Mystisches unter der Elbe & mehr

Claudia Tejeda mit Fernando BrunIm Herbst 2018 hatte Claudia Tejeda eine Solo-Show mit dem Titel „Argentina – Una memoria“ in Hamburg-Grindel. Zur Ausstellungseröffnung kam auch der damalige Generalkonsul von Argentinien in Hamburg, Fernando Brun (jetzt Botschafter in Berlin), persönlich vorbei und hielt eine Laudatio auf die Künstlerin. Foto: Cetin Yaman

Die Künstlerin Claudia Tejeda kombiniert brillant Surrealismus mit Digital Art.

Claudia Tejeda ist eine deutsch-argentinische Künstlerin und Fotografin. Ihre Kunst ist inspiriert durch die indigenen Wurzeln ihres argentinischen Vaters, schon von frühester Kindheit an beschäftigte sie sich mit der Kunst und Kultur dieses Volkes und interpretiert diese in ihren Werken neu. Ihre surrealen Bildwelten, bestehend aus bizarren Gestalten, werden umgeben von explosiven Farbwirbeln. Nicht zuletzt wurde ihre Kunst auch geprägt durch ihre Vorliebe zur elektronischen Musik und ihre früheren Erfahrungen im Hamburger Nachtleben. Claudia bezeichnet sich als eine „Multichannel-Künstlerin“ und kreiert Fusionen aus Ethno-Malereien und Street Photography, aufgenommen auf ihren Reisen nach New York, Amsterdam und Buenos Aires. Sie schafft somit eine moderne, urbane Großstadtmystik. Viele ihrer Ausstellungen hat sie selbst kuratiert und an diversen internationalen Gruppen- und Einzelausstellungen teilgenommen, auch im Ausland, darunter in Miami/Florida und Barcelona. Mitte März nimmt sie nach einer kurzen Pause wieder an einem Art Event in Hamburg teil. Grund genug für uns, einen Talk mit der kreativen Hansestädterin zu führen.

Die Künstlerin Claudia Tejeda mit Bild
Künstlerin Claudia Tejeda vor einem ihrer eindrucksvollen Werke. Foto: Cetin Yaman

Hallo Claudia, lass uns doch mal ganz von vorne anfangen. Wann hast du losgelegt damit, Kunst zu machen?

Ach, das war schon sehr früh. Schon als kleines Kind mit 2-3 Jahren habe ich begonnen zu malen und zu basteln. Ich erinnere mich, dass ich mit meinem Bruder damals Zeitschriften zerschnitten habe und wir daraus Collagen bastelten. Zum Beispiel große Schuhe, auf denen wir Köpfe klebten, schon damals war ich anscheinend der surrealen Kunst zugetan, ohne natürlich zu wissen, was diese Kunstform überhaupt ist. In der Schule, wenn ich mich langweilte, liebte ich es auf den Tischen und in meinen Schulbüchern und Heften zu malen. Das mache ich heute noch ab und zu auf Elternabenden, die Gewohnheit ist wohl an mir haften geblieben. Meine Mutter hat fast alle meiner Bilder und Zeichnungen aufgehoben, so kann ich jetzt ganz gut die Entwicklung sehen. Und ebenso habe ich bereits mit fünf Jahren auch schon sehr leidenschaftlich mit der analogen Kamera meiner Mutter fotografiert.

Die Hamburger Malerin  Claudia Tejeda
Ein von Claudia Tejeda gemaltes Porträt ihres Vaters Victor Tejeda. Foto: Cetin Yaman

Gibt es jemanden in deiner Familie, von dem du möglicherweise dieses kreative Talent geerbt hast?

Sicherlich von beiden Elternteilen, meine Mutter ist künstlerisch sehr begabt, auch wenn sie sich am Ende für einen anderen beruflichen Weg entschieden hat. Sie hat in jungen Jahren sehr viel an Bildern und Plastiken kreiert. Mein Vater kann auch gut malen, ihn hat es aber in die musikalische Richtung verschlagen. Es war ihm sehr wichtig, dass wir alle ein Instrument lernen, er war viele Jahrzehnte als Musiker aktiv. Und mein Ur-Opa war Maler, insofern wurde es uns wohl schon irgendwie in die Wiege gelegt.

Wie definierst du dich als Künstlerin?

Ich weiß nicht, ob es da eine Definition gibt, der Beruf ist nicht geschützt, auch habe ich keine offizielle, abgeschlossene Kunstausbildung. Ich denke, jeder darf und sollte sich Künstler nennen, der Dinge kreiert oder sich als Künstler fühlt. Für mich ist auch Fotografie eine Kunst, ein Auge für die besonderen Dinge zu haben ist etwas Schönes. Auf eine Art habe ich mich schon immer anders gefühlt, nicht besonders im Sinne von besser, sondern ein wenig schräg, ich passte nie in irgendeine Schublade oder in eine bestimmte Gruppierung. Für mich ist das Thema Freiheit sehr wichtig und selbstbestimmt leben zu dürfen. Ich habe schon in so vielen Bereichen gearbeitet: als Postbotin, in Fabriken, als Pflegehelferin, in der Gastro, als Nanny… das hat mich geprägt und mich auch in der Kunst weitergebracht.

Die Hamburger Malerin  Claudia Tejeda mit Taco
Auch in der Musikszene werden die Kunstwerke von Claudia Tejeda gefeiert. Hier zeigt Pop-Star Taco wie sehr er von diesem Bild begeistert ist (Aufnahme auf der Gruppenausstellung „Summer of Art“ 2017 im Levantehaus in der Hamburger City erstellt) Foto: Thomas Meyer (hfr)

Mit deiner Herkunft gehst du offensiv und positiv um. Auf deinen Kunstwerken tauchen immer wieder Motive aus Argentinien auf. Magst du uns etwas über deine Wurzeln erzählen?

Mein Vater kommt ursprünglich aus Argentinien. Er ist geboren in der Provinz San Juan, aufgrund eines schweren Erdbebens musste meine Familie in den 1940er Jahren nach Buenos Aires übersiedeln. Sie hatten in San Juan ein großes Grundstück mit Pferden, Hühnern und Feldern und haben dort sehr gut gelebt. Während eines großen Erdbebens wäre mein Vater fast gestorben, er war noch ein Baby damals und in letzter Sekunde hat seine Oma ihn aus dem Haus geholt, was dann vollständig eingestürzt ist. Jeder mit nur zwei Taschen in der Hand kamen sie in Buenos Aires an, sie mussten sich alles neu aufbauen und von Null anfangen. Sie waren mit einem Schlag sehr arm, aber sie haben es innerhalb Jahrzehnten mit viel Kampf geschafft und heute leben sie sehr gut. Die Geschichte meiner Familie in Argentinien ist von vielen Schicksalen geprägt worden, das ist eine davon. Meine Oma, also in diesem Fall die Mutter meines Vaters, war immer eine sehr wichtige und prägende Frau in meinem Leben. Auch wenn ich ihr aufgrund der Entfernung nicht oft begegnet bin, hatte ich eine ganz besondere Bindung zu ihr. Darum war auch Ihr Tod der hauptsächliche Grund, warum ich mich vor über drei Jahren in der Kunst zurückgezogen hatte. Mir fehlte einfach die Inspiration.

Bild von der Hamburger Malerin  Claudia Tejeda
Buenos Aires: Suenos Urbanos. Foto: Claudia Tejeda

Spiegeln diese Wurzeln auch eine relevante Rolle in deiner Kunst? Wenn ja, wie äußert sich das?

Meine Wurzeln spielen in meiner Kunst eine sehr ausschlaggebende Rolle. Mein Vater ist Mischling, hat aber auch indianische Wurzeln, die somit auch in mich übergegangen sind. Ich habe mich durch Bücher und die Erzählungen meines Vater viel mit der Kultur der Indianer verfasst und finde die Kunst des Volkes sehr spannend. Sie haben keine Grenze gezogen zwischen Traum und Wirklichkeit und ich denke, das kann man auch in meiner Kunst erkennen. Mystische Figuren findet man auch in meinen Kunstwerken, der ein oder andere empfindet sie vielleicht als unheimlich, aber für mich ist es als Zeichen meiner Wurzeln, die mir sehr wichtig sind.

Kannst du unsere Leser darüber aufklären, welche Erfahrungen deines Lebens sich in deinen Kunstwerken widerspiegeln?

Mit Sicherheit gibt es viele Erfahrungen in meinem Leben, die sich auch in meiner Kunst wiederfinden. Auf vielen Bildern könnte ich aber gar nicht erklären, welche das konkret sind. Es hat, wie schon erwähnt, viel mit meinen Wurzeln zu tun, dass ich mystische, geisterhafte Figuren male, die zwischen Traum und Wirklichkeit schweben. Und wahrscheinlich ist es auch der kulturelle Mix: dadurch, dass wir Kinder mit einer deutschen Mutter und einem argentinischen Vater aufgewachsen sind, ging es teilweise ziemlich turbulent in unserem Elternhaus zu. Bei uns gab es nie Ruhe und Stillstand, bei uns war immer viel los. Meine Eltern haben uns schon als kleine Kinder auf südamerikanische Fiestas mitgenommen und wir sind eher anti-autoritär aufgewachsen. Mein Vater hat in den 80ern als Musiker in Lokalen auf der Reeperbahn gespielt und er hat mich und meinen Bruder öfter mitgenommen. Ich bin meinen Eltern dankbar für diese Erfahrung, es war so toll für mich das Treiben auf dem Kiez mit anzuschauen und etwas anderes zu erleben als andere Kinder in meinem Alter. Als junge Erwachsene blieb ich den Partys treu und fotografiere auch mittlerweile seit 15 Jahren auf Events. Das hat mich definitiv auch in der Kunst geprägt und umgekehrt, ich lasse mich in der Fotografie von der Kunst inspirieren. Es gibt natürlich auch andere Erfahrungen, die sich in meiner Kunst widerspiegeln: Liebe, Schmerz, Verlust, Hoffnung oder Angst. Das, was das Leben eben ausmacht.

Bild von der Hamburger Malerin Claudia Tejeda
Bild von der Hamburger Malerin Claudia Tejeda Foto: Claudia Tejeda

Heutzutage gibt es eine Menge Gemälde und sehr viele Künstler/-innen auf dem Markt. Wie unterscheiden sich deine Kunstwerke vom Rest? Was macht deine Arbeit deiner Meinung nach einzigartig?

Ich weiß nicht, ob ich mich als wirklich einzigartig bezeichnen kann, jeder ist auf seine Art und Weise individuell. Es gibt oft Parallelen der Werke zu vielen Künstlern, manchmal stört es mich zum Beispiel an der Pop Art, dass es so viele Nachahmer gibt, die das zig-tausendste Marilyn Monroe-Porträt auf die gleiche Art und Weise malen, die man schon zu oft gesehen hat. Ich glaube aber auch, niemand – auch ich nicht- kann sich völlig freisprechen von Kommerz und Verkäufen, die den Geldbeutel füllen und auch Likes über Social Media, die das Ego umschmeicheln. Ich habe auch Künstler, die mich inspirieren, wie Picasso und Frida Kahlo, insofern fließt ein Teil deren Schaffenskraft und Kreativität auch in meine Bilder ein. Trotzdem steckt immer noch ein großer Teil von mir in meinen Bildern. Ich würde sagen, das Träumerische, Lebendige, Surreale, von Ethno angehauchte mit sehr viel Seele, Liebe und Schmerz, das bin ich. Meine Bilder sind verspielt mit vielen Details, manchmal unheimlich, dann wieder lieblich und zart. Seit einigen Jahren lasse ich mich von der Kunstform Steampunk inspirieren, aber ich lasse ich dazu auch meine surreale Ader mit einfließen, das macht es wieder zu einem „echten Tejeda“.

Bilder von der Hamburger Malerin  Claudia Tejeda
Hamburg: Stromabwärts II. Foto: Claudia Tejeda

Was ist dein Ziel als Künstlerin?

Mein Ziel ist es Menschen zu bewegen, zu erfreuen, aufzurütteln, neue Welten aufzuzeigen, Grenzen zu sprengen. Gesellschaftskritisch ohne plakativ zu sein und auch mich, meine Gefühle und Gedanken, zu zeigen. Ich denke, jedem Künstler ist es wichtig, seine Seele darzulegen. Es geht mir darum, das Leben zu zeigen, das schön ist, aber auch verletzend sein kann, sich aber nicht davor zu fürchten, Hoffnung zu geben. ‚Denke, das umfasst meine Intention.

Deine Begeisterung an der Erschaffung strahlt aus deinen Bildern. Was treibt dich im kreativen Prozess voran?

Definitiv das Leben. Wenn ich male, strömt es aus mir heraus. Ich finde es wunderschön, kreativ zu sein. Aber dann gibt es auch Phasen, in denen ich mich lieber mit anderen Dingen beschäftige. Ich kann auch anders kreativ sein und spiele zum Beispiel lieber Gitarre. Oder ich fotografiere. Was mich inspiriert, ist, wenn ich auf Ausstellungen gehe, andere Werke sehen, das beeinflusst meinen kreativen Prozess auf positive Art und Weise. Wenn ich nur zu Hause sitze, dann wirkt es blockierend, ich muss was erleben, ausgehen, reisen oder mich sportlich betätigen. Dann bin ich energetisch aufgeladen und kann das auf meine Bilder übertragen.

Das Leuchten der Farben verleiht deinen Bildern ein Gefühl von Fröhlichkeit. Ist deine Persönlichkeit auch so?

Nein, ich bin nicht nur fröhlich. Würde sagen, ich habe sehr viele Facetten in mir. Und wenn ich fühle, dann sehr intensiv. Egal, ob ich glücklich, wütend oder traurig bin. Ich empfinde sehr starke Gefühle in jeder Richtung und das macht wohl auch meine Bilder allumfassend sehr explosiv.

Bilder von der Hamburger Malerin Claudia Tejeda
Die argentinische Hauptstadt Buenos Aires ist auf diesem Bild mit dem Titel „La vida y el muerte“ zu sehen. Foto: Claudia Tejeda

Welche Bedeutung haben die „Charaktere“ (können auch mystische Figuren, müssen nicht Menschen sein) in deinen Bildern für dich?

Ein Beispiel fällt mir ein: In dem Bild „Back to Black“ ist eine Figur zu sehen, die mich darstellen soll. Das Bild ist sehr persönlich und spiegelt einen Teil meiner Lebensgeschichte wieder. Über mehrere Jahre litt ich unter starken Gallenkoliken, die mich ganz schön umgehauen haben. Irgendwann wurde ich dann operiert und mir wurde die Galle samt Steinen entnommen. Seitdem bin ich zum Glück schmerzfrei. Die Figur zeigt mich, wie ich versuche, in dieser Zeit Hoffnung zu schöpfen und diese quälenden Schmerzen zu ertragen. Ein Teil von mir ist voller Kraft und Stärke und eine Seite ist wie gelähmt vor Schmerz. Im unteren Teil des Bildes sind auch angedeutete Steine zu sehen. Und ich habe auch eine Krone wie eine Königin auf, da ich es geschafft habe, nicht aufzugeben und trotzdem mein Leben zu leben.

Gibt es auch Charaktere in deinen Werken, die immer wieder auftauchen? Welche sind das und warum kommen sie immer wieder vor?

Oft male ich Köpfe, die in der Mitte mit dunkler und heller Farbe unterteilt sind. Das geschieht unbewusst und diese Köpfe tauchen in vielen meiner Bilder auf. Habe lange darüber nachgedacht, warum sie mir in meiner Kunst so viel bedeuten. Ich glaube, das kommt daher, dass ich im Leben so vieles wahrnehme, mit sehr viel Liebe, aber auch Schmerz und Verlust.

Man kann in deinen Bildern, die von den Farben sehr viel Positives und Fröhlichkeit ausstrahlen, aber auch einiges an Gesellschaftskritik ablesen. So findet man auch einige kritische Anmerkungen in Textform auf deinen Kunstwerken. Ist diese analytische Sicht auf das moderne Leben ein wichtiger Bestandteil deiner Auffassung von Kunst, speziell von deiner Kunst?

Ich würde nicht sagen, dass es ein hauptsächlicher Bestandteil ist, aber ein wichtiger Aspekt schon. Ich finde schon, dass man in der Kunst politisch sein darf und dass Kunst und Politik zusammengehören. Wie man das letztendlich interpretiert, soll jedem selbst überlassen werden. Ich verdamme Rassismus und Diskriminierung jeder Art. In einem Bild habe ich meinen Vater dargestellt; er hatte sich in jungen Jahren, als er schon hier in Deutschland gelebt hat, mit einer Untergrundbewegung gegen die damalige argentinische Diktatur aufgelehnt gehabt. Am Ende war es für ihn mit sehr viel Tragik und Zwiespalt verbunden, denn er war nicht mit allem einverstanden, was die Organisation getan hat. Es war eine schwierige Zeit in seinem Leben, die natürlich auch uns Kinder geprägt hat. Er hatte ebenso Angst um sein Leben, berechtigte Angst getötet zu werden.

Bilder von der Hamburger Malerin Claudia Tejeda
Hamburg: Der Obstruierer. Foto: Claudia Tejeda

Lateinamerika ist ja ein Kontinent, der immer wieder unter politischen Turbulenzen leidet. Nun ist in Argentinien mit Javier Milei jemand an der Macht, der als „Super-Trump“ tituliert wird und er hat als eine seiner ersten Maßnahmen das argentinische Kulturministerium abgeschafft. Du bist zwar in Hamburg geboren, aber fühlst dich dem Geburtsort deiner Eltern nach wie vor verbunden. Wie stark interessierst du dich noch dafür, was in Buenos Aires und dem restlichen Land vor sich geht? Fühlst du dich von dem politischen Auf und Ab in Argentinien auch betroffen?

Ganz klar fühle ich mich betroffen, ich fühle mich sehr verbunden mit Argentinien. Ich muss gestehen, dass ich, was die Politik dort betrifft, nicht immer topp informiert bin, aber im Groben natürlich schon, durch Nachrichten und meinem Vater. Zum Glück geht es meiner Familie in Argentinien gut, aber ich verschließe nicht die Augen davor, dass es der Wirtschaft nicht gut geht und sehr viel Armut herrscht. Ob es nun Fußball ist oder die Politik, ich bin immer mit dem Herzen dabei. Es ist eine Schande, dass das Kulturministerium abgeschafft wurde und ich habe Sorge vor dem, was noch kommen könnte.

Zurück zur Kunst: sag uns bitte doch mal etwas von den Farben auf deiner Palette und vor allem, an was du gerade experimentierst.

Momentan übermale ich einige Digital Art Bilder und ich bin sehr froh, dass ich nach dieser langen Schaffenspause endlich wieder kreativ bin. Auf eine Art und Weise ist der Spirit wieder voll da und es hört sich komisch, an, aber ich habe das Gefühl, dass sich ein Knoten in mir befreit hat und ich noch losgelöster malen kann als früher. Ich kombiniere Malerei mit Collagen, die zum Teil aus Steampunk-Accessoires bestehen. Ich kaufe aus anderen Ländern kleine, antike Uhrwerke und Zahlenräder und integriere sie in meinen Bildern. Das gibt dem ganzen eine dreidimensionale Note.

Kannst du uns bitte über den Herstellungsprozess deiner Kunstwerke aufklären? Was geschieht wann, in welcher Reihenfolge läuft alles ab?

Viele meiner Bilder bestehen aus einem Mix aus Fotografie und Malerei. Das läuft folgendermaßen ab: Ich male ein Bild und digitalisiere es, in dem ich es abfotografiere. Dann nehme ich ein Foto, das ich geschossen habe, meistens handelt es sich um Street Photography, das ich auf unseren Reisen oder in Hamburg aufgenommen habe. Aus diesen beiden Bildern und vielleicht noch aus ein bis zwei anderen Bildern, die Detailaufnahmen enthalten, kreiere ich ein Digital Art.
Das heißt, ich verschmelze sie miteinander, mache eine Fusion daraus. Das Ganze vollziehe ich über Photoshop und Lightroom, mit diesen beiden Programmen arbeite ich stets. Daraus entsteht eine Kunstfotografie, ein Digital Art. Das lasse ich dann auf unterschiedliche Materialien produzieren, wie auf Leinwand, Acrylglas oder Alu-Dibond. Für manche Ausstellungen lasse ich frühere Bilder zu Unikaten werden, indem ich die Digital Art- Werke übermale und somit ein neues Bild erschaffe. Es gibt aber auch ganz andere Herstellungsprozesse, ich male auch klassisch auf Leinwand oder ich übertrage meine Bilder auf kleine Holzplatten via Transferdruck und veredle sie mit illustrativen Elementen und Collagen.

Der Kunstverkauf ist ja in den vergangenen Jahren – bedingt durch die Pandemie und andere Krisen – zusehends schwieriger geworden. Vor allem reicht es für die Künstler nicht mehr, nur noch im lokalen Markt zu agieren. Theoretisch können nun Interessierte weltweit deine Bilder online sehen und kaufen. Aber wie ist das in der Praxis auch so? Hast du Interessenten und Käufer weltweit, oder bleibt das wesentliche Geschehen in der Hinsicht doch da, wo man als Künstler selbst lokalisiert ist?

Abgesehen von kleineren Werken habe ich selten ein größeres Gemälde online verkauft. Vielleicht mal über eine Galerie, aber ich finde, dass das nicht so einfach ist. Es gibt mit Sicherheit Künstler, die online bessere Erfahrungen machen höherpreisige Werke zu verkaufen, aber ich gehöre nicht dazu. Dazu muss ich sagen, dass ich auf den gängigen Plattformen, auf denen man Kunst online verkaufen kann auch nicht registriert oder schon länger inaktiv bin. Momentan liegt meine Motivation eher darin, dass potentielle Käufer meine Werke live sehen.

Ein aktuelles/zukünftiges Projekt von dir, das dir besonders am Herzen liegt?

Ich möchte gerne mit den Mitgliedern unserer EWIG- Gruppe, Ekkehart Opitz vom Erotik Art Museum und mit dem Künstler Larry Möller, eine Ausstellung organisieren. Unser lieber Freund und Gründungsmitglied, Klaus Barkowsky, ist letztes Jahr verstorben und es lag ihm sehr am Herzen, dass die Gruppe für immer bestehen bleibt und stets wächst mit neuen Künstlern und Projekten, darum der Name „EWIG“.

Was sagt deine Familie zu dem, was du in Sachen Kunst so fabrizierst?

Von meiner Mutter erhalte ich sehr viel Zuspruch, ich schicke ihr immer Details von den Bildern im Schaffensprozess über WhatsApp und sie findet es toll, dass ich künstlerisch aktiv bin. Allerdings findet sie einige Werke auch etwas unheimlich und düster. Sie mag lieber die bunteren Bilder, die mehr Fröhlichkeit ausstrahlen. Ich habe mal vor über 10 Jahren für einen Kinderverlag illustriert, die Bilder mochte sie sehr gerne. Mein Vater hat sich eher selten geäußert, aber einige Bilder fand auch er schon sehr gut. Das hat er aber nicht mir erzählt, sondern meiner Familie oder Freunden, das ist mir dann zufällig zu Ohren gekommen. Meine Mutter sagte öfter in der Vergangenheit, dass es schwierig sei in der Kunst Fuß zu fassen, aber mittlerweile hat sie gemerkt, dass ich im Büro nicht gut aufgehoben wäre und akzeptiert es.

Wie viel Prozent deiner Zeit widmest du der Kunst?

Das ist unterschiedlich, momentan liegt mein Fokus sehr auf der Kunst, ich nutze jede freie Minute, um zu Malen. Nächtelang male ich, was schon sehr lange nicht mehr der Fall war. Ich versuche alles zu vereinbaren, die Fotografie ist mein derzeitiger Hauptjob, aber ich möchte es schaffen, dass die Kunst irgendwann wieder ebenbürtig ist und ich wieder mehr Ausstellungen habe und kreativ sein kann. Das ist gar nicht so einfach, denn neben meinen Hobbys wie Boxen und Gitarre ist natürlich meine Familie meine Priorität in meinem Leben, die mir am meisten am Herzen liegt. Zudem absolviere ich momentan auch noch eine Online-Zusatzausbildung, die über mehrere Jahre geht.

Verfügst du über eine formale Kunstausbildung? Oder bist du da rein autodidaktisch vorgegangen?

Von 2005 bis 2008 habe ich eine Ausbildung an der Schule für Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Illustration auf der Bildkunst Akademie in Hamburg gemacht. Allerdings nur bis zum 5. Semester und im Nachhinein, wenn ich das so sagen darf, habe ich auch eher mit Abwesenheit geglänzt. Wir hatten gute Dozenten, durch die ich gerade im illustrativen Bereich einiges gelernt habe. Ich habe aber schnell gemerkt, dass die freie Malerei mir eher lag, ich hätte niemals in einer Werbeagentur oder dergleichen arbeiten können. Und 8.30 Uhr morgens war auch nicht die Zeit, in der ich kreativ sein konnte und wollte, das war sehr hinderlich.
Außerdem war ich damals jung und bin gerne ausgegangen. Es hat alles nicht so ganz gepasst, aber trotz alldem war es gut, dass ich es probiert hatte. In die Fotografie bin ich durch meinen Bruder hineingewachsen, der in der Event-Branche tätig ist und Fotografen für die Clubs vermittelt. Er hat mich erstmals angelernt. Ich hatte aber in der Vergangenheit auch diverse Workshops und Seminare gebucht, um besser zu werden und habe mich von einem Freund, Gunnar Bultmann, der seit vielen Jahrzehnten Profi ist, schulen lassen.
Für die Bildbearbeitung habe ich drei Jahre bei einem Photoshop-Dozenten Unterricht genommen, der hat mir in der Digital Art enorm geholfen und weitergebracht. Mein Ziel und Bestreben ist es, mich stets weiterzuentwickeln, ich werde niemals an einen Punkt ankommen, an dem ich sagen kann, jetzt bin ich richtig gut, also nahezu perfekt. Es gibt noch viele Bereiche in der Kunst und Fotografie, in denen ich mich weiterbilden möchte. Stillstand wäre ein absolutes No-No für mich und auch langweilig.

Bist du immer grundsätzlich mit einem fertigen Stück zufrieden?

Ich bin selten zufrieden, selbst auf Ausstellungen erwische ich mich, dass ich vor einem Bild stehe und überlege „hätte ich dies oder das mal besser oder anders gemacht.“ Das kann auch sehr anstrengend sein, denn irgendwann muss man ja auch zu einem Schluss kommen. Meist ist es dann irgendeine Deadline; ich habe auch Bilder, die ich schon viele Jahre habe und die ich dann irgendwann übermale. Es gibt aber auch Werke, mit denen ich erst zufrieden bin und nach mehreren Jahren passt mir einiges nicht mehr so. Vielleicht auch, da ich mich weiterentwickle und einiges meiner Intentionen nicht mehr nachvollziehen kann. Aber es gibt auch Werke von damaligen Zeiten, die mir nach wie vor gut gefallen und die ich auch hinhängen kann, ohne mir den Kopf darüber zu zerbrechen.

Wie hat sich deine Kunst im Laufe der Jahre entwickelt?

Ich würde sagen, abgesehen davon, dass ich mich im Laufe der Jahre im Bereich Digital Art weitergebildet habe und seitdem meine Malereien mit meinen Fotografien verschmelze, hat meine Kunst durchaus an Reife gewonnen. Denn so wie meine Persönlichkeit mit 30 Jahren nun mal war, nicht mehr jugendlich, aber noch jung, bin ich nun mit 43 Jahren ein komplett anderer Typ. Und das spiegelt sich auch in meinen Bildern wieder. Die surrealen Elemente sind nach wie vor vorhanden, das träumerische ebenso, und doch wirkt es klarer und aufgeräumter. Meine Bilder werden immer ein wenig schräg, verrückt und verspielt sein, da ich so auch als Mensch bin. Aber die innerliche Reife durch Erfahrungen und das Leben selbst, überträgt sich auf meine Werke. Außerdem bin ich technisch besser geworden, sowohl im Malerischen, als auch in der Fotografie. Allerdings ist mir aufgefallen, dass ich früher noch mehr Geduld hatte kleine Details zu Malen. Ich hatte mal eine Phase, in der ich gerne chinesische Kunstwerke gemalt habe, es war schon enorm mit welcher Muße ich winzige Ästchen von filigranen Bäumchen mit einer Feder gezeichnet habe. Heute male ich nicht mehr ganz so fein.

Welche Rolle spielt Social Media für dich als Künstlerin?

Ich sehe Social Media gespalten: einerseits ist es eine großartige Plattform, um sich als Künstler zu präsentieren und die Reichweite zu erhöhen. Es wäre falsch sich davor zu verschließen und diese Chance nicht zu nutzen. Über meine Community habe auch schon des Öfteren einige Werke, wenn auch kleinere, verkaufen können. Außerdem haben mir Facebook, Instagram und Co. enorm viel gebracht, um Leute auf meine Ausstellungen neugierig zu machen. Als ich noch nicht so aktiv war auf den diversen Plattformen und vor über zehn Jahren angefangen habe auszustellen, ist vielleicht mein engster Freundeskreis auf meinen Ausstellungen erschienen, mittlerweile kommen bis zu 100 Gäste zu meinen Ausstellungseröffnungen. Menschen, die ich noch nie zuvor gesehen habe und die meine Kunst noch nie live gesehen haben. Die andere Seite ist, dass Social Media auch krank machen kann, es ist wichtig, sich nicht zu sehr davon beeinflussen zu lassen. In erster Linie sollte es wichtig sein, dass einem seine Kunst selbst gefällt, unabhängig wie viel „Gefällt mir“ oder Zuspruch in Kommentaren man bekommt. Es erfreut mich auch enorm, wenn ich gute Resonanz bekomme auf den Plattformen, aber ich male nicht nur aus Hobby, natürlich geht es auch um Verkäufe.

Was hält 2024 für dich bereit?

Ich denke eine Menge. Wir werden unsere Künstlergruppe EWIG wieder aufleben lassen und planen demnächst unsere nächste Ausstellung. Ich habe vor, mich neben der Fotografie wieder mehr auf die Kunst zu konzentrieren, bin voller Motivation und glaube, dass die Kunstwelt noch viel für mich bereithält. Hätte auch Lust wieder mehr im Ausland auszustellen, da ist aber noch nichts konkretes geplant. Habe außerdem schon länger eine Porträt-Serie mit tollen Models im surrealen Stil fotografiert, ich plane diese zu erweitern und großformatig zu präsentieren. Der Rest wird noch nicht verraten.

Welche sind deine Lieblingsorte in Hamburg? Zunächst mal solche, die dich stark als Künstlerin inspirieren?

Ich mag gerne die Elbe und den City-Park Planten un Blomen. Auch wenn ich selten da bin, liebe ich den Stadtpark, der erinnert mich an meine Kindheit. Bin in der Nähe aufgewachsen, in Barmbek. Der Kiez inspiriert mich, die Menschen, die dort leben und arbeiten, die Partys. Da ich dort häufiger in den Clubs zu fotografiere und auch Freunde von mir dort arbeiten, verschlägt es mich regelmäßig dahin. Es ist dort ambivalent wie in meinen Bildern, es ist viel Elend und Leid zu sehen, aber auch Abenteuer, Leben und Fröhlichkeit. Ich mag es auch im Cowboys & Indianer, einem Lokal auf der Reeperbahn, in der Live Musik gespielt wird. Mein Lieblingsmusiker, der dort häufiger auftritt ist Jimmy Cornett. Außerdem gehe ich gerne laufen bei uns in der Hafencity und wenn ich am Wasser entlanglaufe, kommen mir gute Ideen. Meine sonstigen Lieblingsorte sind die beiden Boxclubs, in denen ich trainiere, das Trust Gym in Harburg und das Epeois in der Schanze. Dort kann ich mich auspowern, mein Kopf ist nach dem Training wieder klar und ich bin total beseelt. Das hilft meiner Seele und meinem Geist meine Gedanken zu sortieren und Platz für neues Kreatives zu schaffen.

Und private Lieblingsorte in Hamburg? Wo gehst du am liebsten zum Essen hin? Wo triffst du dich am liebsten mit Freundinnen/Freunden?

Mein absoluter Lieblingsort ist aber unser Zuhause in der HafenCity, mit unseren drei Katzen, meinem Sohn und meinem Mann. Hier habe ich mein kleines Atelier, in das ich mich zurückziehen kann und ich kann hier alles in meinen Bildern rauslassen, was mich im Leben so inspiriert. Ich gehe gerne Tapas essen, es gibt dafür zwei Top Adressen: Das Claudios im Karoviertel und Le Golden Eagle in der Neustadt. Wenn es mal schicker sein soll, gehe ich mit meinem Mann ins Coast. Das ist vom Feinsten, auch von der Aussicht her. Bei uns hat ein tolles Sushi-Restaurant aufgemacht, das Sencha Sushi. Jedes Mal wenn ich dran vorbeilaufe, bekomme ich Hunger. Darum waren wir selbstverständlich auch schon einige Male dort. Ich liebe es allgemein Essen zu gehen, ich bin ein absoluter Genussmensch. Ich gehe auch gerne in die Schanze, ich mag es überall, wo es schön bunt ist.

Du scheinst dich rundum in Hamburg wohlzufühlen und auch als Künstlerin in der Hansestadt bestens aufgehoben zu sein. Dann lassen wir uns mal überraschen was wir in Zukunft noch alles von dir hören und sehen werden. Besten Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg, Claudia!

Über Claudia Tejeda

Claudia Tejeda, 1981 in Hamburg geboren, studierte in der Zeit von 2005 bis 2008 Bildkunst Akademie Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Illustration. Seit 2011 nahm sie an diversen internationalen Gruppenausstellungen teil, präsentierte ihre Werke aber auch schon in Solo-Ausstellungen. War von 2012 bis 2023 Mitglied im GEDOK Kunstverein in Hamburg. In den Jahren 2013 und 2014 war sie als Illustrations-Designerin beim Junior Medien Verlag tätig und gab im selbe Zeitraum Kunstkurse für Schüler an Hamburger Grundschulen. 2016 war Tejeda als Kuratorin einer Ausstellung in New York mit 10 Hamburger Künstlerinnen engagiert. Von 2017 bis 2019 hatte sie eine Kooperation mit dem holländischen Fashion-Label Ekskwizit, die Kunst auf Mode basierend produzieren. Seit 2020 ist sie als Künstlerin Mitglied der Künstlergruppe EWIG und ebenso deren Kuratorin.

von Cetin Yaman