Edina Müller (38) ist erfolgreiche Profisportlerin, Diplom-Sporttherapeutin und Mutter eines 2-jährigen Sohnes. Die Wahlhamburgerin wurde durch einen Behandlungsfehler mit 16 Jahren querschnittsgelähmt. Doch sie trotzte ihrer Behinderung und gewann 2012 bei den Paralympischen Spielen mit dem Nationalteam im Rollstuhlbasketball. Seit 2014 kämpft sie im Kanu um Medaillen, wurde Europa- und Weltmeisterin im Parakanu und gewann Silber bei den Paralympics in Rio de Janeiro im Jahre 2016.
Jetzt sind die Paralympics in Tokio ihr Ziel. Aufgrund der Corona-Pandemie sind die Spiele in das Jahr 2021 verlegtworden, was auch den Berufsalltag und die Trainings-Pläne von Edina Müller durcheinanderbrachte. Nach Ende der Elternzeit arbeitet Edina Müller wieder als Sporttherapeutin in Hamburg am BG Klinikum und muss damit einen Spagat zwischen Beruf, Leistungssport und Kind schaffen. Vor allem das Thema Vereinbarkeit von Kind und Karriere im Leistungssport beschäftigt die engagierte Mutter und die Parakanutin will beweisen, dass es machbar ist. Zwei Jahre nach der Geburt ihres Sohnes Liam ist sie auf dem Weg zu ihren vierten Paralympics und wird Anfang September in Tokio um Olympia-Gold kämpfen. Vorher ist sie aber erstmal im Gespräch bei ‚Hamburgs Ganze Frauen‘:
Wie viel Zeit verbringst Du pro Woche „mit Arbeit“/Training?
Ich arbeite als Sporttherapeutin im BG Klinikum in Hamburg und übe zeitgleich meine Tätigkeit als Leistungssportlerin aus. Glücklicherweise unterstützt mein Arbeitgeber mich immens und ich werde für alle Wettkampf- und Trainingsmaßnahmen freigestellt. Vormittags Training, dann zur Arbeit und abends nochmal zum Training.
„Arbeitstabu“ hast Du zu welchen Zeiten?
Am Wochenende habe ich auf jeden Fall einen komplett freien Tag, der nur der Familie gehört.
Wolltest Du schon immer das werden, was Du jetzt bist (also z.B. Profisportlerin)?
Nein, das war ein Prozess. Neue Ziele und Perspektiven haben sich im Laufe der Zeit ergeben, gerade nach meinem Wechsel zum Parakanu.
Bist Du wg. Corona in Deinem Beruf/Training eingeschränkt?
Vereinstraining ist immer noch nur bedingt möglich und zwischendurch konnten wir gar nicht trainieren. Ich habe zwar zum Glück zu Hause einen kleinen Trainingsraum eingerichtet, aber der ersetzt natürlich das spezifische Training auf dem Wasser nicht. Im letzten Jahr sind darüber hinaus für das deutsche Parakanu-Team alle internationalen und nationalen Wettkämpfe kurzfristig abgesagt worden. Also wussten wir nie worauf wir uns eigentlich vorbereiten.
Wie lautet Dein wichtigster Rat an junge Frauen, wenn sie in eine Sportler-Karriere starten?
Auf jeden Fall, ihr Licht nicht unter den Scheffel zu stellen und selbstbewusst nach vorne zu gehen.
Was finden wir in Deiner (Hand-)Tasche?
Ich habe gar keine kleine Handtasche, sondern immer meinen Sportrucksack mit dabei – mit Portemonnaie, Bürste, Wickeltäschchen, Sonnencreme
Erfolg setzt sich aus mehreren Faktoren zusammen. Welchen Rat gibst Du, um dorthin zu kommen, wo man hinwill?
Sich selbst treu bleiben und nur Dinge zu tun von denen man selbst wirklich überzeugt ist. Wichtig ist aber auch ein positives Umfeld zu schaffen in dem man Kraft tanken kann.
Wurdest Du in Deiner Karriere öfter von Frauen oder von Männern gefördert?
Mein größter Förderer ist sicher meine Mutter, die den Grundstein für alles gelegt hat. In meiner späteren Laufbahn bin ich aber mehr von Männern als von Frauen gefördert worden, da Professoren und Trainer zu 95% männlich sind.
Für wie wichtig hältst Du “Networking“? Und warum?
Networking halte ich für sehr wichtig, weil sich immer neue Perspektiven von Zusammenarbeiten und Synergien herausstellen. Das kann fruchtbar für alle sein.
Welche Frauen/Menschen begeistern Dich?
Im Sportbereich denke ich da an Frauen wir Birgit Fischer, die stark durchs Leben gehen und an ihrem Weg festhalten.
„Geld allein macht nicht glücklich“? Wie wichtig ist Wertschätzung für Dich im Berufsleben?
Ich denke, dass Wertschätzung in der heutigen Gesellschaft oft zu kurz kommt, aber eigentlich ein Grundbedürfnis ist. Im Sport holt man sich viel Bestätigung über Erfolg, wenn dieser aber zeitweise ausbleibt braucht man ein wertschätzendes Umfeld, das auch aus Krisen heraus stärkt.
Was ist Dein bisher größter Erfolg?
Ich habe bisher an drei Paralympischen Spielen teilgenommen und von jedem Spiel eine Medaille mit nach Hause gebracht, zwei silberne und eine goldene. Einer der schönsten Erfolge war aber 2019 mein Vizeweltmeistertitel – nur acht Monate nach der Geburt meines Sohnes.
Spielt „Social Media“ in Deinem Leben eine Rolle?
Na klar, Social Media ist aus dem Sportleralltag nicht mehr wegzudenken, und gerade als Randsportart oft die einzige Möglichkeit präsent und sichtbar zu sein.
Wie hat sich die Corona-Pandemie auf Deine Tätigkeit ausgewirkt und was sind die Aussichten?
Training war durch den härteren Winter nur sehr eingeschränkt möglich – wir sind eins der wenigen Teams, die dieses Jahr nicht in ein Warmwassertraining gefahren sind. Da haben wir natürlich ein deutliches Defizit. Des Weiteren ist noch nicht klar, inwieweit Kinder und eine Begleitperson zu den olympischen und Paralympischen Spielen mitgenommen werden dürfen. Für stillende Athletinnen und Sportlerinnen, die ihre Kinder nicht alleine lassen wollen bedeutet das mal wieder die Entscheidung zwischen Kind und Karriere. Das betrifft auch mich – In 2021 eigentliche eine indiskutable Frage. Nach fast anderthalb Jahren Pandemie und vielen offenen Fragen ist auch jetzt vieles nicht geklärt.
Was ist Dein Wunschprojekt/Ziel für 2021/22?
Mein Wunschziel sind erfolgreiche Paralympics die wir als Familie erleben können. Privat haben wir im letzten Jahr ein Haus gekauft, entkernt und sind immer noch im Renovierungsprozess. Da sind noch einige Wunschprojekte offen 😉
#supportyourlocals > Was ist Dein liebster Lieferdienst/Food to go in Corona-Zeiten?
Der lokale Italiener und Grieche sind am Wochenende schon mal auf unserer Liste.
Elbe oder Alster?
Training auf der Dove Elbe, aber entspannen an der Alster 😉
Hamburg im Juni 2021
Edina Müller