Der R4 war ein Millionenseller und die erste Kombilimousine: Einfach eine sehr gelungene Mischung aus Savoir-Vivre und hohem Alltagsnutzen.
Warum konnte man früher einfache, praktische und unkomplizierte Autos bauen mit den man von A nach B fuhr und auch noch wahre Lastesel wie der Renault R4 waren und warum geht das heute nicht mehr?
Vor 60 Jahren trat der eher unscheinbare Renault 4 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung ins Rampenlicht und zeigte was geht, wenn man Mobilität richtig denkt, dann kommt gekonntes Savoir-Vivre auf vier Rädern und pragmatische funktionelle Mobilität als Ergebnis heraus.
Erinnern wir uns, in Deutschland beherrschte damals der VW-Käfer, der noch eine Vorkriegskonstruktion war, die Straßen und führte die Zulassungsstatistik einsam an. In der Wirtschaftswunderzeit waren deutsche Autofahrer nicht wirklich anspruchsvoll: Nur zwei Türen, kein geräumiger Kofferraum dank Heckantrieb, ein lauter Motor und sperriges konnte man nur auf dem Dach transportieren. Das alles mit einer drehzahlabhängigen Heizung, die entweder nicht heizte oder für tropische Temperaturen im Fußraum sorgte. Genaugenommen war der Käfer schon damals eine überholte Konstruktion.
Trendsetter Renault R4
Jenseits des Rheins dachte man anders. Renault hat einen weltweiten Autotrend etabliert und Autos praktisch gemacht. Der Renault R4 ist weltweit die erste Kombi-Limousine mit Frontantrieb, Wasserkühlung, vier Türen, großer Heckklappe, geräumigem Gepäckabteil sowie variablem Innenraum. Dazu kam ein aufwendig konstruiertes komfortables Fahrwerke mit Drehstabfederung und Einzelradaufhängung.
Genaugenommen die Blaupause für ganz viele Marken und Modelle. Eine Kombilimousine hatte der große Autohersteller aus Wolfsburg erst 14 Jahre später mit dem Golf im Programm. Gut Ding will eben Weile haben.
R4 – Das klassenlose Auto
Der R4 wurde schnell zu einem klassenlosen Auto. Wer Prestige und PS fürs eigene Ego brauchte fuhr was anderes. Ob jungen Familien, Handwerker, Lehrer oder Menschen, die rechnen konnten oder mussten, sie alle gehörten zum treuen Stamm der R4-Piloten.
Die Kastenform der Karosserie war praktisch, die Ladefläche war topfeben und Heimwerker haben auch gern mit ihm Überlasten transportiert. (Damals sah die Polizei das nicht ganz so eng). Der R4 steckte das mit seinem guten Fahrwerk und dem stabilen Plattformrahmen ohne Murren weg. Auf kurvenreichen und hügeligen Strecken war der Franzose in seinem Element. Eine Klimaanlage brauchte man nicht, die geraden Scheiben fingen kaum Sonne ein, Seitenscheiben wurden einfach aufgeschoben (schon hatte man Fensterheber eingespart) und wer ein Stoffschiebedach hatte, der genoss im Sommer Cabrio-Feeling.
Nicht nur als Jedermanns-Auto war der R4 unterwegs, auch Papst Franziskus fuhr einen R4. Handwerker und Servicetechniker schätzen den großen Kubusladeraum der R4 Fourgonnette.
Besonders junge Autokäufer in Deutschland mochten den kleinen Franzosen und schon in den 1960er/70er Jahren wurden etliche Fourgonnette zu Campern kreativ umgebaut. Mit dem Renault 4 Plein Air gab es einen Strandwagen, für den heute Spitzenpreise geboten werden.
Praktisches Fahren
Der R4 lässt sich dank Frontantrieb einfach und sicher fahren. Auch wenn die Bedienung etwas gewöhnungsbedürftig, die Revolverschaltung war gern etwas hakelig und Richtungsblinkhebel saß link, ist. Der R4 preiswert, anspruchslos, zuverlässig, Reparatur und Wartung sind nicht aufwendig. Sein Benzindurst hielt sich in Grenzen. Das karge Cockpit hatte einen weiteren Vorteil, viele Instrumente haben den Fahrer nicht verwirrt. Das war damals das Stand der Technik und genügte voll auf.
Wie viele Autos aus dieser Zeit hatte der R4 nur einen echten Feind, den Rost. Rostversorge stand bei italienischen und französischen Autokonstrukteuren im Lastenheft wohl auf der letzten Seite. Unsere Wetterverhältnisse haben dem kompakten Franzosen schon zugesetzt. Zumal viele R4-Piloten wenig von Autopflege und Rostvorsorge, weil sie dieses als spießig ansahen, hielten.
Unter deutschen R4s hat der Gilb zumeist ganze Arbeit geleistet. Zum Ausgleich sieht man heute noch in Südfrankreich, Italien und Spanien relativ viele erstaunlich gut erhaltene (nicht restaurierte) Exemplare. Die Motoren sind robust, gut 200.000 km sind möglich, Ersatzteile gibt es bei Spezialisten.
Was ist interessant ist: Renault hat den R4 zu einem Preis angeboten, zu dem man heute ein E-Lastbike bekommt. Auch wenn heute Autos wesentlich sicherer gebaut werden und viel komplexer sind, warum stellt keine Marke mehr einfache und praktische Autos ohne Bling-Bling und Schicki Micki mit solider Technik her? Unter dem Strich hatte Renault damit einen echten Bestseller gelandet. Der R4 wurde in 31 Jahren Bauzeit über acht Millionen Mal verkauft.