Lange verschwiegen und jetzt aufgedeckt: Das Geheimnis der Alster Wichel

In der Alsterau hier können Alster Wichtel wohnenIn der Alsterau - die Heimat der Alster Wichtel © Norbert Schmidt

Die Herkunft der Alster Wichtel ist mysteriös und verliert sich im Dunkel der hamburgischen Geschichte.

Um die Herkunft der Alster Wichtel ranken sich Legenden. Was ist wahr – was ist Fiktion? Erschwerend kommt hinzu, dass es genau genommen keine schriftlichen oder bildlichen Überlieferungen gibt. So sind wir als Quellen auf Überlieferungen und Hörensagen angewiesen.

Die einzige schriftliche Quelle über die Alster Wichtel ist höchstwahrscheinlich verbrannt

Die von dem Franziskaner Mönch Malachias von Hosten im Hochmittelalter erstellte rund 60-seitige Schrift: „Observationes et perspectivae generales in gnomatibus Hamburgi, praediis vicinis, paroeciis et in flumine Alstra“ war Jahrhunderte verschollen. Es soll lediglich als Hinweis einen Vermerk in dem Katalog einer Klosterbibliothek geben haben. Sehr viel spricht auch dafür, dass die Schrift mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Großen Hamburger Brand im Mai 1842 ein Opfer der Flammen geworden ist. Malachias von Hosten, der aus Dänemark stammen soll, war Mönch im Hamburger Maria-Magdalenen-Kloster, das von Graf Adolf IV. Schauenburg Holstein (* vor 1205; † 8. Juli 1261) gestiftet wurde, und lebte im 14. Jahrhundert. Er hat nach der Niederschrift die Stadt verlassen und soll noch einige Jahre in Brabant gelebt haben. Von dort aus machte er sich nach Spanien in das Bediktinerkloster Santa María la Real de Irache auf. Hier soll er nach einigen Jahren als Professor bei einem großen Fleckfieber-Ausbruch verstorben sein.

Alsterau mit Eis auf einem Teich
In den Alsterauen – eine geheimnisvolle Landschaft, die sich erst auf dem zweiten Blick erschließt
© Norbert Schmidt

Zwei Denkschulen

Malachias von Hosten nennt in seiner Schrift zwei Ursprünge der Alster Wichtel. dass die Alster Wichtel Bezug genommen.

Ein großer Teil der Alster Wichteln soll ursprünglich in Hamburger Kaufmannshäusern gelebten haben. handeln. Malachias geht davon aus, dass die Wichtel während einer großen Pestepidemie in der Mitte des 14. Jahrhunderts die Stadt verließen. Denn auch Wichtel, obwohl sie eine sehr hohe Lebenserwartung haben, können an der Pest sterben.

Für die Menschen des Mittelalters (durchschnittliche Lebenserwartung Männer 32 Jahre und Frauen 25 Jahre) waren Wichtel, die durchschnittlich zwischen 80 – 137 Jahre alt werden konnten, fast unsterbliche Wesen. Beachtenswert ist auch, dass es nur einen marginalen Unterschied zwischen männlichen und weiblichen Wichteln gab.

Die Hamburger Haus- und Kaufmannswichtel siedelten sich am Lauf der Alster unter anderem an Alsterzuflüssen Osterbek, Ammersbek, Horstbek und Saselbek, Tarpenbek, Isebek und Wandse an. Im Mittelalter war das eine, für damalige Zeit, dünnbesiedelte Auenlandschaft. Bruchwälder wechselten sich sauren Wiesen, kleinen Teichen, Tümpeln, Moorflächen ab. Kleine namenlose Gräben, Bäche und Zuflüsse waren charakteristisch für diese Ländereien. Die Bodenqualität war schlecht und der landwirtschaftliche Ertrag war folglich gering. Nur wenige Menschen lebten hier in kleinen verstreuten Katen und fanden als Viertel- oder Halbhuffner ihr mehr schlechtes als rechtes Auskommen. Auf der Alster selbst herrschte von Frühjahr bis Herbst reger Bootsverkehr. Rund 300 -500 Lastkähne waren auf der Alster unterwegs um Hamburg zu versorgen.

Im Mittelalter ruhte zumeist die Schifffahrt im Winter weitestgehend, denn die Seetüchtigkeit der damaligen Schiffe reichte für die Winterstürme nicht aus. So ist zu vermuten, dass die Klabautermänner, die eigentlich fast jedes größere Holzschiff bewohnt haben, nicht selten abgewandert sind. Oder sie stammten von Schiffen die abgewrackt wurden oder nur noch als Hulk ihr Gnadenbrot fristeten. Sie wanderten in Stadt, fanden aber die meisten Häuser besetzt und sind notgedrungen dem Alsterlauf in den langen Winternächten gefolgt und haben sich als Alster Wichtel angesiedelt.

Teufelswichtel
(c) Johannot, Toni Le diable boiteux Alte Buchillustrationen / Creative Commons Attribution-Non Commercial-Share Alike 4.0 International License

Alster Wichtel Leben und Treiben

Haben sich Hauswichtel im Haus nützlich gemacht, das Haus und seine Bewohner geschützt so verläuft das Leben der Alster Wichtel ganz anders. In erster Linie mussten sie ihr eigenes Überleben sichern. Sie konnten keinen Ackerbau, Viehzucht oder Handwerk betreiben und mussten im Verborgenen leben. Hauptsächlich leben sie vom Fischfang, der Jagd auf Vögel und Kleintiere und dem Sammeln von Wildfrüchten und Wildgemüsesorten. Die Kontakte zu Menschen beschränken sie auf ein Minimum.

Es ist immer wieder überliefert das sie in stürmischen dunklen Nächten einsame Katen besucht haben. Sie ließen sich dann am Herdfeuer nieder um sich zu wärmen und sagen meist wenig. Häufig haben sie ihren Besuch mit einem Segen für das Haus und die Bewohner beendet. Besonders dann, wenn sie gastlich bewirtet wurden, denn über einen kräftigen Schluck aus dem Bierkrug oder einen Becher Brandwein haben sie sich gefreut. Dann war in der nächsten Zeit der Vieh gesund und die Ernte fiel gut aus.

Allerdings, wurde den Alster Wichteln kein Einlass gewährt oder wurden sie gar unter Beschimpfungen verjagt, dann kam es nicht selten zu düsteren Prophezeiungen, Alster Wichtel galten auch als Heilkundig, gerade Frauen suchten sie bei Krankheiten auf. Das sah insbesondere die Kirche nicht gern und war schnell mit dem Verdacht der Hexerei zu Hand.

Wichtelgruppe, Wichtel mit Bärten rund um ein Feuer
Wichtelgruppe am Lagerfeuer (c)  Alte Buchtitel / Contes bleus – Laboulaye, Edouard 1864 Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International License

Alster Wichtel Leben und Ernährung

Verlasse Feldscheunen und eingefallene Katen boten den Alster Wichtel Obdach. Auch unter durch Windbruch umgestürzten Räumen haben sie sich häuslich eingerichtet. Immer wieder soll es vorgekommen sein, dass sie unbemerkt an Bord von alsterabwärts fahrenden Alsterböcken und Steckelschiffen gegangen sind um sich in Hamburg ein neues Schiff zu suchen. Nach ein paar Jahren kamen sie bisweilen zurück.

Die Alster Wichtel haben sich hauptsächlich von Alsterfischen wie Aland, Bachforelle, Flussbarsch, Hecht, Güster, Rotauge, Rotfeder, Rundmaul-Bachneunauge und Zander ernährt. Wasservögel wie Enten, Haubentaucher oder Teichhühner wurden gefangen. Eichhörnchen Kaninchen und Igel waren auch eine gegehrte Beute. Der Speisezettel wurde mit Wildfrüchten und -pflanzen wie Brombeeren, Haselnüsse, Herlitzen, Holunder, Melde, Schlehen, Pilze, Puffbohnen oder Wegwarte bereichert. Sie lieferten wichtige Vitamine.

Wald mit Laub auf dem Boden
Bruchwald an der Alster © Norbert Schmidt

Wirtschaftsfaktor Alster

Die Alster war für Hamburg bis weit in die Neuzeit hinein ein sehr wichtiger Fluss, ein bedeutender Verkehrsweg und Wirtschaftsfaktor. Bereits im Hohen Mittelalter (zwischen 1306 und 1310) kaufte die Stadt den Grafen von Schauenburg den gesamten Alsterlauf von der Quelle bis zur Mündung in die Elbe, also im Hamburger Stadtgebiet ab. So konnte der Senat diesen Verkehrskontrollen und über die Jahrhunderte schrittweise ausbauen, schiffbar machen und durch die Anlage von Schleusen, Mühlen und Mühlenteichen auch vorindustriell nutzbar machen. Alster abwärts wurde Holz, Baustoffe, landwirtschaftliche Produkte und Erzeugnisse der Wassermühlen verschifft. Alsteraufwärts waren die Kähne mit Handelsware und Rohstoffe für die Wassermühlen beladen.

Als Verkehrsweg war die Alster bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts bedeutsam. Das Gaswerk in Barmbek erhielt seine Kohlen in Schuten, auch die Kranfabrik Kampnagel, die Brauereien, viele andere Industrie- und Gewerbebetriebe wurden weitgehend über die Alsterkanäle beliefert und mit dem Hamburger Hafen verbunden.

Alster Wichtel heute

Ob heute noch Alster Wichtel leben kann als nicht gesichert gelten. Große Teile ihres ehemaligen Siedlungsgebietes sind bebaut, zersiedelt, die Wasserläufe begradigt und kanalisiert.

Allerdings hat der Alsteroberlauf durch einige Renaturierungsmaßnahmen (Projekt Lebendige Alster) deutlich an Umwelt- und Lebensqualität gewonnen. Hier könnten Alster Wichtel in kleinen Populationen durchaus überleben.

Es gibt ein Indiz: Immer wieder ist zu hören, dass aus unerklärlichen Gründen kleine Hunde und Katzen spurlos verschwinden. Bisweilen wurden auch im Unterholz des Rodenbeker Quellentals Fellreste gesichtet. Die arglosen Haustiere könnten den Speisezettel von Alster Wichteln als Proteinlieferanten bereichert haben.

Anmerkung der Redaktion:
Dieser Beitrag ist als eine Einzeldarstellung zu verstehen. Er gibt eine polarisierende Meinung wieder und versteht sich als Diskussionsbeitrag auf Basis des Grundgesetzes Artikel 5. Notwendiger Weise wird nicht die Meinung und Auffassung der Redaktion von ganz-hamburg.de wiedergegeben.

Für den Artikel wurde auf orale Überlieferungen und Hörensagen zurückgegriffen.

Quellen:

Für den Artikel wurde auf orale Überlieferungen und Hörensagen zurückgegriffen.
Grundlegende Literatur für geschichtlich Interessierte findet sich auch hier:

  • Baum, Hans-Peter: Hochkonjunktur und Wirtschaftskrise im spätmittelalterlichen Hamburg, Hamburg 1976 (Beiträge zur Geschichte Hamburgs; Bd. 11).
  • Busch, Ralf: Hamburg – wie es begann, Neumünster 2004.
  • Hanf, Maike: Hamburgs Weg in die praktische Unabhängigkeit vom schauenburgischen Landesherrn, Hamburg 1986 (Beiträge zur Geschichte Hamburgs; Bd. 31).
  • Gabrielsson, Peter: Die Zeit der Hanse 1300-1517, in: Hamburg. Geschichte der Stadt und ihrer Bewohner; Bd. 1: Von den Anfängen bis zur Reichsgründung, hg. v. Werner Jochmann und Hans-Dieter Loose, Hamburg 1982, S. 101-190.
  • Reincke, Heinrich: Forschungen und Skizzen zur hamburgischen Geschichte, Hamburg 1951 (Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Hansestadt Hamburg; Bd. 3).