Am Montag, den 12. Oktober ist der Welt-Rheuma-Tag. Auch wenn es bisher noch keine Heilung gibt. Die Medizin kann viel dagegen tun.
Auch wenn wir es umgangssprachlich so verwenden, das Rheuma gibt es nicht. Vielmehr ist Rheuma ein Übergriff, der mehr als 100 verschiedene Erkrankungen umfasst. Ihr gemeinsamer Nenner sind chronischen Schmerzen, die aber ganz unterschiedliche Körperbereiche betreffen können.
Wie bei fast allen chronischen Krankheiten beginnt die Erkrankung schleichend. Auf den ersten Blick eher unspektakulär. Wenn z.B. morgens nach dem Aufstehen man so steife Gelenke hat, dass einem es schwerfällt eine Tasse Kaffee einzuschenken. Oder, das tagsüber Bewegungen schmerzhaft werden, man im wahrsten Sinn seine Knochen und Muskeln spürt. Ein Viertel aller Erwachsenen ist in etwa davon betroffen. Meistens tritt das zum Glück nur temporär auf und geht vorbei.
Aber rund 17 Millionen haben nicht das Glück, leiden am Stütz- und Bewegungsapparat an chronische Beschwerden: Sie haben Rheuma oder fachsprachlich „rheumatische und muskuloskeletale Erkrankungen“. Dabei ist das keine Altersfrage, selbst junge Menschen können daran erkranken. Auch Prominente wie Selena Gomez und Lady Gaga sind von dieser Krankheit betroffen.
ganz-hamburg hat sich mit Dr. med. Jan-Hauke Jens, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Abteilung für Endoprothetik und Gelenkchirurgie im Krankenhaus Tabea in Hamburg Blankenese über das Thema Rheuma / Rheumatoide Arthritis & Arthrose gesprochen.
1. Was ist Rheuma und welche Symptome deuten auf eine Erkrankung hin?
Unter dem umgangssprachlichen Oberbegriff „Rheuma“ werden zahlreiche entzündliche Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats, also der Gelenke und Muskeln, zusammengefasst. Typische Symptome einer rheumatischen Erkrankung sind Gelenkschmerzen, Bewegungseinschränkungen und Verformung der Gelenke. Oftmals beginnen die Schmerzen in Finger- und Zehengelenken, später können sie sich beispielsweise auch in Hand-, Knie-, Fuß- oder Hüftgelenk ausbreiten.
2. Unter dem Begriff „Rheuma“ werden mehrere hunderte verschiedene Formen der Erkrankung zusammengefasst – Heißt das, dass es so viele verschiedene rheumatische Krankheitsbilder gibt?
Tatsächlich gibt es mehr als 100 verschiedene rheumatische Erkrankungen mit abweichenden Krankheitsbildern, die sich in ihren Ursachen, ihren Verläufen, ihrer Therapierbarkeit, ihren Risiken und den Schäden, die sie verursachen können, voneinander unterscheiden.
Grundsätzlich wird hierbei in vier Hauptgruppen unterteilt:
- Entzündliche, autoimmunbedingte rheumatische Erkrankungen (z.B. rheumatoide Arthritis)
- Degenerative, verschleißbedingte Erkrankungen (z.B. Arthrose)
- Stoffwechselstörungen, die mit rheumatischen Beschwerden einhergehen (z.B. Gicht)
- Rheumatische Erkrankungen der Weichteile (Schmerzen in Muskeln und Sehnen)
Am häufigsten ist die rheumatoide Arthritis, die sich durch Schmerzen in den Gelenken bemerkbar macht und bei der sich die Innenhaut der Gelenke chronisch entzündet. Eine weitere, sehr häufige und allgemein bekannte Erkrankung des rheumatischen Formkreises ist die Arthrose. Diese tritt auf, wenn es zu starker Abnutzung und Verschleiß der Knorpel an Gelenken und Wirbelsäule kommt.
3. Welche Ursachen hat Rheuma?
Da es so viele Formen der Erkrankung gibt, sind deren Ursachen ebenso vielfältig wie schwer einzugrenzen. Oftmals ist es ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, das die Erkrankung begünstigt.
Die rheumatoide Arthritis kann Folge einer Autoimmunerkrankung sein, bei der das eigene Immunsystem die Gelenke angreift und entzündungsfördernde Stoffe produziert, was zu Entzündungsreaktionen an den betroffenen Körperpartien führt. Der Körper bekämpft sich dabei sozusagen selbst. Ebenso können Krankheitserreger, die über das Blut verschleppt werden, Auslöser für die Entzündungserscheinungen in den Gelenken sein.
Der Gelenkverschleiß bei einer Arthrose kann sowohl von einer jahrelangen Fehl- oder Überbelastung eines Gelenks als auch von einer genetischen Veranlagung oder langjährigem, starkem Übergewicht bedingt sein. Arthrose entwickelt sich meist schleichend und wird im Alter akuter.
4. Ist Rheuma vererbbar?
Die Erbanlagen eines Menschen spielen für fast alle rheumatischen Erkrankungen eine ebenso wichtige Rolle wie Lebensstil, Vorerkrankungen und Umweltfaktoren. Allerdings ist es nicht ein einzelnes Gen, das Rheuma auslöst, sondern eine Vielzahl an Genen, von der ein Teil des Risikos für Rheuma ausgeht. Das heißt, dass Kinder von Menschen, die an Rheuma leiden, nicht zwangsweise auch erkranken, sondern der Ausbruch von einem Zusammenspiel mehrerer, verschiedener Faktoren abhängig ist.
5. Sind Männer oder Frauen und ältere Menschen häufiger betroffen?
Prozentual sind mehr Frauen als Männer von rheumatischen Krankheiten betroffen. Das gilt auch bei der rheumatoiden Arthritis, die bei Frauen dreimal so häufig wie bei Männern auftritt. Auch an Arthrose erkranken mehr Frauen als Männer. Die genaue Ursache für diese geschlechtsspezifischen Unterschiede ist noch unklar.
Eine rheumatische Erkrankung kann in jedem Alter auftreten. Die Annahme, dass nur ältere Menschen betroffen sind, entspricht nicht der Wahrheit. Auch Kinder und Jugendliche können eine ganze Reihe an rheumatischen Erkrankungen entwickeln. Dennoch nimmt die Krankheitshäufigkeit mit steigendem Alter zu.
6. Was sind die Risiken bei einer Erkrankung?
Rheumatische Erkrankungen sind sehr häufig mit dauerhaften Gelenkschmerzen verbunden, welche die allgemeine körperliche Beweglichkeit erheblich beeinträchtigen und damit die Lebensqualität im Alltag stark einschränken. Bei rheumatoider Arthritis kommt hinzu, dass sie extremer Förderer von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist. Durch die Entzündung der Gefäße kann sie das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle deutlich erhöhen.
7. Wie wird Rheuma diagnostiziert?
Mehrere geschwollene, schmerzende und steife Gelenke, deren Zustand sich über mehrere Wochen und Monate nicht bessert, weisen vorerst deutlich auf eine rheumatische Erkrankung hin. Rheumatoide Arthritis kann zusätzlich durch einen Bluttest diagnostiziert werden, der bestimmte Antikörper im Blut nachweist, die auf eine Erkrankung hindeuten. Bei Arthrosen geben Röntgenbilder oder MRT-Aufnahmen Klarheit über Zustand und Verschleiß von Gelenken.
8. Wieso schmerzt Rheuma bei Kälte besonders?
Bei den Verschleißerscheinungen von Arthrose lässt sich die Zunahme der Schmerzen dadurch erklären, dass die Durchblutung in Rumpf, Armen und Beinen vermindert und so die Gelenkflüssigkeit durch die Kälte dünnflüssiger wird. Die Gelenkbewegungen werden sozusagen nicht mehr richtig „geschmiert“.
Bei entzündlichem Rheuma kann Kälte hingegen sogar hilfreich sein, allerdings nur, wenn es sich um trockene Kälte (z.B. aus der Kältekammer) handelt. Feucht-kalte Temperaturen können im Gegensatz dazu zu stärkerer Gelenksteifigkeit und Muskelverspannungen führen.
9. Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Rheumatoide Arthritis wird meist medikamentös behandelt, um den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen oder bestenfalls aufzuhalten. In vielen Fällen beider Krankheitsbilder können Maßnahmen wie Physiotherapie oder Ergotherapie die Beweglichkeit und Funktion der Gelenke begünstigen oder schonen. Bei fortgeschrittener Arthrose werden häufig operativ Gelenkprothesen eingesetzt, durch die die Bewegungsfähigkeit sehr stark verbessert werden kann. Wichtig ist, bei einer Diagnose schnell zu handeln, denn je weiter eine rheumatische Erkrankung fortgeschritten ist, desto wahrscheinlicher sind bleibende, irreparable Schäden. Bei einer rheumatoiden Arthritis schreitet die Erkrankung in den ersten zwei Jahren am stärksten voran, wohingegen der durch Arthrose bedingte Verschleiß schleichend voranschreitet.
10. Wie kann man Rheuma vorbeugen?
Da die genauen Ursachen von rheumatischen Erkrankungen nicht vollständig geklärt sind, gibt es keine eindeutigen Vorbeugungsmaßnahmen.
Um Gelenkbeschwerden allgemein vorzubeugen, sind eine ausgewogene Ernährung und körperliche, gelenkfreundliche Bewegung unverzichtbar. Hier bieten sich vor allem Ausdauersportarten wie Laufen, Fahrradfahren oder Schwimmen an, die einen Gelenkverschleiß nicht provozieren.
Ratsam ist es außerdem, auf Zigaretten und starken Alkoholkonsum zu verzichten. Bei einer durch rheumatoide Arthritis bedingte Gelenkentzündung ist eine gesunde und vor allem fleischarme Ernährung von Vorteil, da in Fleisch viele entzündungsfördernde Stoffe stecken. Wichtig bei ersten Anzeichen ist auch immer, dass schnell gehandelt wird, denn je früher Symptome gezielt therapiert werden, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für langfristige Schäden.
Mehr Infos auch unter www.tabea-fachklinik.de oder www.rheuma-liga.de