nicht wie ein Banner vor sich her.

So wissen nur wenige, dass Marietta Andrea rund ein Vierteljahrhundert (!) für Chanel Paris tätig war. Ihre Zusammenarbeit mit Karl Lagerfeld begann 1983. Karl Lagerfeld wurde damals künstlerische Direktor Mode, Marietta Andrea war für die Public Relations in Deutschland und Österreich verantwortlich.

Nun, da bliebt es natürlich nicht aus, dass sie einen engen Kontakt zu Karl Lagerfeld hatte. Gemeinsam konzipierten die beiden große Chanel-Veranstaltungen, reisten zu Festspielen und Kunstmessen, besichtigten Immobilien, lernten illustre Persönlichkeiten kennen – und einander. Schließlich kannte sie über ihre Hamburger Familie, die Familie Lagerfeld. Neben der Mode gab es so auch viele andere Anknüpfungspunkte. Man korrespondierte per handschriftlicher Briefe und Blumengrüße, siezte sich, und die Beziehung war durch diese spezielle hanseatische Nähe, die nie distanzlos kumpelhaft war, geprägt.

Man kann sich viele Gedanken über Mode machen, sie sogar als unnütz oder als überkandidelt empfinden. Doch Tatsache ist, Mode erfindet sich immer wieder neu, fasziniert und bewegt stets wieder Frauen. Der Mensch Karl Lagerfeld war nicht nur ein herausragender stilbildender Modemacher. Er ging mit dem wachen Blick eines Flaneurs, der bei allem Interesse stets die freundliche Distanz wahrte, durch die Welt. Wie schafft man es in einem kreativen Beruf über Jahrzehnte in der Champions League erfolgreich dabei zu sein?

Eine interessante Frage, denn Karl Lagerfeld hätte auch ein exzellenter Pokerspieler werden können, denn in seine Karten hat er nie jemand blicken lassen. Selbst Filmdokumentationen, die ihn bei der Arbeit zeigten, haben dieses Geheimnis nicht lüften können. So wissen wir wenig über Karl Lagerfeld Private. Wir kennen nur die interessante Oberfläche, die Karl Lagerfeld für uns virtuos erschaffen und gestaltet hat. Eine Inszenierung wie eine Modenschau mit gekonnter Dramaturgie und gesetzten aufmerksamkeitsstarken Effekten.

Ohne Küchenpsychologie zu betreiben, Karl Lagerfeld konnte sicherlich nur Karl Lagerfeld sein, weil er sich so inszeniert hat. Die Rolle gab ihm den kreativen Spielraum.

„Ich habe fast jedes Buch, das bisher über Lagerfeld erschienen ist, aufmerksam gelesen. Jene Marionette, die er von sich selbst für die Öffentlichkeit erschaffen hatte, und die er selbst virtuos zu bespielen wusste funktioniert auch vier Jahre nach seinem Tod wunderbar. Er hätte sicher seine große Freude daran – und doch finde ich es erstaunlich, dass man bis zum heutigen Tage in den zahlreichen Publikationen relativ wenig über die private, persönliche Seite dieses wunderbaren Menschen erfährt.“

Marietta Andrea über ihr Buch ‘Mein Geheimrat Lagerfeld’

In „Mein Geheimrat Lagerfeld“ – wie er sich in einer Widmung für Marietta Andreae bezeichnete – kommt die Hamburgerin der Persönlichkeit des großen Modeschöpfers näher, als es irgendeine Biografie je leisten könnte.

Rudolph Mooshammer mit  Mutter in einem Salzburger Nobelrestaurant. Skizze von Karl Lagerfeld
Skizze von Karl Lagerfeld sie zeigt Rudolph Mooshammer mit seiner Mutter im Salzburger Gourmetrestaurant Goldener Hirsch 1991. Er kannte beide nicht, hielt sie aber für wunderbar grotesk. Sie haben nie von dieser Karikatur erfahren (c) Aus dem Fundus von Marietta Andreae

Gekonnt schildert sie private Momente die beide miteinander verbinden. Sie beleuchtet das Wesen des Jahrhundertmenschen mit jenen sprachlichen Mitteln, die ihm selbst am vertrautesten waren, und ihn letztendlich ausmachten: der Anekdote, dem Bonmot und der launigen Erzählung. Das liest sich im besten Sinn des Wortes wie eine charmante stilvolle Salonplaudererei. In unserer von Scheinempörung und Skandalisierung geprägten Social Media Welt ist das eine sehr angenehme Ausnahme. Die zahlreichen Fotos von und mit Karl Lagerfeld, Skizzen, Zeitungsausschnitte und Faksimile von Briefen, beleben das Buch und gestatten einen Einblick in das funkelnde Universum des Karl Lagerfeld, der sich regelmäßig neu erfunden hat. Viel Spaß bereiten die Anekdoten und passenden Zeichungen. Wer die Marke Chanel liebt, die Verbindung von Mode und Zeitgeist mag, einen Blick in unsere jüngstes Gesellschaftsleben und Kulturgeschichte werfen mag, dem wird dieses Buch ganz sicher Lesevergnügen bereiten.

Mein Geheimrat Lagerfeld – My Privy Councillor Lagerfeld‘, das neue Buch von Karl Lagerfelds langjähriger Vertrauten Marietta Andreae ist im Hamburger Felix Jud Verlag erschienen (ISBN 978-3-9813318-6-8) und im ausgesuchten Buchhandel Deutschlands, Österreichs und der Schweiz sowie bei Amazon für 38 Euro erhältlich.