Faustrecht auf Sylt – „Rechtlich leider nur eine Ordnungswidrigkeit“

Das Kachelzimmer im 200 Jahre Alter Gasthaus im gemütlichen Stil eingerichtetEin Schmuckstück: das Kachelzimmer mit den historisch wertvollen Wandfliesen Foto: Angelika Fischer

Ein Stück Sylter Historie liegt in Trümmern. Bagger reißt 200 den Jahre Alten Gasthof in List ohne Genehmigung illegal ab. Die hohen Immobilienpreise machen es scheinbar möglich!

Der „200 Jahre Alte Gasthof“ in List zählte zu den ältesten Häusern auf Sylt. Der zwei Tage vor Ende des Jahres 2022 erfolgte illegale Abriss sorgt nun für eine Welle der Empörung auf der Nordseeinsel, die bekanntlich die Schönen und Reichen beherbergt. Am Vormittag des 30. Dezember 2022 rückte ein Bagger an und machte das  Gebäude dem Erdboden gleich.

„Zum größten Bedauern der Gemeinde List wurde der 200 Jahre Alte  Gasthof, für die Gemeinde und die Bürgerinnen und Bürger ein Kulturgut von  allgemeiner Bedeutung, durch den Eigentümer widerrechtlich ohne Antrag und Genehmigung abgerissen. Der Bürgermeister und die Gemeindevertretung sind  fassungslos über ein solches Verhalten,”

so die Presseerklärung des ehrenamtlichen Lister Bürgermeisters  Ronald Benck.
Außenansicht 200 Jhare Alter Gasthof in List auf Sylt. Ein altes Reetdachhaus
Ein Opfer von Spekulation und illegalem Abriss: der 200 Jahre Alte Gasthof in List auf Sylt Foto: Angelika Fischer

Es ist ein Skandal

Nicht nur bei ihm, sondern auch bei  den rund 1.500 Einwohnern der Inselgemeinde im Norden von Sylt macht sich seitdem  Empörung breit. „Es ist ein Skandal“, so der allgemeine Tenor.

Offenbar hatte Bürgermeister Benck noch versucht, den Abriss zu verhindern.

„Bereits im Vorwege hatte die Gemeinde die  zuständigen Behörden auf die Gefahr hingewiesen und um Unterstützung  gebeten”,

heißt es in der Presseerklärung.

Sogar an dem Tag, als der Bagger anrückte, habe die Gemeinde mit einer einstweiligen Verfügung versucht, den 200 Jahre Alten Gasthof zu retten. Leider vergeblich, da das Gebäude (noch) nicht unter Denkmalschutz stand. Allerdings hätte ein geplanter Abriss bei der zuständigen Gemeinde beantragt werden müssen, was aber nicht erfolgt ist. Außerdem sollte jetzt im Januar bei einem Ortstermin mit dem Landesamt für Denkmalpflege geklärt werden, ob das alte Friesenhaus denkmalschutzwürdig ist. Dem ist die Abrissbirne des Eigentümers nun zuvorgekommen und hat Fakten geschaffen…

Blick zum Fenster des 200 Jahre Alter Gasthof
Liebe zum Detail gab es in jeder Ecke und auf jeder Fensterbank Foto: Angelika Fischer

Über 200 Jahre Geschichte jetzt in Trümmern

Das historische Reetdachhaus hatte eine weit über 200 Jahre lange Geschichte: Bereits 1650  wurden die ersten Teile des Gebäudes erbaut, 1804 dann der Alte Gasthof gegründet. Am 31. März 2021 wurde der gastronomische Betrieb geschlossen und das seitdem leerstehende Gebäude im April 2021 an einen neuen Eigentümer verkauft. Dieser plane, den Gasthof in ein Ferienapartement umzuwandeln und an Urlaubsgäste zu vermieten, hieß es damals. Diesen Plänen hätte das Landesamt für Denkmalpflege nach dem Ortstermin womöglich Steine in den Weg gelegt…

Noch bis zuletzt befanden sich in dem ehemaligen Bauernhaus Wandfliesen aus dem 18. Jahrhundert: handgemalte,  blau-weiße holländische  Kacheln mit religiösen und weltlichen Motiven. Diese wertvollen Kacheln seien wohl vor dem ungenehmigten Abriss noch entfernt worden, heißt es. 

Die Wiederholung eines derartigen Vorfalls will der Bürgermeister unbedingt verhindern.

„Die Gemeinde List auf Sylt wird nun mit allen ihr rechtlich zur  Verfügung stehenden Mitteln reagieren, um zumindest für die Zukunft Investoren zu signalisieren, dass widerrechtliches Handeln Konsequenzen  nach sich zieht und nicht per se zu einer Gewinnmaximierung führt”,

heißt es in  der offiziellen Gemeinde-Mitteilung.

Dem Vernehmen nach will Benck gegen den Eigentümer nun eine Geldbuße in Höhe von rund 50.000 Euro wegen des Verstoßes gegen die Erhaltungssatzung von List verhängen. Für den Eigentümer dürften das lediglich Peanuts sein, denn rein rechtlich ist das Ganze trotz der großen Tragweite für die Insel leider keine Straftat, sondern „nur” eine Ordnungswidrigkeit. Für 50.000 Euro bekommt man vielleicht gerade einmal einen Carport auf der Luxusinsel.