Hamburger Bündnis Mobilität stellt Forderungen an Grüne und SPD

Hauptbahnhof HamburgDer verkehrsreichste Deutsche Bahnhof, der Hamburger Hauptbahnhof Foto: Norbert Schmidt

Viel weniger Auto, mehr öffentlicher Nahverkehr und Vorrang fürs Fahrrad, das fordert das neue Hamburger Bündnis Mobilität.

Im Hamburger Bündnis für Mobilität haben sich 30 Hamburger NGOs, Sozialverbänden Initiativen, die Gewerkschaften und Unternehmen zusammen geschlossen und stellen hinsichtlich der Koaliationsverhandlungen von SPD und Die Grünen/GAL drastische Forderungen zur Mobilitätswende in Hamburg.

Logowand - Hamburger Bündnis für Mobilität
Hamburger Bündnis für Mobilität

Die Forderungen des Hamburger Bündnis Mobilität im Einzelnen:

  • Gesteigerte Verkehrssicherheit:
    Oberstes Leitziel der Verkehrsplanung wird die „VisionZero“, das heißt der Verkehr soll so sicher und fehlertolerant organisiert werden, dass möglichst keine Verkehrstoten und Schwerverletzten mehr auftreten.
  • Reduktion des motorisierten Individualverkehrs (MIV):
    Der ruhende und fahrende Kfz-Verkehr verringert sich drastisch: Im Jahr 2035 sollen 90% der Hamburger*innen Verkehrsmittel des „Umweltverbunds“ (ÖPNV, Fahrrad und Zufußgehen) nutzen.
  • Klimagerechtigkeit:
    Der Verkehrssektor trägt dazu bei, dass Hamburg 2035 CO2-neutral ist. Die Ziele des Klimaplans für den Verkehrssektor werden entsprechend geschärft.
  • Verbesserte Luftqualität:
    Die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Grenzwerte werden 2030 überall eingehalten.
  • Verbesserter Lärmschutz:
    In Wohnlagen sollen unverzüglich die gesetzlichen Maximalwerte für Lärm am Tag und in der Nacht eingehalten werden. Langfristig sollen die noch leiseren Empfehlungen des Umweltbundesamtes eingehalten werden.
  • Flächenschutz:
    Pro Jahr sind 3% der Verkehrsflächen auf öffentlichem und privatem Grund zu entsiegeln, zu renaturieren oder in Räume mit hoher Aufenthaltsqualität umzuwandeln.
  • Das Bündnis Mobilität fordert eine ganzheitliche Verkehrsplanung, die unsere qualitativen und messbaren Ziele zügig und verbindlich erreicht.
  • Dabei müssen Verkehrskonzepte und Entscheidungen über Großprojekte mit Beteiligung der Bürger*innen und Verbände entwickelt werden.
  • Die Behörden und öffentlichen Unternehmen sind mit entsprechenden zielführenden Aufträgen, Kompetenzen, Personal und Finanzen auszustatten.
  • Die A 26-Ost wird ein kritischer Punkt in den Koalitionsverhandlungen und für die Zukunft des Verkehrs in Hamburg. Die A 26-Ost führt zu mehr Kfz-Verkehr, zerstört Natur und ist in Hinblick auf die Mobilitätswende auch volkswirtschaftlich falsch. Deshalb sollen die Planungen umgehend gestoppt werden.

„SPD und Grüne müssen jetzt im Koalitionsvertrag und in den kommenden fünf Jahren die richtigen Weichen für die Mobilitätswende stellen. Die Ziele müssen eine hohe Lebensqualität und Klimagerechtigkeit sein. Die Schonzeit für viel zu viele und überdimensionierte Autos ist beendet und auch der Wirtschaftsverkehr muss seinen Teil zur Mobilitätswende beitragen. Die Bereitschaft für Veränderungen ist offensichtlich. Jetzt soll die Mobilitätswende schnell kommen und gleich richtig gut werden!

Wiebke Hansen, Sprecherin des Hamburger Bündnis Mobilität.t
Mobil in Hamburg - U-Bahnzug Hamburg
Mobil in Hamburg – Die neue Linie U4 in der Hafencity Foto: ganz-hamburg.de

Die Forderungen beurteilt

Setzt sich das Bündnis mit seinen Forderungen durch, können sich Hamburger Autobesitzer auf einen drastischen Wertverfall ihrer Autos einstellen. Denn mittelfristig bedeutet es das faktische Aus für eine private Autonutzung in der Stadt.

Nicht so schlimm, wenn man in Ottensen oder auf der Schanze wohnt. Wer aber in Duvenstedt oder Neuengamme seinen Wohnsitz hat, der kann sich auf drastische Fahrzeitverlängerungen einstellen.

Durch den geforderten Rückbau der Verkehrsflächen kämen auf die Stadt hohe Investitionen zu. In zehn Jahren müssten 27% der Straßen und öffentlichen Plätze entsiegelt oder zurückgebaut werden. Asphaltierte Nebenstraßen würden dann zu Grandwegen, um die Quote einzuhalten, werden.

S-Bahn in Hamburg im Bahnhof mit Grafitti
Grafitti und Vandalismus machen nicht gerade den Nahverkehr attraktiv. Auch wenn
Grüne und Linke Grafitti gern als Kunst beurteilen © ganz-hamburg.de

Nadelöhr öffentlicher Nahverkehr

Schon heute fahren in Hamburg U-Bahn, S-Bahn und Regionalbahn an der Kapazitätsgrenze. Der Hamburger Hauptbahnhof ist total überlastet und kann mehr Zugverkehr überhaupt nicht abfertigen. Wer in 12 Jahren 30% des öffentlichen Verkehrsraumes stilllegen möchte, der muss in 12 Jahren in der gleichen Zeit die öffentliche Nahverkehrskapazität entsprechend ausbauen. Mit ein paar mehr Bussen und U-Bahn Waggons ist das nicht getan.

Bögen der Hamburger Verbindungsbahn
Überlastet und teilweise marode, die Verbindungsbahn zwischen Hauptbahnhof und Altona © ganz-hamburg.de

Es müssten neue Bahnlinien, Stationen und Bahnhöfe geplant und gebaut werden. Es gibt einen nicht geringe Investitionsstau. Die Infrastruktur ist teilweise marode.

Fahrradfahrer auf dem Jungfernstieg
Fahrradfahren in der City © ganz-hamburg.de

Das alles vor dem Hintergrund eines langwierigen überkomplexen Planungsrechts und europaweiter Bauausschreibungen. Dazu kommen erwartbarer Gerichtsprozesse gegen die Planung und Ausführung mit entsprechender zeitlicher Verzögerung.

Gerade die zusammengeschlossenen Verbände haben in der Vergangenheit gezeigt, wie sie Infrastruktur ausbremsen und über Jahrzehnte in die Länge ziehen konnten. Wird von Seiten der Verbände keine Klage kommen? Kann so etwas überhaupt ein Verband zusichern?

Heidenkampsweg Straßenszene in Hamburg
Eine Magistrale des Wirtschafts- und Pendlerverkehrs: Der Heidenkampsweg in Hammerbrook. In Zukunft statt 6 Spuren nur 4? Obwohl hier viel Wirtschaftsverkehr ist?
© ganz-hamburg.de

Die Forderungen zu Ende gedacht heißt auch, dass asphaltierte und befestigte Straßen wieder zurückgebaut werden. Bereits nach zehn Jahren würde es mit 27% einen großen Teil des Hamburger Straßenraums so nicht mehr geben. Busverkehr, Rettungsfahrzeuge, die Feuerwehr, Abfallentsorgung über Grantwege? Das kann doch keine ernsthafte Forderung sein?

Wer bestimmt was Räume mit hoher Aufenthaltsqualität sind? Schon heute gibt es in Hamburg in autofreien Fußgängerzonen, Parks, Spielpläzten oder Plätzen eine fest etablierte Trinker- und Drogenszene die normale Menschen verdrängt bzw. in denen sich sich nicht aushalten möchten.

Es ist durchaus richtig, dass der Autoverkehr in Hamburg reduziert werden muss. Auch der Ausbau des Radverkehrs, Velorouten, eine bessere Fahrrad-Infrastruktur und die Erhöhung der Fahrrad- und Fußgängersicherheit sind sehr sinnvoll und hier hat die Stadtentwicklung zu zögerlich, bürokratisch und ideologisch reagiert.

Nur, dann hätte die Initiative einmal klar aufzeigen sollen, wie schnell, in kurzer Zeit und preiswert neue Straßenbahn- und Bahnlinie samt Haltestellen gebaut werden können. Das ist ein Dreh- und Angelpunkt und hier findet sich keine Bullet-Point Aussage in den Forderungen. Das ist wirklich schade. Mehr lösungsorienterter Pragmatismus gerade wo uns die Corona-Krise so belastet wäre sinnvoller.