Kulinarik-Sterne machen in Bad Segeberg Station

Gruppenfoto Köche: Benjamin_ Gallein+Andreas Schmidtund Rainer GassnerIn der Küche: v.r.Benjamin_ Gallein, Andreas Schmidt und Rainer Gassner @ M.Brodt-/ SHGF

Gelungener Auftakt des 37. Schleswig-Holstein Gourmet Festival im Vitalia Seehotel in Bad Segeberg.

Bad Segeberg kann nicht nur Indianer und Karl May. Die Kreisstadt in Schleswig-Holstein kann auch gutes Essen, korrespondierende Getränke und feines Ambiente. Und so eröffnete das Schleswig-Holstein Gourmet Festival (SHGF) am Sonntag Abend seine 37. Saison im Vitalia Seehotel in Bad Segeberg an fein eingedeckten Tischen mit Blick aufs Wasser.

Neben dem Lokalmatador Andreas Schmidt (40), der seit 2014 den Ton in der Hotelküche angibt, tummelten sich die Gastköche Rainer Gassner und Benjamin Gallein. Der Münchner Gassner war zum dritten Mal beim SHGF dabei und legt Wert auf regionale und saisonale Produkte, die er am liebsten auf seinem eigenen Hof erzeugt. „Unsere Kreationen sollen alle Sinne ansprechen und immer wieder überraschen”, sagte der 49-Jährige. Zusammen mit seiner dänischen Frau Mette betreibt er seit 2001 in Fredericia an der Ostküste von Jütland das Restaurant Ti Trin Ned (Zehn Stufen hinunter). Für sein Können am Herd wird der deutsche Koch seit 2017 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet.

 Klaus-Peter Willhöft mit Staatssekretärin Julia Carstens
SHGF-Vorstand Klaus-Peter Willhöft mit Staatssekretärin Julia Carstens @ M.Brodt / SHGF

Nach dem Zweierlei von Hansegarnelen von Andreas Schmidt ließ Gassner, der übrigens Deutsch mit bayerischem Akzent und dänischer Satzmelodie spricht, die erste Vorspeise servieren: gehäutete Tomaten, die wirklich nach Tomaten schmeckten, zusammen mit Himbeeren, Radieschen, bunten essbaren Blüten und einer feinen süß-sauer-ausbalancierten Essenz. Eine frische, fruchtige, farbenfrohe Spätsommer-Speise.

„Das Produkt soll den Teller beschreiben, bei mir gibt es keine Schnörkel”, so Gassner, der das meiste Gemüse vom eigenen dänischen Hof mit ins Restaurant am Segeberger See brachte. So kam auch die zweite Vorspeise daher: Hummer aus dem Kleinen Belt unter dünn gehobelten Kartoffelblättern, Kaviar-Krümel als Gesicht auf dem Dreieck. Dazu eine Sauce aus Liebstöckel und dem 48 Monate gereiften dänischen Käse Havgus. Ein Gedicht.

Rainer Gassner kam nach Ausbildung in Bayern und internationalen Wanderjahren der Liebe wegen nach Dänemark. Nachhaltigkeit und Authentizität sind ihm wichtig bei der Suche nach den abwechslungsreichen und charakteristischen Gerichten. Zusammen mit seiner Frau, den zwei gemeinsamen Kindern und dem eigenen Restaurant hat der Koch Glück und Erfolg im nördlichen Nachbarland gefunden. „Da verzichte ich dann gern auf die bayerischen Berge.“

Für die Hauptgänge zeichnete Benjamin Gallein verantwortlich. Der 37-Jährige bezeichnet sich selbst gern als „Dirigent des Küchen-Orchesters“ und kocht im mit zwei Michelin-Sternen prämierten Restaurant Votum im Landtag in Hannover. Am Sonntag hatte Gallein allerdings kein Glück auf der Straße: Wegen Stau vor einem Unfall und eines geplatzten Reifens am eigenen Auto brauchte er neun Stunden für die Fahrt von der niedersächsischen Landeshauptstadt nach Bad Segeberg.

Telleransicht - Deichlamm
Deichlamm @ M.Brodt / SHGF

Der Qualität seiner Speisen hat das keinen Abbruch: Ein zartes Ragout vom Bentheimer Schwein mit Bohne, Birne und Senf verbarg sich unter einer süßlichen Cevennen Zwiebel, umrahmt von einer intensiven, lange reduzierten Sauce. „Unsere Gerichte haben viel Kraft, wir wollen den Gast geschmacklich fordern“, sagte der gebürtige Magdeburger. Diesem Credo entsprach auch der zweite Hauptgang aus zartem Rücken vom Deichlamm mit Paprika und Mandarine, die so lange fermentiert wird, bis sie schwarz ist. Ein kräftig-aromatisches und feines Geschmackserlebnis.

Gallein bezieht seine Produkte gerne aus dem Umland, sagt aber auch: „Qualität geht vor Regionalität.“ Sein Handwerk versteht er mit Humor und Augenzwinkern: „Man nimmt 180 Gramm vom Teller und nennt es dann Fine Dining.“ So gesehen ein voller Erfolg beim Schleswig-Holstein Gourmet Festival.

Für den Abschluss sorgte wieder Hausherr Andreas Schmidt: frisches Joghurteis, cremige weiße Schokolade, säuerlicher Sanddorn und knusprige Macadamia Nuss waren ein tolles Dessert, dem Estragon noch den letzten Pfiff gab.

Noah Fischer mit Guido Eschholz
Heiße Klänge: Noah Fischer mit Guido Eschholz Foto: Susanne Play / SHGF

Als begleitenden Musiker hatten die Festival-Verantwortlichen dieses Mal einen begeisternden Entertainer engagiert: Der Berliner Saxophonist Noah Fischer brillierte auf seinem Instrument und erntete nach „In your eyes“ (The Weeknd), „Sentimental“ (Kenny G.) und „What a wonderful world“ (Louis Armstrong) sehr großen Applaus. Der 51-Jährige sieht sich selbst als „Popsaxophonisten, der sich einiger Jazzelemente bedient“. Er gehört zum Panikorchester von Udo Lindenberg und ist Teil der Band des Schweizer Musikduos Yello mit Dieter Meier und Boris Blank.

Ein sehr gelungener Abend und die Teller viel zu schnell leer gegessen. Abgerundet wurde die Speisenfolge mit den passenden Weinen, Lille Bier und alkoholfreien Getränken sowie mit Edelbränden und Kaffeespezialitäten.

Bis April nächsten Jahres läuft das aktuelle Schleswig-Holstein Gourmet Festival, das seit 1987 von der Kooperation Gastliches Wikingland organisiert wird.17 Mitgliedshäuser richten 40 Veranstaltungen aus. Die Preise liegen zwischen 130 Euro und 239 Euro inklusive Menü und begleitender Getränke. Gebucht wird in den jeweiligen Betrieben. Aus Hamburg sind die Sterne-Köche Maurizio Oster (1) und Christoph Rüffer (2) dabei. Weitere Informationen unter www.gourmetfestival.de

von Marlies Fischer