Da freut sich das Sparschwein: Die Rückkehr der Zinsen

Ein gelbes und ein rotes SparschweinBild von Qubes Pictures auf Pixabay

In ihrem jüngsten Zinsschritt erhöhte die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins auf 3,5 Prozent. Damit steigen die Kosten für Kredite und Investitionen, aber auch die Sparzinsen. Was dies für Privatanleger bedeutet, besprechen wir im Experteninterview mit Tobias Gillen.

Inflation und Zinsen bestimmen die aktuelle wirtschaftliche Lage

Deutschland befindet sich derzeit in einer Phase der Hochinflation, wie sie seit den frühen 1980er-Jahren nicht mehr herrschte. Die Ursachen liegen hauptsächlich in den gestiegenen Energiepreisen, die als Nebenkosten in nahezu allen weiteren Produkten und Dienstleistungen enthalten sind. Dieser Umstand sowie die Dynamik der Preissteigerungen sorgen dafür, dass das Preisniveau allgemein ansteigt.

Das gestiegene Preisniveau wiederum führt zu höheren Kosten, weshalb Unternehmen die Preise erhöhen. Es beginnt eine Dynamik aus steigenden Kosten und steigenden Preisen, die geldpolitisch unerwünscht ist, da sie erhebliche Risiken für das Wirtschaftswachstum und die Vermögensbildung mit sich bringt. Um dem entgegenzusteuern, erhöhen die großen Zentralbanken – in Europa die EZB, in Amerika die Fed – ihre Leitzinsen.

Kredite und Fremdkapital werden dadurch zunehmend teurer und Investoren signalisieren bereits eine gewisse Zurückhaltung. Daraus ergibt sich eine geringere Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und – nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage – sinkende oder weniger stark steigende Preise. Allerdings geht die Inflationsrate derzeit nicht stark und nicht schnell genug zurück, sodass mit weiteren Zinserhöhungen zu rechnen ist.

Für Unternehmen und Banken bringen die steigenden Leitzinsen besondere Herausforderungen mit sich, denn die Zinsen für Anleihen und Kredite steigen mit den Leitzinsen gemeinsam an. Insbesondere Unternehmen mit alten Verpflichtungen, die nun an die Marktzinsen angepasst werden, oder einem aktuell hohen Kapitalbedarf, könnten in die Krise geraten und das Wirtschaftswachstum insgesamt gefährden.

Wie jede wirtschaftliche Entwicklung bringt auch das gestiegene Zinsniveau Chancen und Risiken mit sich. So können sich zumindest die Sparer freuen, dass Tagesgeldkonten und weitere Anlageformen, die während der Niedrigzinsphase vollkommen unattraktiv waren, langsam wieder rentabel werden.

Wir sprachen mit Tobias Gillen, Finanzexperte und Chefredakteur der Plattform Finanzentdecker über die aktuellen Entwicklungen.

Interview mit Tobias Gillen

ganz-hamburg: In ihrem jüngsten Bericht gehen die sogenannten Wirtschaftsweisen, ein Beratergremium der Bundesregierung, von einem leichten Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent bei einer mit 6,6 Prozent gleichzeitig hoch bleibenden Inflation für das Jahr 2023 aus. Halten Sie diese Analyse für realistisch?

Tobias Gillen: Ich denke, dass das eine realistische Einschätzung ist. Die Inflation fällt leicht (im Jahresvergleich), bleibt dennoch auf einem noch viel zu hohen Niveau und die Wirtschaft hält sich halbwegs stabil. Es fühlt sich zwar anders an, ich würde mir aber nicht zutrauen, den Wirtschaftsweisen hier zu widersprechen.

ganz-hamburg: Wenn die Zinsen zwecks Inflationsbekämpfung weiter erhöht werden, könnte dies zwar einigen Unternehmen und Banken teuer zu stehen kommen, aber für Sparer wäre dies eine gute Nachricht. Was empfehlen Sie privaten Anlegern, um von der derzeitigen Entwicklung profitieren zu können?

Tobias Gillen: Zunächst einmal werden bei steigenden Leitzinsen auch Sparkonten wie Tagesgelder oder Festgelder wieder interessant. Wir sehen jetzt schon Zinssätze von über 3 Prozent für einen begrenzten Aktionszeitraum. Deshalb tragen wir auf unserer Plattform Finanzentdecker unter anderem die besten Zinsen für das Tagesgeldkonto zusammen und ermöglichen Privatanlegern einen aktuellen und transparenten Vergleich zwischen mehreren Anbietern zu ziehen. Aber: Auch mit 3 Prozent Zinsen lässt sich die Inflation nicht gänzlich abfedern. Dafür braucht es zusätzlich noch andere Investments, beispielsweise in Aktien oder ETFs. Bevor man aber gar nichts macht, und das Geld unverzinst auf dem Girokonto liegen lässt, sollte man sich zumindest Tagesgeld und Festgeld anschauen.

Infografik Tagesgeldkonto
Die Vorteile eines Tagesgeldkontos

ganz-hamburg: Nach Jahren ohne nennenswerte Zinserträge können sich Sparer also wieder über signifikant höhere Zinsen auf Tagesgeld oder Festgeld freuen. Gleichzeitig vernichtet die Inflation jedoch Geldvermögen in kaum gekanntem Ausmaß. Was empfehlen Sie Sparern, die sich einen echten Inflationsausgleich durch ihre Geldanlage erhoffen?

Tobias Gillen: Einen Mix aus Tagesgeld für den Notgroschen und einem Investment in Sachwerte wie Aktien und ETFs. Der Aktienmarkt wächst langfristig – das ist das entscheidende Kriterium – im Durchschnitt um etwa 8 Prozent. Damit hätte man die Inflation von etwa 6 Prozent schon ganz gut im Griff. Wichtig ist aber auch, optimistisch zu bleiben. Die Inflation wird irgendwann auch wieder unter Kontrolle gebracht werden.

ganz-hamburg: Renditeerwartungen von 10, 15 Prozent und mehr, wie sie einige Finanzexperten versprechen, können sie also nicht bestätigen?

Tobias Gillen: Das ist schon möglich, warum nicht? Aber Rendite kommt immer von Risiko. Wer doppelt so viel Rendite haben möchte, wie der breite Aktienmarkt langfristig im Schnitt verspricht, der muss auch mehr ins Risiko gehen. Möglich ist das, für den Einsteiger aber wahrscheinlich nicht praktikabel. Wichtig ist es hier, nicht den Renditeversprechen von Tradern und Investoren hinterherzueilen, sondern sich erst einmal ein gutes Fundament zu schaffen, mit dem man dann die ersten Schritte am Aktienmarkt geht. Die Einstiegshürde ist im Vergleich zu Girokonto und Tagesgeld relativ hoch, aber wenn man die Basics einmal drauf hat, ist das alles gar nicht so schwer. Lieber etwas konservativer starten und Wissen aufbauen und dann irgendwann mit einem kleinen Teil des Vermögens mehr ins Risiko gehen. Das wäre meine Empfehlung.

ganz-hamburg: Vielen Dank für das Gespräch an Tobias Gillen, Finanzexperte und Chefredakteur der Plattform Finanzentdecker, die deutschsprachige Privatanleger mit Hintergrundinformationen und aktuellen News zu vielen Themen aus der Welt der Finanzen versorgt.

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