Müsste man unsere aktuelle Situation bezeichnen, denn wäre Zwickmühle ein zutreffender Begriff. Egal welche Lösung man wählt, die Folgen sind unangenehm.
Nicht nur die Managementlehre, auch die Politik träumt von Win-Win-Lösungen. Auf wundersame Weise profitieren alle Teilnehmer oder die Gesellschaft davon. Doch Freibier für alle gibt es nicht und am Ende wird immer eine Rechnung eiskalt serviert. Kunst muss und soll auf die aktuellen Zeitströmungen thematisieren, sie zuspitzen und Widersprüche herausarbeiten. Ansonsten ist sie beliebiges wenig relevantes gefälliges Interiordesign und lockert Wartezimmer von Ärzten oder Rechtsanwälten auf.
DILEMMA ist ein Ausstellungsprojekt zur aktuellen Lage im Jupiter am Hauptbahnhof. Vom 08. bis zum 16. Oktober 2022 bespielen Künstler und Künstlerinnen immerhin auf 1.200 qm das zweite Obergeschoss mit Installationen, Projektionen, Malerei und Skulpturen.
Die Vernissage am Freitag, den 7. Oktober 2022 wird von dem Pianisten und Komponisten Nathan Steinhagen mit Filmmusik zu dem Film “Herr Schulz sticht in See” und der Singer Song-Writerin Eshi begleitet.
DILEMMA
Gesellschaften und politische Akteure glauben immer wieder es gebe Free Lunch-Lösungen und auf wundersame Weise sei vieles kostenlos. Für eine gewisse Zeit funktioniert das sogar und schafft eine trügerische Feelgood-Atmosphäre, die viel Raum für woke Tagträume bietet. Allerdings bauen Free Lunch-Lösungen immer in ein Dilemma auf. Irgendjemand muss die zumeist eiskalt servierte Rechnung bezahlen.
Will man eine Free-Lunch-Lösung auflösen, landet man schnell in einem Dilemma, denn wie in einer Zwickmühle sind die Konsequenzen stehst unangenehm und es gibt klare Verlierer.
Gerade im gesellschaftlich politischen wirtschaftlichen Raum zerreiben uns die aktuellen Zwickmühlen. Es war eine Illusion zu glauben, dass vor allem Nichtentscheidungen (das Zerreden, Aussitzen oder Aufschieben) Probleme lösen oder Prozesse voran bringen. Sei es die total gescheiterte sogenannte Energiewende, die unterlassene Digitalisierung, das Chaos bei der Bahn, der verschleppte Wohnungsbau oder eine überbordende Regulierungswut.
Der Jupiter ist selbst ein Dilemma
Umbrüche haben immer die Eigenschaft disruptiv zu erfolgen und auch so zu wirken. Der Hamburger Jupiter selbst ist ein Ergebnis und Landmarke dieses Umbruches. Das Wachstum des Online Handels hat den klassischen stationären Einzelhandel in eine Existenzkrise gestürzt und jahrzehnlang erfolgreiche Geschäftsmodelle mussten aufgegeben werden.
Dank Fördergeldern vom Senat haben Hamburger Künstler jetzt zwar eine großzügige und zentral gelegene Ausstellungsfläche im bestem Zustand. Auf der anderen Seite haben viele Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz bei Karstadt Sport verloren, müssen sich umorientieren oder Einkommensverluste hinnehmen. Finanziert welche solche Immobilien meist durch Fonds, die der Altersversorgung und der Absicherung von Pensionen dienen.
Wie es mit dem Karstadt Sport Gebäude weitergeht ist ein großes Fragezeichen. Bis Ende 2022 wird das Gebäude von der Hamburger KreativGesellschaft genutzt.
Ausstellende Künstler und Künstlerinnen
Die Hamburger Fotografin Nicole Keller, die bereits einige Bücher über Hamburg veröffentlicht hat, beschäftigt sich dem damals hochmodernen Cityhof (Fertigstellung 1958) der trotz Denkmalschutz abgerissen wurde.
Der Hamburger Maler Martin Bronsema betrachtet in seinem dreiteiligen Werk ‘Malers Traum’ das Dilemma des Künstlers an sich. Ein junger Künstler und ein Greis betrachten den Jetzt-Zustand und beschreiben dabei die vielen Abzweigungen des Lebens und die damit verbundenen Entscheidungsstufen.
Aus Berlin ist Sebastian Neeb nach Hamburg gekommen. Er wirft einen Blick auf die Suche nach der Gunst durch Glanz. In seiner Installation ‘Dilettante Kartoffeln wetteifern um die Gunst des Vaters’ bestehend aus hunderten vergoldeten Fratzen die ihren schwarzen Vater umringen und auf dessen Segen warten, wird das Dilemma um Schönheit und Glanz zu ringen, ironisch auf den Punkt gebracht.
Weitere Künstler und Künstlerinnen sind der aus Russland stammende Maler Alexej Mir. Er stellt markante Bilder, bei denen das Tragen von Gas- und Gesichtsmasken schon seit langem eine große Rolle spielt, aus.
Thomas Tannenberg, zuletzt gemeinsam mit den Bebilderungen Alexander Posch´s Coté Obscure-Heften unterwegs, zeigt seine bösen und teils Comic-haften Werke.
Die aus Wuppertal stammende Nicole Kreischer hält ihre manisch-depressiven Zustände malerisch fest. Das Künstlerinnen-Duo Caroline Büchele und Sophie Bimmermann, erzwingt mit ihrer über zwei Wege begehbaren Installation, beim Besucher schon vor Eintritt ins Kunstwerk eine Entscheidung.
Die DILEMMA Initiatoren
Initiatoren des Projekts sind der Filmemacher und Produzent Frank Müller, gemeinsam mit der Künstlerin und Kuratorin Friederike Schulz. Beide stellen Arbeiten aus, die einen besonderen Bezug zum Thema DILEMMA darstellen.
Frank Müller ist Filmemacher und Produzent (der u.a. in letzterer Rolle 2022 den Deutschen Filmpreis gewann). Als Filmemacher hat er sich in mehreren Kurzfilmen mit diversen Zwickmühlen auseinandergesetzt.
Drei Filmprojekte werden bei DILEMMA in aufwändigen Kulissen inszeniert. In seinem Film „Lapithen und Zentauren“ beschreibt er den Abriss des Hauses am Großen Burstah 28 – dabei wirkt der Greifer des Abrissbaggers wie ein großes Ungeheuer und wird durch Ovids Metamorphosen mythologisch aufgeladen.
Friederike Schulz hat unter ihrem Synonym „Freifrau von Schulz“ bereits mehrere Ausstellungen und Festivals kuratiert und 2011 mit einer Ausstellung über Ihren Großvater ihr erstes eigenes Projekt unter dem Titel „Von einem der auszog konstruktiv zu sein“ auf der MS BLEICHEN im Rahmen des Wahrschau-Festivals präsentiert. In Ihren installativen Arbeiten ist das Thema Dilemma oft präsent. Sie selbst empfindet die Situation als schmerzlich und beschreibt diese Problematik in markanten Objekten. Ihre Installation Frei-Hafen zeigt bildhaft, wie der Wegfall der Freihafengrenze Investorengold freisetzt.
DILEMMA
Wann:
8. – 16. Oktober 2022 täglich 11.00 – 22.00 Uhr, Vernissage am 7. Oktober ab 19.00 Uhr
Wo:
Jupiter, das ehemalige Karstadt Sport Haus im zweiten Obergeschoss
Mönckebergstraße 2-4, Hamburg Altstadt
