Finkenwerder: Nach der Flut ist vor der Flut und die Mühlen der Behörde mahlen selbstverständlich mehr als langsam.
Sturmfluten, Deichbrüche und Überschwemmungen sind nichts außergewöhnliches im Elberaum. Über Weihnachten sorgte das Sturmtief Zoltan für Windbruch und heftige Regenfälle. Eigentlich nichts besonderes im Norden und die Entwässerungssysteme sind dafür normalerweise ausgelegt. Allerdings keine Regel ohne Ausnahme. Dieses Mal war Finkenwerder die Ausnahme. Denn aufgrund der Sturmflut und des Regens stiegen in Finkenwerder die Pegel. Das Wasser aus der Alten Süderelbe lief nicht mehr ab, ein weitläufiges Binnenhochwasser bedrohte den Ort. Dabei ist für solche Fälle bereits seit 20 Jahren (!) der Bau eines Schöpfwerks geplant, bis heute aber nicht umgesetzt.
Nur das Eingreifen von Feuerwehr und THW mit Hochleistungspumpen verhinderte Schlimmeres. Ein Einsatz mit zeitweise bis zu 100 Personen die gegen das Hochwasser kämpften.
Die Gründe
Bei orkanartigem Westwind drückt das Wasser aus der Nordsee in immer höher auflaufenden Tiden die Elbe hinauf in den Hamburger Hafen und zum Elbstaustufe in Geesthacht. Gleichzeitig füllte Starkregen die Gräben, die sich von Harburg bis Neu Wulmstorf in die Alte Süderelbe entwässern. Die wiederum gibt in normalen Zeiten das Wasser mechanisch über Sielentwässerung in die „normale“, Elbe ab.
Wenn aber durch eine schwere Sturmflut und auflaufende Tiden der Wasserstand der Stromelbe höher wird als der der Alten Süderelbe, kann das Wasser nicht mehr ablaufen. Denn das Storchennestsiel, ein unscheinbares Gebäude auf Finkenwerder, an dem viele vorbeifahren ohne zu ahnen, wie wichtig es für die Regulierung des Wasserhaushalts von etwa 70.000 Menschen ist, besitzt kein Schöpfwerk. Überschüssiges Wasser kann nicht in die Elbe abgepumpt werden. Dabei entwässert sich die gesamte Geest durch den Moorgürtel ins Alte Land und weiter nach Finkenwerder.
Wenn nun der „Binnensee“ Alte Süderelbe voll ist, läuft er über und gibt das Wasser zurück in das Grabensystem, das sich wie ein Netz durch den Süderelbebereich zieht. Als Folge laufen die Gräben dort ebenfalls über und überfluten das Land.
Dass diesmal alle mit einem blauen Auge davongekommen sind, ist einem Anwohner zu verdanken, der die Berufsfeuerwehr alarmierte. Gemeinsam mit der Freiwilligen Feuerwehr, dem THW und auch die Werkfeuerwehr der Firma Holborn Europa Raffinerie GmbH packte mit. Der Einsatz wurde koordiniert über einen operativen Leitungsstab, der eng mit dem regionalen Katastrophendienststab des Bezirksamtes Hamburg-Mitte zusammengearbeitete. Hochleistungspumpen wurden aus Hamburg, Bremen und Niedersachen organisiert. Über die Hauptzufahrtsstraße nach Finkenwerder wurden Schläuche gelegt, die Straße gesperrt und zeitweise 85.000 Liter Wasser pro Minute mit Hochdruck in die Elbe gepumpt.
Genau genommen, hätte es diesen Einsatz nicht geben müssen. Denn seit 2004 gibt es einen Beschluss von der Grün geführten Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft (BUKEA) ein Schöpfwerk am Storchennestsiel zu bauen. Doch bisher passierte nichts.
Laut dem Aktionsbündnis Alte Süderelbe sagte Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer, der ebenfalls über Stunden vor Ort war, dazu: Dieser Einsatz hat allen noch einmal allen vor Augen geführt, wie dringend es ein Schöpfwerk am Storchennestsiel braucht, um bei Starkregen die massiven Wassermengen aus der Alten Süderelbe tideunabhängig in die Elbe entwässern zu können. Die zuständige Umweltbehörde hat für das erste Halbjahr 2024 eine Bedarfs- und Vorplanung sowie Kostenberechnung angekündigt. Der Bau des Schöpfwerks muss nach jahrzehntelanger Diskussion jetzt endlich ganz schnell Fahrt aufnehmen.
Eine weitere Frage tut sich auf: Bleibt man bei den Plänen, die Alte Süderelbe zu öffnen, müsste am Storchennest ein neues und erheblich größeres Sperrwerk (Schöpfwerk) gebaut werden. Die Untersuchungen, ob geöffnet werden soll, liegt inzwischen in den Händen der „Stiftung Lebensraum Elbe“, die ihre Räume wiederum in der BUKEA hat. Was sicherlich ein Beleg für die Unabhängigkeit der Stiftung ist.
Ein Spiel mit dem Feuer?
Kann es sein, dass man, bevor man ein Schöpfwerk baut, die Untersuchungen der der Stiftung, die seit 2020 laufen, abwarten will? Um nicht durch den Bau eines Schöpfwerkes eine Entscheidung vorwegzunehmen?
Die Elbe ist schon lange kein naturnaher Lebensraum mehr. Große Siedlungsgebiete und landwirtschaftliche Flächen liegen in der Flutzone und können nur genutzt werden, wenn ein leistungsfähiger Hochwasserschutz besteht. Der Siedlungsdruck wächst allerdings, auch bedingt durch die ungeregelte Zuwanderung, weiter an. Schon jetzt kann die Stadt nicht genug Wohnraum errichten.
Es kann als gesichert gelten: Starkregen in Kombination mit schweren Stürmen, wie am letzten Weihnachtswochenende, werden zukünftig keine Ausnahmeereignisse mehr sein. Temporäres Abpumpen durch Einsatzkräfte ist eine Risikostrategie.
Mehr Infos unter www.aktionsbuendnis-alte-suederelbe.de