Barlach Halle K – Dieser Körper, der nicht aufhört – elf Arbeiten von Lois Anvidalfarei
Der Südtiroler Lois Anvidalfarei gilt als einer der bedeutendsten figurativen Bildhauer der Gegenwart in Mitteleuropa. Er ist besessen von Sprache des Körpers, die er kraftvoll und selbstbewusst ausdrückt. Erstmals werden in der Barlach Halle K Arbeiten unter dem Motto: „Dieser Körper, der nicht aufhört“ in Hamburg in einer Einzelausstellung gezeigt.
Für den Bildhauer schließt sich in Hamburg ein Kreis. Waren es doch Werke von Ernst Barlach, die den Bildhauer in einer Phase als es einmal nicht so gut lief, nachhaltig inspiriert und ihm geholfen haben.
Preview Diner & Vernissage
Am letzten Donnerstag lud die ZOTT artspace zu einem Preview Diner ein und am Freitagabend (22. Juni) schloss sich die Vernissage an. Die Barlach Halle K in ihrer schlichten Industriearchitektur mit ihren hohen Decken und dem ständig wechselnden Licht, das durch die großen Fenster in den Raum fällt und Gegenstände mit vielfältigen Lichtreflexen zum Leben erweckt, ist ein idealer Ausstellungsort für die Anvidalfreis schwere Bronzefiguren.
Die Ausstellung
Im Eingang der Galerie warten gleich zwei Blickfänge auf den Besucher. Zu einem war es ein Gipsmodell, das durch rote Flecken, eine ganz eigene Spannung und Faszination erhielt. Doch sie sind nicht das Ergebnis einer künstlerischen Arbeit, sie rühren vom dem des eisernen Stützkorsett her.
Dahinter schließt sich die Männerskulptur „Fallender im Gerüst“ an. Ein Mann wird in einem Gestell aus Eisenrohr gefangen oder gehalten? Diese Arbeit ist ein Ausschnitt aus einer größeren Skulptur, die bei Christian Zott in seiner Heimat Unterammergau in einem Waldhain steht. Eine faszinierende, aber ebenso verstörende Stimmung ruft sie beim Betrachter hervor. Eine begleitende Videoinstallation dokumentiert zusätzlich das Kunstwerk im Wald.
Bis zu einem Zentner schwer sind die Skulpturen von Lois Anvidalfarei. Auf den ersten Blick wirken sie sehr realitätstreu. Doch der zweite Blick zeigt die künstlerischen Brüche. Überstreckten oder gekrümmte Körpern, im Detail überproportional große einzelne Gliedmaßen und abstrakte Veränderungen.
Lois Anvidalfarei Arbeiten sind keine Zufallsprodukte. Die Familie, Nachbarn oder Freunde sitzen geduldig in Pose. Anvidalfarei skizziert sie mit Bleistift auf Papier, formt und verformt ihre Körper in Gips, bevor sie in Bronze gegossen werden. Nun, das Modell für das Ohr des Großen Liegenden war beim Preview Dinner ebenfalls anwesend. Aber, die DGSVO verbietet uns die Namensnennung.
Im Gespräch gab uns der Künstler einen ungewohnten Tipp: Man solle die Skulpturen berühren, denn „nur mit den Händen sieht man gut“.
Seine Figuren sind durch eine kraftvolle Dynamik geprägt. Sie drücken intensive Gefühle und Verletzlichkeit aus. Realistisch auf den ersten Blick, doch dann spannungsreich durch eine unterschwellige subtile Abstraktion gebrochen. Keine Schrunde in einer Skulptur ist zufällig oder das Ergebnis eines schlechten Gusses. Hände und Füsse seltsam überdimensioniert, doch im Kontext der Arbeit glaubwürdig und passend.
Präsentiert wird Lois Anvidalfarei von ZOTT artspace, einer internationalen Kommunikations- und Ausstellungsplattform für Künstler und Kunstfreunde mit dem Anspruch, einen erlebnisorientierten Zugang zu zeitgenössischer Kunst zu bieten.
Über Lois Anvidalfarei
Lois Anvidalfarei wurde 1962 in Abtei in Südtirol geboren. Das waren unruhige spannungsreiche Zeiten, der Tiroler Widerstand gegen die Zentralregierung in Italien schreckte nicht vor Gewalt zurück und der Minderheitenstatus der Südtiroler war noch nicht anerkannt. Diese Auseinandersetzung reichten bis in fast jedes Bergtal oder hinauf die Almen, den sie betrafen jeden Südtiroler.
Bereits mit 14 Jahren besuchte Lois die Staatliche Kunstschule in St. Ulrich im nahegelegenen Grödnertal. Dort wird besonders die figürliche Holzschnitzkunst, die im Alpenraum eine lange Tradition hat, gepflegt. Mit 21 Jahren startete Lois sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Joannis Avramidis. Hier erfuhr er eine entscheidende stilistische Prägung und erfuhr die Grundprägung für seine Werke.
Anvidalfareis Arbeiten finden in zahlreichen privaten und öffentlichen Sammlungen. Im Jahr 2011 stellte er im Italienischen Pavillon der 54. Biennale in Venedig aus. Heute lebt und arbeitet der Künstler auf dem Bauernhof seiner Eltern, den er auch bewirtschaftet.
Die sehr sehenswerte Ausstellung ist noch bis zum 7. Juli 2018 in der Barlach Halle K am Klosterwall 13 zu sehen.