Der Dom ist eine typische Hamburgensie – eine Hamburg einmalige Geschichte – die es sonst so nicht gibt
Woran erkennen Sie einen echten Hamburger? Sicherlich auch an seiner etwas steifen Aussprache, der gewöhnungsbedürftige Gewohnheit den Vornamen zu siezen oder den Nachnamen zu duzen. Oder noch viel einfacher, echte Hamburger sagen zu einem Jahrmarkt oder einer Kirmes stets Dom. Warum das so ist, soll Ihnen dieser Artikel deutlich machen. Hamburg war seit seiner Gründung immer eine Stadt des Handels und des Wandels. Geschäfte und Geld haben die Stadt geprägt, aber sie war nie eine Haupt- oder Residenzstadt in dem kleinere oder größtere Landstriche verwaltet worden sind. Gern wurde die Kultur und die Geistlichkeit den Geschäften untergeordnet.
Der Hamburger Dom hat kirchliche Wurzeln, aber besonders christlich/gläubig ist es nie zugegangen.
Alles fing mit einer mittelalterlichen Kirche, dem Hamburger Mariendom, an. Bereits im 11. Jahrhundert haben damals die fliegenden Händler bei schlechten Wetter Schutz unter den Gewölben des Mariendom gesucht und trieben dort ihren Handel weiter. Da es im November in Hamburg schon immer ziemlich ungemütlich war, entstand so der Begriff „DOM-Zeit“. In diesem Zeitraum nach der Ernte, kurz vor dem Beginn der Winterpause in der Schifffahrt, wurde viel Handel getrieben.
So entstand mit dem Hamburger Dom der älteste Markt seiner Art in Hamburg. Der Mariendom, die Bischofskirche, befand sich im Herzen der Stadt, am Speersort. Bis zur Reformation war der Mariendom das geistliche Zentrum Hamburgs. Allerdings, Hamburg war kein Bischofssitz, der saß in Bremen, der Konkurrenzstadt von Hamburg. Das machte die Kirche nicht sonderlich populär und dem Hamburger Senat , der von der Hamburger Kaufmannschaft dominiert wurde, gefiel das weniger.
Aus temporär wurde stationär
Kirchengebäude hatten im Mittelalter eine ganz andere Bedeutung. Als größte Gebäude der Stadt wurden sie vielfältig, wir würden heute sagen multifunktional, genutzt. Bereits Anfang des 14. Jahrhunderts schlugen Händler und andere Gewerbe in den Gängen und Kapellen des Doms regelmäßig ihre Stände auf. Es entwickelte sich gerade in der Weihnachtszeit ein intensives Marktleben. Wo Händler Waren feilbieten, sind schnell Gaukler und Musikanten für die Unterhaltung der Besucher zu finden. So entstand ein buntes und pralles Treiben.
Die Bremer Erzbischöfe sahen dieses Geschehen mit großem Missvergnügen. Im Jahr 1330 wurde dann ein drakonisches Verbot verkündet, was wiederum den Hamburg Senat erzürnte. Ein Markt bringt schließlich Besucher und Geld in die Stadt. Ein gewichtiges Argument in einer Handelsstadt wie Hamburg und den Bremern waren die Hamburger traditionell noch nie grün gewesen. Der Hamburger Senat wusste sich zu wehren, schließlich waren auch Bremer Ansprüche in Hamburg schwer durchsetzbar, und so wurde das Verbot wieder aufgehoben. Der Dom konnte als Markt weiter stattfinden.
Ein wenig Kirchengeschichte
Im Jahr 1522 begann die Reformation in Hamburg. Um 1528 war bereits die ganze Stadt lutherisch. Viele Domherren, die in der Mehrzahl nicht lutherisch waren, verließen daraufhin Hamburg und der Mariendom als Kirche wurde zeitweilig sogar geschlossen. Es folgten lange Jahre des Streites, der 1561 mit dem “Bremer Vergleich” beendet wurde. Die Domkirche hatte fast keinen Einfluss auf die Hamburger Stadtkirchen. Der Mariendom hatte auch keine eigene Kirchengemeinde mehr. Damit war der Hamburger Dom praktisch eine Bremer Enklave in der Stadt.
Der Dom als Markt blieb bestehen
Nach der Reformation bot der Mariendom weiterhin den Märkten ein Dach. In einer Seitenhalle, die zu Beginn des 16. Jahrhunderts gebaut wurde, stellten die Hamburger Tischler ihre Schränke aus. Zur Weihnachtszeit wurde in den prächtigen gotischen Gewölben dann ein Christmarkt abgehalten, denn die Kirche wurde kaum noch benutzt. Auf den Grabsteinen von Rittern, Mönchen und Ratsherren hockten dann Marktbesucher beim Speis und Trank.
Der Dom verlor sein Zuhause
Der Zahn der Zeit nagte kräftig am Mariendom. Er war mehr oder weniger baufällig. Als “dunkle Höhle” genoss der Dombau einen schlechten Ruf in der Stadt. Im Jahr 1803 fiel der Mariendom dann durch die Säkularisierung an die Stadt Hamburg. Bis zum Jahr 1804 dauerte das Markttreiben im Mariendom an.
Wenn es um Geld geht, ist der Hamburger Senat traditionell nicht großzügig. Die Elbphilharmonie ist da allerdings eine Ausnahme! Eine Renovierung des Mariendoms wäre sehr teuer gewesen, deshalb wurde 1806 mit dem Abbruch begonnen.
Aus heutiger Sicht unverständlich: Doch für die damaligen Hamburger war der Mariendom eine halbe Ruine und ein Schandfleck in der Stadt. Die kunstgeschichtliche Bedeutung der Kirche wurde nicht erkannt. Vieles, sogar die Grabsteine wurden als billiges Baumaterial verwendet und in der Stadt verbaut. Nur ein Teil der kostbaren Innenausstattung wurde erhalten und befindet sich heute überwiegend in den Hamburger Hauptkirchen. Hinzu kam, politische Gründe sprachen für einen schnellen Abbruch, denn es bestand die Möglichkeit, dass die Säkularisierung im Deutschen Reich rückgängig gemacht werden könnte. Da wollte der Senat Tatsachen schaffen.
Die Marktleute verteilten sich danach auf die Hamburger Marktplätze: Gänse-, Pferde- und Zeughausmarkt. Von 1805 bis 1881 war der Gänsemarkt der Hauptplatz des Hamburger Doms. Danach wanderte der Dom-Markt zum Großneumarkt in der Neustadt. Dom als Synonym für einen Jahrmarkt blieb immer erhalten. Der Begriff hatte sich tief in den Hamburger Volksmund eingegraben.
Der Dom findet wieder einen Standort
Vom Jahr 1880 an wanderten die Schausteller mit ihren Buden zum Spielbudenplatz (Reeperbahn), dem Heiligengeistfeld und zur heutigen Glacischaussee. Im Jahr 1892 wurde dann das Gebiet eingegrenzt und der Dom fand nur noch auf dem Heiligengeistfeld statt.