Alles eine Frage der Linie – Ich bin denn ma schlank!

Ein Curvy ModelSchlank wird Frau von allein © ganz-hamburg.de

Der laufende Hamburger Wahnsinn oder wie man sich von allen Figurproblemen ganz einfach befreit.  Nix da mit Diät und anderem Quatsch

von Manuela Treudorf-Mies*
Hallo, liebe Leute, Manuela ma wieder! Hab da vor ewige Zeit ma ein Spruch gelesen, von wegen, das die Wahrheit in Auge des Betrachters liegen tut. Habbich erstens damals nich ganz verstandn und mir zweitens auch ersma nix weiter bei gedacht. Is aber irgendwie bei mir inne graun Zelln häng gebliebn…

Nu weiß ich ja von fast alle Fraun, die ich so kenn tu: Sie findn sich alle zu dick! Ich weiß auch, woran das liegn tut, weil Fraun machen alle ein Fehler: Wennse vorn Spiegel stehn, dann kuckn se sich nich nur von vorn an, so wie Männer das tun. Nee, sie drehn sich danach noch aufe Seite, und wenn se sich denn so vonne Seite sehn, denn finden se sich zwangsläufich zu dick. Is numa so, kannste nix gegn machen!

Frauen brauchen für den laufenden Hamburger Wahnsinn nicht zu proben

So inne Kindheit und frühe Jugend habbich mir über mein Aussehn gakein Kopp gemacht. War so wies war, und gut ebn… Denn, wo ich so in Teeniealter war, kam aufnmal Fotos von das erste Supermodel inne Illustrierten: Hieß Twiggy, was wohl soviel heißn tut wie Bohnstange oder Streichholz. Die sah auch so aus, nix als Haut un Knochn. Und denn trug se son Minirock. Der saß nich inne Taille, sondern aufe Hüftn, hatte son ganz breitn Gürtel mit Riesnschnalle, und ging grad ma so ebn bis untern Popo. Ab da war klar: Wenn du „in“ sein willtst, mustu son Teil habn!

Füre Preise inne Butikn reicht mein Taschngeld nich aus, aber denn kam ne Anzeige inne Bildungszeitung von ein Kaufhaus mit genauson Minirock für 20 Mark! Ich mein Taschngeld zusammgekratzt, mein Spartopf geleert und nache Schule ab inne Mönckebergstraße. Der Verkäuferin das Zeitungsfoto gezeicht: „So ein willich auch!“ „Welche Größe denn?“ tut se mich fragn. Ich sach: „Weiß ich nich!“ Holtse son Maßband raus, tut mir das umme Hüftn tüdln, runzelt de Stirn und sacht: „In ihre Größe ham wir den Rock nich, nur in XS, S oder M. Vielleicht solltn se bei ihre Figur doch besser was Kniebedecktes wähln!“ Ich aufn Absatz kehrt, weiß nich, wie ich da wieder raus bin… Draußn ersma voll losgeheult, ab nach Hause, und von den Tag an mit die Gewissheit weitergelebt: „Manuela, du bist dick!“

So knappe zwanzig Jahre später, wo ich denn meine beidn Kinder kurz hinternander gekricht hab, bín ich denn son Vierteljahr nache zweite Geburt zu meine Ärztin zur Nachuntersuchung. Die Solvej in Kinnerwagen, der Björn anne Hand, er noch mit dicke Windelhose. Tut mich die Ärztin denn fragen, wies mir so gehn tut mit mein doppeltes Glück. Ich sach: „Mussja! Is aber ganz schön stressich, beide immer gleichzeitich Hunger oder Windel voll, krich kein Bein zur Erde…“ Sacht se: „Aber hattja auch sein Gutes: Sie ham ja nu in kürzeste Zeit nache zweite Geburt schon wieder ihr Normalgewicht erreicht! Da brauchn annere Fraun meist viel länger für.“ Ich schieb mit mein beidn Wonneproppn raus ausse Praxis und denk: „Manuela, du bis ganich dick, du has Normalgewicht!“

Kleiderschrank

Ein voller Kleiderschrank Photo by Adrienne Leonard on Unsplash

Und nu, nochma gut zwanzig Jahre später, steh ich so vor mein volln Kleiderschrank und denk: Mustu ma ausmistn, tu ma was inne Altkleidersammlung! Große Tüte her und los… Plötzlich fällt mir da son schön dunkelblaun Leinenblazer inne Hand – locker dreißig Jahre alt wennich mehr, sieht aber noch top aus, wie neu! Ich da ma rein, Knöppe gehn noch zu, also ab vorn Spiegel… Tut  prima sitzn, auch vonne Seite, aber von vorn unmöglich: riesn dicke Schulterpolster, geht ganich! Kannste ja nich einfach so raustrenn, mustu denn ja auch was obn wegnehm und die Ärmel anhebn. Also ab damit zu die nette Änderungsschneiderin umme Ecke! Ich den anziehn, sie alles schön absteckn… „Is ja ‘n edles Stück“, sachtse, „aber ja schon büschn älter, bestimmt dreißich Jahre oder so. Find ich super, dasse da noch so glatt reinpassn tun! Gibt ja wenich Fraun, die sich über so lange ihre schlanke Linie bewahrt ham!“ Ich denk, ich hör nich recht: Hat die grad „schlanke Linie“ gesacht? Und mich gemeint? Kann doch wonich wahr sein! Wie auf Wolken tu ich da aussn Laden rausschwebn… Und in mein Kopp tut es in ein fort singen: „Manuela, du bist schlank!“

Wie ich so über all das nachdenkn und es ma aufschreibn tu, fällt mir der Spruch mit den Auge des Betrachters wieder ein: Da habbich nu über vierzich Jahre für gebraucht, um ersma dick, denn normal und nu an Ende auch noch schlank zu sein – und das alles bei mehr oder weniger gleiches Gewicht! Denn das habbich komischerweise über mein ganzes Leben hin irgendwie gehalten…

*Die Autorin ist ganz-hamburg.de (leider allzu) bekannt. Bei Redaktionsbesprechungen weigert sie sich sich standhaft die Cognac-Flasche für alle zu holen, stattdessen trinkt sie lieber Chai Latte. 
Die Personen, Begebenheiten und die Handlung dieses Blogbeitrages (Der laufende Hamburger Wahnsinn) sind frei erfunden – schlimmer noch, ein Produkt der überbordenden Fantasie von Manuela Treudorf-Mies, die bekanntlich zu Tagträumen der dritten Art neigt.  Etwaige Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Begebenheiten oder lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und sind natürlich nicht beabsichtigt. Ganz großes Indianer-Ehrenwort!

  Adrienne Leonard